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bonsaimenschen

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MELDUNG. Bon­sai­men­schen, 12 Per­so­nen jün­ge­ren Alters a 36 cm, nahe Mara­dah zur Hit­ze­pro­be ein­ge­trof­fen. Wüs­ten­wan­de­rung [ 125 Mei­len ] : Mitt­woch, 28. Sep­tem­ber 2011, ab 12 Uhr mit­tel­eu­ro­päi­scher Som­mer­zeit. Call : 00218 / 45936221 — stop

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tiefschlafende menschen

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del­ta : 20.16 – Manch­mal, in Zei­ten höchs­ter Not, spre­chen Men­schen, die wach sind, stell­ver­tre­tend für jene Men­schen, die schla­fen, zu Gott. Vor eini­gen Jah­ren ein­mal habe ich Sät­ze fle­hen­der Gesprä­che im Bitt­buch einer neu­ro­lo­gi­schen Kli­nik ent­deckt. Ich knie­te damals, ich war selbst ver­zwei­felt, und las in der Hoff­nung, im Lesen viel­leicht schon eine lei­se Ver­bin­dung auf­neh­men zu kön­nen, indem ich Gedan­ken der Men­schen nach­fühl­te, die an der sel­ben Stel­le gekniet hat­ten wie ich. Mari­an­ne schrieb am 22. Febru­ar 2004: Lie­ber Gott, bit­te hilf mir, dass ich wie­der auf­wa­chen kann. Dei­ne Brit­ta. Und Peter nur weni­ge Tage spä­ter: Ges­tern hat Mar­cel­la mei­ne Hand gedrückt. Ich dan­ke Dir, lie­ber Gott. Lass sie zu uns zurück­kom­men, lass sie wie­der wach­wer­den. Heu­te ist unse­re Anna Marie 1 Jahr alt gewor­den. Seit Anna Marie lebt, schläft die Mama. Es ist genug.

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PRÄPARIERSAAL : nachtarbeit

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tan­go : 23.15 — Im Regen mit Ton­band­ge­rät unterm Schirm am See. Sams­tag. August­kas­ta­ni­en fal­len aus den Bäu­men. Auf den Häup­tern der Rot­wan­gen­schild­krö­ten, die sich zu mei­nen Füßen arg­los ver­sam­meln, als lausch­ten sie wie ich Magnet­kopf­stim­men, feuch­te Häub­chen von Ahorn­sa­men. Kaum ein Mensch unter­wegs. Ich dach­te für einen Moment, weiß nicht wie das gekom­men ist, dass ich an die­sem Ort ohne Zeu­gen sofort den Ver­such unter­neh­men könn­te, eine der Schild­krö­ten an ihrem Hals zu packen, sie aus dem Was­ser zu heben, um sie zu Hau­se in der Küche mit einem Mei­ßel auf­zu­ma­chen. Auf Por­zel­lan gebet­tet kurz dar­auf ein Rep­ti­li­en­häuf­chen, rosa­far­ben, feins­te Strei­fen Schild­krö­ten­bau­ches, des­sen eigent­li­che Gestalt ich mir hin­ter Pan­zer­häu­ten lie­gend zur Zeit nicht vor­stel­len kann. — 22 Uhr 58. Jani­ne erzählt: > Ich kann mich noch gut dar­an erin­nern, dass ich nachts auf­wach­te und den haar­lo­sen Kopf mei­nes Freun­des vor mir gese­hen habe. Ich erschrak fürch­ter­lich. Ich saß ein paar Minu­ten senk­recht im Bett, dann bin ich auf­ge­stan­den. Wir haben eine sehr schö­ne Küche. Ich habe von Zeit zu Zeit in der Küche kam­piert. Ich habe dort gelernt und manch­mal bin ich mit dem Kopf auf dem Ana­to­mie­at­las ein­ge­schla­fen. Merk­wür­dig, über wie viel Kraft ich doch ver­fü­ge. Ich war beim Tan­zen, zwei­mal wan­dern in den Ber­gen, ich habe gepaukt und ich habe mit dem Skal­pell gear­bei­tet. Ich habe vor­mit­tags und mit­tags und Abend für Abend in der Biblio­thek gele­sen. Und wenn ich nachts in der Küche ein­ge­schla­fen bin, dann waren da plötz­lich sehr schar­fe Bil­der in mei­nem Kopf. Auf­blit­zen­de Foto­gra­fien, die über­fall­ar­tig Angst erzeug­ten. Der geöff­ne­te Mund eines Toten. San­di­ge Zun­gen. Ein hoch auf­ra­gen­der, dun­kel­ro­ter Penis. Das zer­teil­te und gehäu­te­te Gesicht einer alten Frau. Das war nicht geträumt, ich habe die­se Bil­der bei vol­lem Bewusst­sein vor mir gese­hen. Jetzt kom­men sie mich sel­te­ner besuchen.

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katzenbojen

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echo : 22.58 — Stadt der Was­ser­men­schen. Abend. Som­mer. Vor dem zen­tra­len Bahn­hof ste­hen tau­sen­de Bür­ger plau­dernd, rau­chend, scher­zend bis zu den Häl­sen in den Flu­ten. Was­ser, bestän­dig, auch in Kaf­fee­häu­sern, Woh­nun­gen, Büro­ge­bäu­den. Die Kör­per der Men­schen sind leich­ter gewor­den, sind Kör­per, die sich stre­cken. Und schwim­men­de Tau­ben. Und Kat­zen­bo­jen, lau­ernd. — Ob es viel­leicht ein­mal sinn­voll sein könn­te, Men­schen der­art zu imp­fen, dass sich ihre Haut unver­züg­lich in die Haut der Regen­bo­gen­fo­rel­len ver­wan­del­te? — stop
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von elefanten und ohren

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tan­go : 20.18 — Ich besuch­te im Traum ein Ele­fan­ten­haus. Kein gewöhn­li­ches Ele­fan­ten­haus, viel­mehr einen Ort, den eigen­ar­ti­ge Ele­fan­ten bewohn­ten. Das waren näm­lich Ele­fan­ten ohne jede Fal­te, sie waren so vor­nehm gestal­tet, als wären sie von Glas gebla­sen, hel­le Augen, die sich flink beweg­ten, peit­schen­de klei­ne, fal­ten­lo­se Schwän­ze, laut­los schwin­gen­de fal­ten­lo­se Rüs­sel, rie­si­ge haar­lo­se Kör­per, grau, braun, rosa. Ich saß auf einer Bank in ihrer Nähe. Vögel stürm­ten unter dem Kup­pel­dach hin und her. Sobald sie ver­such­ten sich auf dem Rücken eines der Ele­fan­ten­tie­re nie­der­zu­las­sen, rutsch­ten sie ab und lan­de­ten auf dem Boden. Ein wei­te­rer Vogel saß auf mei­ner Schul­ter. Der Vogel war mit einem mei­ner Ohren beschäf­tigt, hack­te klei­ne­re Por­tio­nen aus der Muschel, knurr­te zufrie­den vor sich hin. Sobald das Ohr, um das sich der klei­ne Vogel bemüh­te, ver­schwun­den war, hol­te ich aus mei­ner Hosen­ta­sche ein neu­es Ohr, befes­tig­te das Ohr an mei­nem Kopf, und schon fraß der klei­ne Vogel wei­ter vor sich hin. Ein­mal kos­te­te ich heim­lich von einem der Ohren, die sich in mei­ner Hosen­ta­sche befan­den. Schmer­zen hat­te ich keine.

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tripolis : rixos

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echo : 22.28 — Beob­ach­te­te die Ent­fal­tung eines Twit­ter-Text­tur­mes, auf den ich gesto­ßen war, weil ich Mel­dun­gen des CNN — Repor­ters Matthew Chan­ce folg­te, der aus einem zen­tral gele­ge­nen Hotel zu Tri­po­lis berich­te­te: On bright side, am with excel­lent group of jour­na­lists at #Rix­os. We are fee­ling our way around cor­ri­dors with cand­les. No power. — Eine merk­wür­di­ge Ver­samm­lung. Augen­zeu­gen­be­richt, Spe­ku­la­ti­on, Des­in­for­ma­ti­on, Furcht, Erfin­dung, Appell flie­ßen inein­an­der. Ich hat­te den Wunsch, die­se eigen­ar­ti­ge Linie fest­zu­hal­ten, um sie in eini­gen Tagen noch ein­mal unver­än­dert besich­ti­gen zu kön­nen: > twit­ter tag : rix­os 22.08.11 pdf
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kandinskyraupe

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ulys­ses : 2.08 — Nach hef­ti­gem Gewit­ter­re­gen habe ich einen Kan­din­sky ent­deckt im Park, eine nas­se Rau­pe von so wun­der­ba­rer Zeich­nung, dass ich sie in eine Streich­holz­schach­tel setz­te und mit nach Hau­se genom­men habe. Sie lun­gert jetzt auf mei­nem Schreib­tisch her­um. Der Ein­druck, dass sie nicht sehr begeis­tert ist, sobald ich mich mit einem Fin­ger oder mei­nen Augen nähe­re, viel­leicht wegen mei­nes Anblicks oder weil es eigent­lich dun­kel sein müss­te um die­se Zeit, da doch Nacht gewor­den ist. Dro­hen­de Hal­tung, das heißt, gesenk­ter Kopf, Füh­ler der­art zu mir hin aus­ge­rich­tet, als wären sie Hör­ner eines Stie­res. Ihrem Rücken ent­kom­men vier Quas­ten von gel­ber Far­be senk­recht einer leder­nen Haut, die dun­kel ist und zart liniert, wie die Hand­flä­chen eines Berg­go­ril­las. Zar­tes­te Federn, sie blü­hen feu­er­far­ben an den Flan­ken des Tie­res, aber grü­ne, sehr kur­ze Bei­ne, acht links, acht rechts. Manch­mal fällt die Kan­din­sky­rau­pe um. Sie liegt dann recht flach auf der Sei­te zur Schne­cken­zeich­nung gewor­den. Ob ich sie mit etwas Bana­ne an mich gewöh­nen könn­te? Oder mit Cole Por­ter viel­leicht? Zwei Stun­den Cole Por­ter, das soll­te genü­gen. – stop
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time

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hibis­kus : 22.25 — Wenn ich mich sehr lang­sam bewe­ge, so lang­sam, sagen wir, wie mög­lich bewe­ge, ohne umzu­fal­len oder ein­zu­schla­fen, mei­ne ich, einer Per­son nach­spü­ren zu kön­nen, deren Leben auf 2800 Jah­re Zeit aus­ge­dehnt wor­den ist. Drei Pul­se pro Minu­te an einem Tag von 840 Stun­den Dau­er. Ich hör­te die Wet­ter­fra­ge ( Regen? ) eines Freun­des, der sich in jener ande­ren, in jener für Men­schen übli­chen Lebens­ge­schwin­dig­keit befin­det. Ich ant­wor­te­te 5 wei­te­re Minu­ten spä­ter in einem kaum noch wahr­nehm­ba­ren Geräusch. Wie nur unbe­scha­det eine Stra­ße über­que­ren? — stop