lima : 0.01 — Und schon ist wieder März geworden. Warme Luft pfeift übers Dach, und Blätter, Blätter von Sonnenlicht, sie schaukeln vorm Fenster. So fein sind sie gewirkt, dass nichts sie zu berühren vermag als meine Gedanken. Höchste Zeit von kleinsten Wesen zu erzählen, wie man sie findet, da sie doch unsichtbar sind, und wie man mit ihnen sprechen oder reisen oder gemeinsam warten könnte, sobald man ihnen begegnet sein wird. — Papierene Herzen.
Particles: März 2010
fiebermöwen
~ : louis
to : Mr. jonathan noe kekkola
subject : FIEBERMÖWEN
Vergangene Woche, lieber Jonathan, ist etwas Merkwürdiges geschehen. Ich hatte Fieber und geträumt, dass Sie mir einen Brief geschrieben haben. Endlich, endlich, dachte ich, um Himmels Willen, eine Fata Morgana, und wachte auf und erinnerte mich an Ihre Worte in einer Weise, dass ich Traum von Wirklichkeit nicht unterscheiden konnte. Das mag an meinem heißen Kopf gelegen haben, und so antwortete ich auf einen Brief, der niemals existierte. Sie werden sich, mein lieber Kekkola, vielleicht gewundert haben und noch immer amüsieren. Nun, es geht auf Mitternacht zu, ist folgende Sache zu erwähnen. Im April werde ich eine Sammlung von Papierwesen erhalten, einen Bogen 20 x 28 cm. Darf sie umsorgen und probieren, wie sie sich so machen, wenn einer wie ich sie mit wilden Texten beschreibt. Unseren Tiefseeelefanten gehts vortrefflich. Nahe Bermuda, so wird berichtet, sollen sie einen Schwarm verirrter Möwen aus der Luft gefangen haben. Ahoi! Bis bald am Strand. Ihr Louis
gesendet am
1.03.2010
22.58 MEZ
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louis to jonathan
noe kekkola »
meerestee
chomolungma : 0.03 — Jedes Wort als ein kleines Tier betrachten, mit einer je sehr langen Lebensgeschichte. Das Wort Himmel, zum Beispiel, ein feines Wesen, seine vielfältige Gestalt in den Sprachen dieser Welt, Zeichenmäntel, irrlichterndes Plankton in einer Tasse Meerestee. Und so fliegen die Wörter in Herden durch Luft und Raum um den halben Erdball herum von einem Menschen zu einem anderen Menschen in Sekundenschnelle. Hier werden sie gelesen, ein Tier nach dem anderen Tier, behutsam, scheu. — Gute Nacht und guten Morgen!
kopfaffen
himalaya : 0.58 — Wann das mit den Affen genau angefangen haben könnte, dass sie mich begleiten, sobald ich die Tür zur Wildnis öffne und jagen gehe ins Warenhaus um die Ecke, vermag ich nicht zu sagen. Ein Anfang jedenfalls könnte sein, zu wissen, welchen Ursprungs sie sind. Ich sage Ihnen das Folgende im Vertrauen leise, sie hüpfen aus der Reproduktion einer Malerei heraus, die ich vor zwei Jahren im Sommer auf Höhe meiner Augen an den Rahmen der Wohnungstüre nagelte, kawumm. Irgendwann wars zur Gewohnheit geworden, das kleine Bild zu betrachten, in dem ich die Schleuse zur Außenwelt passiere. Ich schlendere dann eine Straße unter schneienden Akazien entlang und beobachte Wesen, wie sie in den Kronen der Bäume toben. Wenn ich mich selbst vergessen habe und warum ich eigentlich auf die Straße getreten bin, sind sie gut gelungen. Jetzt nur noch Affenmensch sein, atmen und in die Blätter schaun. - Donnerstag. Das Erfinden ist ganz sicher ein Vorgang geschmeidiger Achtsamkeit.
wörter
echo : 0.28 — Die Fieberhitze der vergangenen Tage. stop. Seegang. stop. Schwankende Tastaturen. stop. Schlingernde Gedanken. stop. Taumelnde Wörter. stop
februarbrief
romeo : 0.15 — Noch war Februar gewesen, da verfasste ich einen Brief an ein Mädchen, das ich bereits kannte, als sie noch nicht laufen konnte. Sie heißt Rosario, was eigentlich nicht ganz richtig ist, weil das natürlich an dieser Stelle nicht ihr wirklicher Name sein darf. Aber dass ich ihr Patenonkel bin, ist eine Tatsache, dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Rosario, ein zauberhaftes Wesen, wohnt jetzt in Brooklyn, New York, und zwar in der Hicksstreet nahe eines Hauses, in dem Arthur Miller sein Drama Tod eines Handlungsreisenden notierte. Genau dorthin nun schickte ich meinen Brief, einen papierenen Brief in einem Luftpostumschlag, den ich in ein Päckchen zu einer Büchersendung steckte. Ich schrieb, — ich darf das zitieren, weil ich die Erlaubnis dazu erhalten habe -, folgende Zeilen: “Liebe Rosario, hiermit sende ich Dir ein spektakuläres Buch, einen Katalog Leanne Shapton’s, der mich Tage lang begeisterte. Von einer Liebe wird berichtet, Du solltest sie unbedingt lesen, eine wundervolle, in seltsamer Weise erzählte Geschichte. Was das Buch wohl bei sich denken mag, jetzt da es nach einer Schiffsreise über den Atlantik her, im Flugzeug wieder zurück nach Amerika hin getragen werden wird? Gut, wir werden das vielleicht niemals herausfinden, oder, sag, hast Du gelernt mit den Büchern selbst zu sprechen? Erinnerst Du Dich noch an Abende, da ich Dir vorgelesen habe? Du lagst auf meinem Bauch, eine kleine Katze, und einmal legtest Du Dein Ohr an meine Stirn, und wolltest meine Gedanken hören. Und als Du nichts vernehmen konntest, sagtest Du zu mir mit großen Augen: Du musst lauter denken, Louis, ich kann dich nicht hören! Viel Vergnügen beim Lesen und Schauen wünscht Dir Dein Louis”
bermuda
alpha : 0.03 — Ob es wohl möglich ist, ein Blatt Papier, das aus Millionen sehr kleiner Lebewesen bestehen wird, mit einer Schere, sagen wir, in zwei Teile zu zerlegen? Was sollte geschehen? Würden meine papierenen Tiere Geräusche erzeugen, die Widerspruch signalisieren, Empörung, Furcht? Oder würden sie weichen, sich in alle Himmelsrichtungen zerstreuen, eine blitzschnell sich vollziehende Bewegung der Entropie? – Sonntag. stop. Warme, geschmeidige Stunden. stop. Hell vom Schnee die Luft.
schneekamille
nordpol : 0.02 — Deine schneeweiße Hand, die an einem Sommernachmittag auf meinem Unterarm liegt. Wir wandern durch einen Wald. Klein bist Du geworden und leicht, und ich gehe, Du führst mich, mit geschlossenen Augen neben Dir her. Und plötzlich bist Du nicht mehr da. Ich sehe Dich, unsicher Deine Schritte über das Moos. Und wie Du kniest vor den lichten Blumen unserer Wiese. Deine weinende Stimme. Dein Klagen ohne Worte. Dein Schreien gegen den Himmel. Dein Beben in meinen Armen. Und wie Du flüsterst: Ich will nicht sterben. - Dann ist Nacht wie an vielen Tagen Nacht geworden. Ich stehe im halben Dunkel Deines Zimmers, so still, so still, und lausche nach Deinem Atem, sitze und lese und schau Dich an. Deine lächelnden Augen im Schlaf, der süße Himbeerduft des Morphiums, das Schnurren der Sauerstoffmaschine, Dein Seufzen, und wie Du wach geworden bist, Dein Blick für mich, wie Du mit Deinen tiefen Augen vom Wunder des Lebens erzählst. Nie wieder, erinnerst Du Dich, haben wir vom Tod gesprochen.
für marikki im himmel
hibiscilli
nordpol : 0.01 — h i b i s c i l l i
animals
~ : louis
to : Mr. stanislaw lem
subject : ANIMALS
Hochverehrter Herr Lem, Sie werden, nehme ich an, noch nie von mir gehört haben. Ich heiße Louis. Seit vielen Jahren bin ich ein stiller Bewunderer Ihrer Kunst. In der Nähe meines Schreibtisches hängt deshalb eine Fotografie, die Sie in schwarzer und weißer Farbe zeigt, an einer Wand. Immer wieder, wenn ich Sie dort betrachte, denke ich, dass ihre Augen, ihr Blick, von der Weite der Welt erzählen, die sich in ihrem Kopf entfaltet, dass man überhaupt die Großzügigkeit eines Geistes in seinen Augen zu erkennen vermag. Eines Ihrer Bücher nun habe ich wieder gelesen in den vergangenen Tagen, weil ich mich erinnert hatte, dass Sie dort von sehr kleinen gefährlichen Wesen berichteten, Mikroben, die Waffenpanzerungen jeder Art in Sekundenschnelle zu durchdringen in der Lage sind. Eine beunruhigende Vorstellung natürlich. Ich hoffe, das bald wieder zur Seite legen zu können, gerade auch deshalb, weil ich mich in diesen Wochen persönlich mit kleinsten Wesen beschäftige. Sollten Sie in der Lage sein, meine Arbeit von höherer Stelle aus zu beobachten, dann werden Sie bald erkennen, es geht um lebende Papiere, um ihren Geist, um ihr Verhalten und alle diese Dinge, die eine forschende Person begeistern von früh bis spät. In diesem Sinne sende ich Ihnen allerbeste Grüße. – Louis
gesendet am
10.03.2010
22.56 MEZ
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sekundenstunde
india : 0.01 — s e k u n d e n s t u n d e
handkuss
olimambo : 0.02 — Wieder einmal wahrgenommen, dass ich meine Gegenwart nicht in modernen Signalwörtern erzählen kann. Wenn ich Gegenwart erzähle, verwende ich Wörter einer Zeit, die mir eine alte Zeit zu sein scheint: Automobil stop Hospital stop Grammophon stop Schreibmaschine stop Traummechanik stop Sprechapparat stop Schallplatte stop Handkuss stop. – Da ist noch etwas Weiteres an diesem Abend, ein Gerücht, das mich fröhlich stimmt, sobald ich darüber nachzudenken beginne. Man erzählt, Autoren des New Journalism sollen lange, sollen viele Jahre dauernde Zeit unter ihren Figuren gelebt haben: Gay Talese stop Truman Capote stop Tom Wolfe stop. Man ist demzufolge nicht verrückt. Oder man ist verrückt, aber nicht allein verrückt. — Warum nur duftet dieser Abend nach Zimt und Fröschen?
luftlaufen
pupille : 0.02 — Gestern Nachmittag im Regen durch den Palmengarten spaziert. Saß bald unterm Schirm gut verpackt auf einer Bank am See und las in einer Sammlung feiner Texte, die Anton Tschechow in seiner persönlichen Ausgabe der Selbstbetrachtungen Marc Aurels vor langer Zeit einmal markiert hatte. Dort folgende Bemerkung: Du musst Dich daran gewöhnen zu denken und zu handeln, als sei das Ende deines Lebens schon da. Und ich dachte, es ist genau so, dass zwischen dem vorgestellten Ende des eigenen Lebens und dem tatsächlichen Ende, dessen Zeitort unbekannt, dessen Nahen von Tag zu Tag wahrscheinlicher wird, schmale oder noch breite Stege von Hoffnung, von Unkenntnis sich befinden, auf welchen ich mich bewegen kann, langsam, nachdenklich, oder in Tanzschritten, glücklich, übermütig und verwegen. – Wieder der Versuch, die Tropfgeräusche des Regens zu zählen. Nichts könnte beruhigender sein.
vancouver
MELDUNG. Ein Froschweibchen zunächst, dann ein Männchen der Gattung dendrobates figarous [ letzte Exemplare ihrer Art ] werden am Mittwoch, 17. März, sowie am Donnerstag, 18. März, je kurz nach Mitternacht in die Luft gesprengt. Ort: Vancouver / Opernhaus. Beide Vorstellungen sind ausverkauft.
standardminute
delta : 6.05 — Wie ich abends im Warenhaus eine moderne Standardminute erlebte, das will ich rasch noch berichten, eh mir die Augen zufallen, müde vom Wundern. Eine ganze Minute also. In dieser Minute, an ihrem Anfang genauer, befindet sich eine Kassiererin mittleren Alters, unruhig sind Augen und Mund, und ihre flatternden Hände, Werkzeuge, die Waren über Lichttaster ziehn. Eine alte Dame ist da noch, eine Dame mit Hut, die sich sehr langsam bewegt, ein wahres Reptil, würdevoll, bedächtig. Ein wenig zerstreut scheint sie zu sein, hebt immer wieder den Blick, beobachtet scheu die Bewegung des Bandes, die Reise ihrer persönlichen Ware: eine Schachtel Pralinen, ein Fläschchen Jägermeister, Salzstangen, drei Dosen Katzenfutter, ein duzend Schokoladenostereier in grün, in gelb, in rot, und ein weiteres Fläschchen noch hinterher. Das alles muss jetzt in die Tasche, sofort, und doch ists schon zu spät. Zwei Aprikosensafttüten schieben sich, einem Eisbrecher ähnlich, in den wartenden Bezirk der alten Frau hinein, falten Eier, Salzstangen und andere Warenteile steil zur Seite. Man kann jetzt hören, wie das klingt, wenn eine Dame höflich um Geduld bittet, um Nachsicht, eine freundliche, eine herzerwärmende Stimme, und das Geräusch einer Flasche, die zu Boden fällt. Wie sich die alte Dame nun aufrichtet, wie ihre hellen Augen meine Hände beobachten, die versuchen weiteres Unglück abzuwenden. Ungläubig schaut sie mich an, dann das Förderband entlang, das weitere Waren vorantransportiert. Ja, bald stehen wir und staunen zu zweit, und auch die Verkäuferin ist zur mitfühlenden Beobachterin geworden. Sie lurt zum Warenstrom hin, der über die Kante der Rollbandtheke in die Tiefe stürzt. Ihre Hände, diese seltsamen Hände, sie arbeiten weiter und weiter, schieben und schieben, als führten sie ein eigenes Leben oder gehörten schon der Maschine mit ihrem Rotlichtaugengehirn. stop. Minute zu Ende. stop. Guten Morgen.
windstille
~ : louis
to : Mr. jonathan noe kekkola
subject : WINDSTILLE
Es war Mittwoch, lieber Jonathan, trauriger Tag, mein letzter Fisch ist von mir gegangen. Als ich ihn besuchen wollte, ruhte er seitwärts auf sandigem Boden, eine scheinbar schlafende Gestalt. Das Gewicht seines Körpers kurz darauf in meiner Hand, nicht erwartete Kühle und die Rauheit seines Kopfes, den ich nie zuvor berührt hatte, ein seltsamer, ein bewegender Moment. Sie werden, lieber Kekkola, meine leise Trauer nach Jahren gemeinsamen Lebens verstehen, Sie ganz gewiss! — Sagen Sie, wie geht es Ihren Lungen, haben Ihre Atemflügel den Winter gut überstanden, ist alles so wie gewünscht, oder sind Sie vielleicht Stunden oder Tage ins Wasser zurückgekehrt, um Luft zu holen in vertrauter Art und Weise? Ein kuriose Vorstellung, wie mir scheint, Mr. Kekkola tauchend unter der Eishaut eines nordamerikanischen Sees. Ich darf Ihnen sagen, dass ich mich ein wenig vor Ihnen fürchte! Trotzdem hoffe ich, Sie haben sich bereits auf südöstlichen Kurs begeben. Ein wolkenloser Himmel sollte Sie erwarten, Windstille bei 17° Celsius, dort wo ich Sie lebend vermute. – Ihr Louis, ahoi!
gesendet am
18.03.2010
4.38 MESZ
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louis to jonathan
noe kekkola »
lufthupe
ginkgo : 6.25 — Ob sich die Trompetensprache der Tiefseeelefanten von der Trompetensprache der Steppenelefanten unterscheidet? — Lässt sich diese Frage fotografieren?
nachtlaufen
romeo : 0.52 — Nachts, im Laufen am See, Geräusche des Bodens, die durch den Körper dringen. Bald das Herz am Hals. Schlafende Schwäne, schlafende Enten. Der Flug eines träumenden Karpfens. Und ein Gedanke. Und noch ein Gedanke. Atem, der zum Wort wird von Runde zu Runde. Das Glück der Schritte.
papierlicht
olimambo : 1.28 — Das Wort Papier in meinem Kopf, ein von jeher helles, weißes Wort, weshalb die Erfindung lebender Papiere, ihre Erforschung, ihre Beobachtung in lichte Räume führt. Ich könnte demzufolge sagen, dass mein lotendes Fabulieren wie eine Bogenlampe in mein Leben wirkt. – 1 Uhr 28 mitteleuropäischer Winterzeit : Auf dem Kapitol zu Washington, im Haus der Repräsentanten, erklärt die demokratische Abgeordnete Debbie Wasserman Schultz / Florida während der Debatte zur entscheidenden Abstimmung über Barak Obama’s Gesundheitsreform mit fester Stimme: The nightmare ends tonight!
sanfte bewegung
echo : 2.12 — g e h i r n w e l l e
hydra
sierra : 6.30 — Haben Sie schon einmal mit dem Gedanken gespielt, in einem Kolonialwarenladen für zwei Stangen Zimt den fünffachen des geforderten Preises in aufrichtiger Erwartung zu bezahlen, man möge das zugesetzte Geld an Plantagenarbeiter und ihre Familien nach Sri Lanka transferieren? – Sie schmeichelten dem charmantesten Kopf einer Hydra!
marina abramovic in new york
sierra : 6.32 — Diese seltsame Frau: Marina Abramovic. Ich kauerte Stunden auf dem Sofa und beobachtete das Schweigen der Künstlerin in New York, war unruhig und war ruhig zur gleichen Zeit. Hörte dann Henry, meinen Regenkäfer Henry. Summend erwachte das tabakfarbene Wesen aus tiefem Schlaf. Hatte zwei lange Jahre auf Virginia Woolfs Essay A Room of One’s Own liegend zugebracht, war indessen trocken und leicht wie eine Feder geworden, weshalb nicht weiter erstaunlich gewesen, dass der Käfer wie betrunken von unsichtbaren Luftströmungen getragen durchs Arbeitszimmer wirbelte. Eine gute halbe Stunde und Henry war auf meinem Kopf gelandet. Ich sagte: Schön, dass Du wieder unter den Leibenden weilst, Henry! Atmete sanft, atmete gar nicht. Und der Blick wanderte wieder hin zur Stille in der tosenden Stadt. Da saß nun vor Mrs. Abramovic eine weitere Frau, sie hatte ihre Schuhe ausgezogen [ warum? ] und Schreibwerkzeug und Hefte unter ihrem Stuhl abgelegt. Über ihrer Beobachtung bin ich eingeschlafen, und jetzt hellt bereits die Nacht, und irgendwie ist das ein wunderbarer Tag, der gleich beginnen wird. Henry, er schwebt im Bad im Regen der Maschinen, eine fliegende Frucht. Guten Morgen!
wortklangstempel
echo : 0.06 — Da war ein i am frühen Morgen, vielleicht weil ich nach einer langen Traumnacht noch nicht ganz wach gewesen, in das Wort Lebende hineingeraten, so dass das Wort Leibende entstand. Im Zusammenhang einer blühenden Regenkäfergeschichte eigentlich kein verrücktes oder schlampiges Wort, und doch eine merkwürdige Sache, weil ich den kleinen Text zwei- oder dreimal, ehe ich ihn veröffentlichte, prüfte, ohne das nachdrücklich umgestaltende i entdeckt zu haben. Ich spiele nun mit dem Verdacht, dass ich Texte, die ich notiere und kurz darauf wieder lese, zunächst einem Nahzeitpeicher meines Gehirns entnehme, in welchem Wörter oder ganze Sätze eines Textes als scheinbar korrekte Klangstempel im Moment der Zeile erinnert werden. Und dann geh ich schlafen oder spazieren, beobachte einen Film oder unterhalte mich mit einem Freund oder einer Freundin, Zeit vergeht, in welcher die Stempel meines erfundenen Textes wieder zu Buchstaben, zu isolierten Tönen zerfallen, so dass ich meine Gedanken, meine Wörter und Sätze genau so zu lesen oder zu hören vermag, als wären sie von einem anderen Menschen notiert. Ja, so könnte das sein, so wollen wir das zunächst einmal annehmen. — Noch zu tun in dieser Nacht: Dimensionen der Papiertiere erspüren / µm = 10–6 m = 0,000.001 m.