whiskey : 20.01 – Ich erinnere mich an Ludwig, er war gerade 8 Jahre alt geworden, als er beobachtet wurde, wie er eine Schuhschachtel vor das Fenster seines Zimmer stellte, um 1 Stunde lang das Licht eines frühen Nachmittages einzufangen. Er wendete in dieser Stunde nicht eine Minute seinen Blick von dem Behälter, den er sodann sorgfältig mit ernster Miene verschloss, um ihn noch an dem selben Tag mit seiner Mutter zu einem Postamt zu bringen. Das ist für meinen Freund Janos, erklärte Ludwig dem Beamten, der bei der Verfertigung einer zollamtlichen Erklärung behilflich war, 1 Stunde Sonne für meinen Freund, der in Teriberka weit im Norden in Russland wohnt. Ludwig wartet. Es hoffte dass er seinerseits zur Weihnacht vielleicht etwas Winternachtlicht geschenkt bekommen würde. Ich sollte Ludwig einen Brief schreiben. — stop
Particles: Juni 2019
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romeo : 0.12 UTC — f i n g e r g r a s
im park
nordpol : 0.18 UTC — Es war ein warmer Regentag, den ich unterm Schirm spazierend im Palmengarten verbrachte. Ich ging Stunde um Stunde im Kreis mit einem wunderbaren Gefühl dahin, etwas Neues zu erleben. Der Schirm nämlich war ein besonderer Regenschirm, ich trug ihn zur Probe, es war ein Schirm, der über eine weitere feine Haut verfügte, die das eigentliche schützende Gewebe wie eine zweite Haut bespannte. Diese Haut war nun in der Lage, die Zahl der Tropfen, die auf die Oberfläche des Schirmes trafen, zu zählen, indessen sehr kleine Kameraaugen die Bewegungen meines Körpers beobachteten, der sich exakt wie der Körper eines Spaziergängers verhielt. Sie saßen in der Krone des Regenschirms fest, und ich denke, es entging ihnen nichts, sodass ein quantenmechanischer Algorithmus in Bruchteilen von Sekunden zu entscheiden vermochte, wie viele Regentropfen meinen spazierenden Körper getroffen hätten, wenn ich nicht beschirmt unterwegs gewesen wäre. Gegen acht Uhr abends hörte es auf zu regnen und ich ging nach Hause, um in der digitalen Sphäre nach Algorithmen des Sortierens zu suchen. Folgende Bezeichnungen wurden sofort gefunden: binary tree sort, bogosort, bubblesort, bucketsort, combsort, countingsort, gnomesort, heapsort, hybridsort, insertionsort, introsort, merge insertion, mergesort, quicksort, radixsort, selectionsort, shakersort, shellsort, slowsort, smoothsort, stoogesort, swap-sort, timsort. Nichts weiter. — stop
“Hi!” — “Hi!”
romeo : 0.33 UTC — Ich war Zeuge einer Begegnung zweier Algorithmen bei mir Zuhause auf einem Bildschirm, der sich teilte und zwar in der Mitte. In rasender Geschwindigkeit wurden dort Zahlenketten erzeugt. Nach drei oder vier Minuten stoppte die Zahlenproduktion in der linken Spalte. Nach wenigen weiteren Sekunden erschien die Zeichenfolge: Hi! Kurz darauf stoppte auch in der rechten Spalte die Zahlenproduktion, wiederum für wenige Sekunden Stille oder Leere. Dann erschien auch hier die Zeichenfolge: Hi! Ich war gerührt, man stelle sich das einmal vor, Algorithmen, die sich zur Begrüßung einer Sprache bedienten, die ich zu lesen in der Lage gewesen war. — stop
ahorn no 2
echo : 22.18 UTC — Im geöffneten Fenster, das ich für eine Stunde lesend außer Acht gelassen hatte, bewegte sich vor Tagen ein Spinnfaden in einem Wind, der nicht spürbar gewesen, aber in der Bewegung des Fadens sichtbar geworden war. Irgendjemand, dachte ich, wird vermutlich angekommen sein während ich las, ist entweder schon auf dem Weg abwärts wieder zur Straße zu den Bäumen hin oder aber sitzt im Kakteenwald auf dem Fensterbrett und wartet, dass es dunkel werden wird. Und ich dachte, solange ich mein Fernsehgerät nicht anschalten würde, sei hier oben in den Räumen unter dem Dach alles sehr friedlich an jenem Abend. Tatsächlich hatte ich vergessen, was das Radio vor zwei Stunden noch erzählte. Ich musste mich mühen, um an das Gehörte zu kommen. Ich notierte einen Text. Und ich dachte sehr lange Zeit nach, indessen die Besucherin, die zunächst verschwunden gewesen war, zur Nachtstunde ein Netz über Stachelhornwälder einer Mammillaria fraileana zu weben begann. Gegen Mitternacht erinnerte ich mich, was oder wovon das Radio erzählte. — stop
nra
romeo : 22.25 UTC — Das Radio erzählt, in den Vereinigten Staaten von Amerika sollen Waffenläden existieren, in welchen man schußsichere Umhänge für Hunde erwerben könne, die auch vor Regentropfen schützen. Erstaunliche Sache. — stop
nachtbienen
sierra : 10.02 UTC — Morgens höre ich in meiner Vorstellung wie das Radio angeschaltet wird unten im Wohnzimmer, unten in der Küche. Eine Stimme erzählt von Pablo Neruda. Die Stimme wird immer wieder von Musik unterbrochen, von feiner indianischer Musik. Das sind Geräusche wie früher, sehr viel früher noch, Geräusche einer Verbindung zur Welt, die sich fortsetzt. Weil Sommer ist blühen im Garten Tulpen, rot, gelb, blau, orange. Man müsste einmal Blumen erfinden, die nachts ihre Blüten öffnen und leuchten, Nachtbienen, Nachtlibellen, Nachtwespen, Nachthummeln. — stop
babuschka no 2
charlie : 4.12 — Einmal, im Jahr 2013, hatte ich einen Text geschrieben, den ich nur deshalb notierte, um ihn mittels eines Verschlüsselungsprogramms in einen Zustand der Unlesbarkeit zu versetzen. Genaugenommen hatte ich den Text mit einer besonderen Haut, mit einer Zeithaut umgeben. Um ihn nämlich lesen zu können, müsste man den Text zunächst dekodieren, das heisst, solange mittels einer Computermaschine seine Öffnung probieren, bis der richtige Schlüssel gefunden ist. Gestern, bei großer Hitze, stellte ich mir vor, was geschehen würde, wenn nun nach Tagen, Wochen oder Jahren des Rechnens das suchende Programm melden würde: Ich bin fündig geworden! Wie ein menschlicher Analyst sich in diesem Moment zufrieden seinem Bildschirm nähert, um festzustellen, dass sich hinter den Zeichen eines verschlüsselten Textes weitere verschlüsselte Zeichen befinden. stop — Auf den ersten Blick ist folgendem kodierten Text nicht anzusehen, hinter wie vielen Zeithäuten sein lesbarer Ursprung verborgen liegen könnte: ANFANG === B U C W 0 G c o a G j I B W W f k p h Z L v 0 h 4 Y J j 9 4 4 t m c e K C l x B M b L 4 q T d x Y I w B U v V 3 E b p b X y A z Y B e R 5 C a 9 n b s E B p U I 6 z q 3 Z C 6 a Q A R Q 1 a 8 P I N 1 j T L B b V 9 e O F 0 j 5 G s F f y 5 E M D 3 5 a r / C G 0 j V z 4 v n e u M z p T K W Y t 4 D m s J t e / F E C Y C a j 3 Z L Z / h l x G M W I 4 7 v 8 / B I g H c E / Q 2 F 9 G s W Z i z Q K 0 7 k t O W 7 8 k S k A t q u J Z 5 2 F A u n a J 6 C G B u A 7 R o C u P p D n C m 8 F 7 9 F E e m H / T T 3 K x z S 7 r 3 i 0 y 4 g M Z u m G m x i A q 4 l z d A x i o P m 0 O I b x M i T I x P w X j 5 A I i 1 z c e + T W i i x A + 6 A h k p q h o n a D e M / y s A l y W r i p 4 s Z m m / q X y n 2 o P H R q z g U i + T s H B c z + J v K 3 A a d v j Z F L 9 i R M s C f m W y U d 6S 4 4 O f z l 8 x P z H B W z 1 H 2 6 z Z o z F s C U U D Y v k +Y N F 0 f U t A y k a Y 7 E L j / u N X s s q 1 K 1 V z A C i z K Z Y 7 F N J C q y t x s Q c b W r C 3 k 4 i f V 1 l K u g f b N i P t y O 8 1 7 e l u y x d r o i d 5 d X 3 E D g O V s X i T e e 5 Q q i 0 U 6 E o 3 G 5 y r 2 9 a f a w X M a U U r Q V d b i U A V 8 F e y 4 m k e W b 9 e u b 1 i S W F g m K y 4 P 1 0 m 0 e 3 x 5 V q b N W c v i 3 6 j L h / u O I j K 8 L s t Y B s 9 F 4 l l c Q A h B J s Q h U 6 i b R U 5 B 4 f g 3 f j r 2 C I i k c M q R U C 4 4 F E u o Y i R w A r D x H W u 2 2 P w 9 d 8 f A 1 f A r 3 5 D l V 3 B G p / J m h b h 8 w F n 7 p v x g x z 9 i b / S h F t K M v 6 l 6 W L A 5 r 7 U F R S O k l C f 0 L H B a J h n V y w Q 0 e Y k 9 w 9 y / Z M 4 Y m F W O T m x 4 s s A W 5 w X 2 N z L g 3 + 9 + d x L 7 T 8 U + A Y C U L b T M J y l M + H Q y S F 7 S T D I / 8 O 6 4 K F 0 4 d 7 g v I === ENDE / codewort : babuschka — stop. Sechs Jahre sind seither vergangen. Heute nun erhielt ich Meldung eines Algorithmus, der den Namen “Leporello N=8” trägt, ein Algorithmus evolutionärer Klasse. Er hatte meinen Text untersucht. Es ist berührend zu sehen, wie Leporello N=8 aus vorliegenden Zeichenketten einer Verschlüsselung, versuchte Wörter zu bilden. Eine gewisse Verzweiflung ist zu bemerken oder unbedingter Wille zu einem Ergebnis zu kommen. Lesen Sie selbst: ANFANG === BUCW 0 GcoaGjIBWWfkphZLv 0 h 4 YJj 9 4 4 tmceKClxBMbL 4 qTdxYIwBUvV 3 EbpbXyAzYBeR 5 Ca 9 nbsEBpUI 6 zq 3 ZC 6 aQARQ 1 a 8 PIN 1 jTLBbV 9 eOF 0 j 5 GsFfy 5 EMD 3 5 ar / CG 0 jVz 4 vneuMzpTKWYt 4 DmsJte / FECYCaj 3 ZLZ / hlxGMWI 4 7 v 8 / BIgHcE / Q 2 F 9 GsWZizQK 0 7 ktOW 7 8 kSkAtquJZ 5 2 FAunaJ 6 CGBuA 7 RoCuPpDnCm 8 F 7 9 FEemH / TT 3 KxzS 7 r 3 i 0 y 4 gMZumGmxiAq 4 lzdAxioPm 0 OIbxMiTIxPwXj 5 AIi 1 zce + TWiixA + 6 AhkpqhonaDeM / ysAlyWrip 4 sZmm / qXyn 2 oPHRqzgUi + TsHBcz + JvK 3 AadvjZFL 9 iRMsCfmWyUd 6S 4 4 Ofzl 8 xPzHBWz 1 H 2 6 zZozFsCUUDYvk +YNF 0 fUtAykaY 7 ELj / uNXssq 1 K 1 VzACizKZY 7 FNJCqytxsQcbWrC 3 k 4 ifV 1 lKugfbNiPtyO 8 1 7 eluyxdroid 5 dX 3 EDgOVsXiTee 5 Qqi 0 U 6 Eo 3 G 5 yr 2 9 afawXMaUUrQVdbiUAV 8 Fey 4 mkeWb 9 eub 1 iSWFgmKy 4 P 1 0 m 0 e 3 x 5 VqbNWcvi 3 6 jLh / uOIjK 8 LstYBs 9 F 4 llcQAhBJsQhU 6 ibRU 5 B 4 fg 3 fjr 2 CIikcMqRUC 4 4 FEuoYiRwArDxHWu 2 2 Pw 9 d 8 fA 1 fAr 3 5 DlV 3 BGp / Jmhbh 8 wFn 7 pvxgxz 9 ib / ShFtKMv 6 l 6 WLA 5 r 7 UFRSOklCf 0 LHBaJhnVywQ 0 eYk 9 w 9 y / ZM 4 YmFWOTmx 4 ssAW 5 wX 2 NzLg 3 + 9 + dxL 7 T 8 U + AYCULbTMJylM + HQySF 7 STDI / 8 O 6 4 KF 0 4 d 7 gvI === ENDE / codewort : babuschka — stop
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olimambo : 0.14 UTC — n a s e n k n o s p e
papiere körper
echo : 0.14 UTC — Unlängst entdeckte ich in der digitalen Sphäre ein Buch des amerikanischen Autors David Foster Wallace. Ich dachte, dieses Buch ist sehr umfangreich, schwer vermutlich und verletzlich. Ich dachte außerdem, dass Sommer geworden ist, dass ich das Buch möglicherweise gerne in einem Park lesen würde, auf einer Bank sitzend oder im Gras liegend. Plötzlich kaufte ich eine elektronische Ausgabe des Romans Unendlicher Spaß, dessen Instanz wenige Sekunden später vollständig auf meiner kleinen, flachen Schreibmaschine angekommen war. Sehr erstaunlich, wie schnell das geht, geräuschlos, so die Anlieferung der vollständig Werkausgaben Anton Tschechows, Franz Kafkas, Flauberts wenige Wochen zuvor. Nun ist das so, dass ich spürte, dass irgendetwas fehlt, obwohl ich einen komplexen Text übermittelt bekommen, also zugenommen habe, meine Bibliothek, die Auswahl meiner Bücher, Wörter, Gedanken, die ich in meinem Zimmer auf und ab gehend sofort in die Hand nehmen und mir vor Augen halten könnte. Ich glaube, ich werde mir ein Stück Holz suchen, oder einen kleinen Karton, den ich beschriften könnte, um ihn stellvertretend in mein Regal zu stellen zu weiteren Büchern, die noch tatsächlich papierene Persönlichkeiten sind. — stop
kandinskyraupe
nordpol : 18.54 — Es existiert ein besonderer Grund, weswegen ich meinen Text von der Kandinskyraupe, den ich vor acht Jahren notierte, an dieser Stelle und an diesem Tag wiederhole. Ich habe, als ich ihn vor wenigen Minuten bemerkte, entdeckt, dass ich mich nicht erinnern konnte, ihn persönlich geschrieben zu haben. Der Text war mir fremd gewesen. Eine seltsame Erfahrung. Nun habe ich mir vorgenommen, in acht Jahren an diese Stelle zurückkehren und zu prüfen, wie es sich mit meinem Erinnerungsvermögen verhalten wird im Jahr 2027. Hier ist Dein Text, lieber Louis: Nach heftigem Gewitterregen habe ich einen Kandinsky entdeckt im Park, eine nasse Raupe von so wunderbarer Zeichnung, dass ich sie in eine Streichholzschachtel setzte und mit nach Hause genommen habe. Sie lungert jetzt auf meinem Schreibtisch herum. Der Eindruck, dass sie nicht sehr begeistert ist, sobald ich mich mit einem Finger oder meinen Augen nähere, vielleicht wegen meines Anblicks oder weil es eigentlich dunkel sein müsste um diese Zeit, da doch Nacht geworden ist. Drohende Haltung, das heißt, gesenkter Kopf, Fühler derart zu mir hin ausgerichtet, als wären sie Hörner eines Stieres. Ihrem Rücken entkommen vier Quasten von gelber Farbe senkrecht einer ledernen Haut, die dunkel ist und zart liniert, wie die Handflächen eines Berggorillas. Zarteste Federn, sie blühen feuerfarben an den Flanken des Tieres, aber grüne, sehr kurze Beine, acht links, acht rechts. Manchmal fällt die Kandinskyraupe um. Sie liegt dann recht flach auf der Seite zur Schneckenzeichnung geworden. Ob ich sie mit etwas Banane an mich gewöhnen könnte? Oder mit Cole Porter vielleicht? Zwei Stunden Cole Porter, das sollte genügen. – stop
mumbai
salāma
alpha : 22.28 UTC — Das Radio erzählt, der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ( No 45 ) habe 10 Minuten vor dem Start eines Angriffs auf militärische Objekte des Iran, denselben gestoppt. Dieser Vergeltungsschlag, eine us-amerikanische Drohne war abgeschossen worden, würde in etwa 150 Menschenleben gefordert haben. Als unverhältnismässig soll der Präsident der Vereinigten Staaten ( No 45 ) jenen von ihm selbst gestoppten Angriff klassifiziert haben. Weshalb ich diese Radiomeldung notiere? — stop
peziza
romeo : 15.08 UTC – Einen Algorithmus, der in der digitalen Sphäre weitere Algorithmen erforscht und beschreibt, könnte ich vielleicht als einen Algorithmus der Humboldtklasse bezeichnen. — stop
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bamako : 0.18 UTC — r i p p e n k ö p f c h e n
sammlung
echo : 0.22 UTC — Entdeckte an diesem Tag eine Sammlung der Romane, Erzählungen und Journale Paul Nizons in einem Band. Das elektrische Warenhaus, welches dieses Buch verbreitet, — nur noch sieben Exemplare sollen vorrätig sein -, wirbt für den Kauf mit einer Preisersparnis von 82 Prozent, ein schweres Produkt, in dem sich Buchwesen auflösen und die Zeit, in der sie zur Welt gekommen sind. — Einmal, vor zehn Jahren, war ich Paul Nizon wieder begegnet. Ich beobachtete, wie er in Paris eine seiner Arbeitswohnungen spazierte. Natürlich waren zwischen ihm und mir eine Kameralinse, ein Bildschirm und dort etwas vergangene Zeit aufgespannt. Trotzdem konnte ich ihn gut erkennen. Er trugt einen kleinen runden Bauch vor sich her und sein Haar war grau geworden, und doch war er ganz der alte, verehrte Schriftsteller geblieben. Vor allem seine schöne Stimme, das sorgfältige Sprechen, die warme Melodie der Sprache, das Schweizerische, hier waren sie wieder, und auch das Tonbandgerät, das auf einem Tisch ruhend die Luftwellen der notierten Sätze eines Tages erwartete. Kurz darauf erinnerte ich, dass ich Paul Nizon einmal persönlich begegnete in der Straße, in der ich noch immer wohne, und daran, dass ich damals dachte: Er ist kleiner, als ich erwartet habe. Er trug einen grauen Mantel, weiß der Teufel, weshalb ich die Farbe seines Mantels gespeichert habe, und einen Hut, nehme ich an. Da war noch etwas Weiteres gewesen, mein Herz nämlich schlug in einer Weise, dass ich’s in meinem Kopf hören konnte. — Ein Frühlingsabend. Und ich sagte zu mir: Louis, reg dich nicht auf! Du bist an einem flanierenden Geist vorüber gekommen. — stop
abend mit fliege no 1
alpha : 22.45 UTC — Seltsam ist das mit den Fliegen geworden, den Faltern, den Käfern. Früher noch an warmen Sommerabenden, sobald ich meine Fenster öffnete, waren unverzüglich, als hätten sie gewartet, dutzende Tiere in meine Wohnung geflogen, saßen auf und in Lampenschirmen, spazierten über Bildschirme der Schreibmaschinen und des Fernsehgerätes, hockten an den Wänden, besuchten meine unbekleideten Beine und Arme, Stirn auch und meine Hände, während sie mit den Tasten arbeiteten. Auch an diesem Abend könnten sie mich besuchen, es scheint jedoch, als wäre niemand da draußen oder nur sehr wenige Käfer, die Marienkäfer sind. Wenn ich an diesem Abend von einem Zimmer ins andere gehen würde, indessen eine Fliege mich in Kopfhöhe begleitete, wäre sie in genau dem Augenblick, da ich ihre Existenz mit meinen Wörtern verzeichne, eine erfundene Fliege. — stop
abend mit fliege no 2
bamako : 22.58 UTC — Denkbar ist, dass ich mir in wenigen Minuten die Gegenwart einer Fliege so sehr wünschen werde, dass mich kurz darauf tatsächlich eine Fliege in der Vorstellung begleiten wird, als wäre sie eine Freundin der Luft, die mir nicht von der Seite weichen möchte. Für Sekunden wird sie wirklich geworden sein. Ich höre sie bereits jetzt, vielleicht weil ich mich, während ich über meinen Fliegenwunsch nachdenke, an Fliegen erinnere, wie sie mir um den Kopf herum brummen oder pfeifen. Kurz darauf, werde ich mich, wie gestern Abend noch geschehen, vor meine Schreibmaschine setzen und eine Geschichte von einer brummenden Fliege schreiben, wie sie mich von einem Zimmer in das Zimmer gehend in Kopfes Höhe fliegend begleitet. In dieser Sekunde, da ich von ihr erzähle mit den Tasten, wird deutlich, dass sie nicht existiert, und doch kann ich sie hören mit dem Kopf, ein Oszillieren zwischen Vorstellung und Wirklichkeit. Jetzt hab ich einen Knoten im Kopf, den 14. Buchstabenknoten seit ich an dieser Stelle notiere. — stop
vom alltäglichen
echo : 0.20 UTC — Das Radio erzählt von Menschen, deren Aufgabe sei, Tag ein und Tag aus in kürzeren Abständen die Leertasten je einer Rechenmaschine zu drücken, damit diese nicht einschlafen könne. Weitere Aufgaben hätten sie nicht, sagt das Radio. — stop
api
india : 0.20 UTC — Wir kommen Datenspeichern näher, in welchen alle je von Menschenhand geschriebenen und überlieferten Zeichensätze versammelt sein werden. Meine Schreibmaschine könnte tatsächlich einmal mit diesen frei schwebenden Gedächtnissen verbunden sein, und während ich notiere, würde unverzüglich angezeigt, ob der gerade eingegebene Satz bereits einmal aufgeschrieben wurde oder nicht. — Ein warmer Abend. Auf dem Dach des Hauses jenseits der Straße sitzt seit zwei Tagen eine Taube, Dolores, allein. Vielleicht die Hitze. — stop
zählung
echo : 0.01 UTC — Es heisst, ich würde das Wort Schnee 163 Male, das Wort Zimmer 327 Male und das Wort Nacht 492 Male notiert haben an dieser Stelle in den vergangenen 10 Jahren, auch die Wörter Kopf (484) und Geschichte (486) sind zu finden, das Wort Elektromond (1) und das Wort Diodenhund (1), und eines, das hier noch nicht eingetragen ist, mir aber schon bekannt. — stop
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foxtrott : 12.05 UTC — a u g e n b l ü t e
abschnitt neufundland
Abschnitt Neufundland meldet folgende gegen Küste geworfene Artefakte : Wrackteile [ Seefahrt – 734, Luftfahrt — 38, Automobile — 68 ], Grußbotschaften in Glasbehältern [ 18. Jahrhundert — 2, 19. Jahrhundert – 28, 20. Jahrhundert – 1324, 21. Jahrhundert — 7832 ], Trolleykoffer [ blau : 5, rot : 18, gelb : 22, schwarz : 122 ], Seenotrettungswesten [ 7805 ], physical memories [ bespielt — 1, gelöscht : 77 ], Ameisen [ Arbeiter ] auf Treibholz [ 3587 ], 1 hölzernes Fernglas ohne Gläser, Brummkreisel : 2, Öle [ 0.77 Tonnen ], Prothesen [ Herz — Rhythmusbeschleuniger – 6, Kniegelenke – 32, Hüftkugeln – 56, Brillen – 65 ], Halbschuhe [ Größen 28 – 39 : 33, Größen 38 — 45 : 21 ], Plastiksandalen [ 5325 ], Reisedokumente [ 388 ], Kühlschränke [ 1 ], Telefone [ 765 ], Gasmasken [ 5 ], Tiefseetauchanzüge [ ohne Taucher – 3, mit Taucher – 8 ], Engelszungen [ 155 ] | stop |
4 Uhr 55
romeo : 4.55 — Ich würd gern Kaktusblüten sammeln, warum? — stop
chronik der gefühle
echo : 4.55 UTC — Spinnen hier oben in meiner Wohnung unter dem Dach sind scheu geworden. Fast möchte ich manchmal meinen, dass sie gar nicht länger existieren in meinen Zimmern, wenn ich nicht da und dort Spuren beobachten könnte, die auf ihre Existenz verweisen, Netzwerke oder ein Häufchen sehr kleiner Fliegen, welches noch vor wenigen Tagen auf dem Fensterbrett ganz sicher nicht gewesen ist. An einem Abend, ich hatte die Fenster geöffnet, spazierte plötzlich ein recht umfangreiches Spinnenexemplar über die Wand meines Arbeitszimmers, groß wie die Schale eines Teelöffels. Die Spinne bewegte sich lautlos über mehrere Wände hin, bis sie, ohne eine längere Pause eingelegt zu haben, in der Küche durch ein geöffnetes Fenster meine Wohnung wieder verließ. Kaum eine halbe Stunde war die Spinne in meiner Wohnung gewesen. Und ich dachte, vielleicht hat sie eine Spur Duftspur oder Faden verlegt, es werden weitere Spinnen kommen, hoffentlich eher kleinere Spinnen, die ich gern zu Gast haben würde, während ich die großen Spinnen doch sehr gründlich fürchte. Ich warte nun seit einigen Tagen bereits. In dieser Zeit des Wartens habe ich unheimliche und präzise erzählte Geschichten Alexander Kluges gelesen und auch gehört, sie sind wundervoll anzuhören. — stop