~ : louis
to : daisy und violet hilton
subject : LUFTZUNGEN
Liebe Daisy, liebe Violet! Was für ein stürmischer Morgen hier bei uns in Mitteleuropa. Wetter, wie ich es mir wünsche in diesen Tagen. Eiskörner pfeifen durch die Luft, Wolkendämmerung. Ich vermute, Ihr werdet bemerkt haben, mein Vater ist gestorben. Drei Stunden war ich noch an seinem Bett gewesen, habe von Bildern eines nahen Sees berichtet, den ich vom Zimmer des Hospitals aus sehen konnte. Ein Schaufelraddampfer fuhr hin und her, der Wind schrieb mit Luftzungen schimmernde Spuren ins Wasser, Möwen segelten über den Uferbäumen. Wie mein Vater gestorben ist, war es noch hell, die Sonne nicht untergegangen, weiß der Himmel, ob er sie zu erkennen vermochte, sein Blick war ein Blick, wie ich meinte, der schon nach innen sich richtete. Wenn ich Euch sage, es ist nicht wirklich begreifbar, nicht wirklich fühlbar, dass ein geliebter Mensch nie wieder neben uns am Tisch sitzen wird, werdet Ihr vielleicht verstehen, wovon ich spreche. Dieses Niewieder macht einen Eindruck von Unwirklichkeit, von Unwirksamkeit, als würde man versuchen, eine Trompete vom Schallbecher her zu bespielen. Und doch, nach und nach werde ich ruhiger, ich schlafe tief, träume seltsame Geschichten. Ja, so ist das, liebe Daisy, liebe Violet. Was machen die Simmons? Ist alles o. k.? Ahoi – Euer Louis — stop
gesendet am
22.04.2012
7.05 MEZ
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