Aus der Wörtersammlung: zungen

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notizen aus sarajevo : koffertext

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ulys­ses : 18.55 UTC — Das Bänd­chen Noti­zen aus Sara­je­vo von Juan Goy­tiso­lo, das im Jahr 1993 in der Edi­ti­on Suhr­kamp erschien, muss ein­mal feucht oder nass gewor­den sein. Es wellt sich noch immer, obwohl es Jah­re gepresst unter wei­te­ren Büchern im Regal dar­auf war­te­te, wie­der gele­sen zu wer­den. Ich erin­ne­re nicht, wo ich das Buch gele­sen hat­te, viel­leicht in einem Park, ver­mut­lich war Regen gefal­len. Seit Tagen liegt es auf mei­nem Küchen­tisch, ich habe es bis­her nur ein­mal kurz geöff­net, bemerk­te fol­gen­den mit Blei­stift mar­kier­ten Absatz: “Gleich nach sei­ner Ankunft in Sara­je­vo muss der Frem­de in die Geset­ze und Regeln eines Ver­hal­tens­ko­dex ein­ge­weiht wer­den, der Grund­vor­aus­set­zung für sein Über­le­ben ist. Er, der an ein frei­es Leben ohne Hemm­nis­se gewöhnt ist, muss in sei­nem neu­en Lebens­raum, der Mau­se­fal­le, die er mit 380000 ande­ren Men­schen teilt, schnell ler­nen. Er muss die hoch­ge­fähr­li­chen Gebie­te und die­je­ni­gen ken­nen, in denen er sich ohne all­zu gro­ße Gefahr bewe­gen kann, er muss wis­sen in wel­chen Stadt­tei­len Mör­ser­gra­na­ten nie­der­ge­hen, wel­ches die belieb­tes­ten Stra­ßen­ecken und Kreu­zun­gen der Hecken­schüt­zen sind, wo er gebückt gehen und wo er schnell los­ren­nen muss. Jede Unacht­sam­keit oder ein Feh­ler bei der Aus­wahl des Weges kön­nen töd­lich für ihn sein. Jedes Hin­aus­ge­hen — und jeder muss ein­mal raus­ge­hen, um Was­ser, Holz oder Nah­rungs­mit­tel zu holen — ist, wie die Men­schen in Sara­je­vo sagen, rus­si­sches Rou­lette.“ — stop / S.32/33

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prypjat

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nord­pol : 6.57 UTC — Film­auf­nah­me der Stadt Pryp­jat an einem son­ni­gen April­tag des Jah­res 1986. Duns­ti­ge Haut liegt über far­bi­gen Bil­dern des Films, spie­len­de Kin­der vor Häu­ser­blocks, ein Karus­sell, ein Rie­sen­rad, fla­nie­ren­de Bür­ge­rin­nen und Bür­ger, All­tag, Frie­den. Man­che der Men­schen tra­gen Taschen, ande­re hal­ten ihre Söh­ne und Töch­ter an der Hand, ein Drei­rad, Bäu­me von hel­lem Grün, und der Him­mel, wol­ken­los. Aber da ist noch etwas ande­res, etwas Unheim­li­ches, da sind Punk­te, Krei­se, hel­le Erschei­nun­gen zu erken­nen, in Bruch­tei­len rasen­der Zeit tau­chen sie auf und sind sofort wie­der ver­schwun­den. So rasch und so uner­war­tet tre­ten sie aus der Bewe­gung des Fil­mes her­vor, dass ein mensch­li­cher Betrach­ter nicht sicher sein kann, ob die Erschei­nung, die er gera­de noch wahr­zu­neh­men glaub­te, tat­säch­lich zu sehen oder nicht ein Irr­tum sei­nes Gehirns gewe­sen war, hel­le Schir­me, pel­zig, weich. Die­ses blit­zen­de Licht zeigt Ver­let­zun­gen des bild­tra­gen­den Mate­ri­als an, Ver­hee­run­gen, die durch strah­len­de Teil­chen des bren­nen­den Gra­phit­re­ak­tors zu Tscher­no­byl ver­ur­sacht wur­den, Teil­chen­spur­licht, des­halb so unheim­lich, so tra­gisch, weil die­ses Licht in den Augen des Film­be­trach­ters von einer spä­te­ren Wirk­lich­keit aus wahr­ge­nom­men wer­den kann, nicht aber von jenen Men­schen, die sich in der Wirk­lich­keit der Auf­nah­me vor der Kame­ra beweg­ten durch einen lebens­ge­fähr­li­chen Tag, den sie viel­leicht für einen glück­li­chen Tag ihres Lebens gehal­ten haben, weil nie­mand sie vor der unsicht­ba­ren Bedro­hung, die sich in der Atmo­sphä­re befand, warn­te. — stop /Kof­fer­text

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ai : ÄGYPTEN

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MENSCH IN GEFAHR : “Die Men­schen­rechts­an­wäl­tin Hoda Abdel­mo­niem wird seit mehr als drei Jah­ren auf­grund ihrer Men­schen­rechts­ar­beit will­kür­lich fest­ge­hal­ten. Nach­dem sie 35 Mona­te in Unter­su­chungs­haft ver­bracht hat­te, wur­de sie von der Obers­ten Staats­an­walt­schaft vor das Not­stands­ge­richt (ESSC) zitiert. Ihr wird vor­ge­wor­fen, einer “ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung” bei­getre­ten zu sein, sie finan­ziert und unter­stützt zu haben. Außer­dem legt man ihr zur Last, über eine Face­book-Sei­te mit dem Namen “Egyp­ti­an Coor­di­na­ti­on for Rights and Free­doms” Fal­sch­nach­rich­ten über Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen durch Sicher­heits­kräf­te ver­brei­tet zu haben, um Gewalt gegen staat­li­che Ein­rich­tun­gen zu schü­ren. Die­se Vor­wür­fe bezie­hen sich auf ihre Arbeit für die Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on Egyp­ti­an Coor­di­na­ti­on for Rights and Free­doms (ECRF). / Die ESSCs, die als Son­der­ge­rich­te im Fal­le eines Aus­nah­me­zu­stands tätig wer­den, sind für ihre unfai­ren Ver­fah­ren bekannt und ihre Urtei­le sind nicht anfecht­bar. Hoda Abdel­mo­niems Recht auf eine ange­mes­se­ne Ver­tei­di­gung wird ver­letzt, da sie sich mit ihrem Rechts­bei­stand aus­schließ­lich vor Gericht tref­fen darf. Die Fort­füh­rung des Pro­zes­ses, der am 11. Sep­tem­ber 2021 begann, wur­de auf den 15. Dezem­ber 2021 ver­tagt. / Bei einer Gerichts­an­hö­rung am 11. Okto­ber 2021 sag­te Hoda Abdel­mo­niem den Richter:innen, dass ihr im Gefäng­nis eine Herz­ka­the­ter­un­ter­su­chung ver­schrie­ben wur­de und dass eine:r der Mediziner:innen ihre Frei­las­sung aus medi­zi­ni­schen Grün­den bean­tragt habe. Laut des : der Gefängnis-mediziner:in sei­en jedoch der­zeit Ver­le­gun­gen in Kran­ken­häu­ser außer­halb des Gefäng­nis­ses auf­grund der Coro­na-Pan­de­mie aus­ge­setzt. Amnes­ty Inter­na­tio­nal hat jedoch Kennt­nis von der Ver­le­gung ande­rer Gefan­ge­ner in exter­ne Kran­ken­häu­ser seit dem Aus­bruch des Coro­na­vi­rus, ein­schließ­lich der kurz­zei­ti­gen Ver­le­gung von Hoda Abdel­mo­niem am 30. Novem­ber 2020 zur Behand­lung eines ver­mu­te­ten Nie­ren­ver­sa­gens. Zusätz­lich zu ihrer Herz­er­kran­kung lei­det Hoda Abdel­mo­niem an einer Nie­ren­er­kran­kung, einer arte­ri­el­len Throm­bo­se und hohem Blut­druck. Seit ihrer Inhaf­tie­rung am 1. Novem­ber 2018 ver­wei­gert ihr die Ver­wal­tung des Frau­en­ge­fäng­nis­ses Al-Qana­ter jeg­li­chen Besuch und Kon­takt mit ihrer Fami­lie. Ihre Ange­hö­ri­gen haben außer­dem nach wie vor kei­nen Zugang zu ihrer Kran­ken­ak­te, was die Sor­ge der Fami­lie um ihren Gesund­heits­zu­stand noch ver­stärkt. Die Richter:innen, die ihren Pro­zess lei­ten, haben Anträ­ge auf Zugang zu ange­mes­se­ner medi­zi­ni­scher Ver­sor­gung und Fami­li­en­be­su­che bis­lang abge­lehnt.” — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und nicht über den 4. Febru­ar 2022 hin­aus, unter »> ai : urgent action

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schwarmerzählung

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nord­pol : 15.08 UTC — In den Mona­ten Dezem­ber und Janu­ar lern­te mei­ne Schreib­ma­schi­ne fol­gen­de Wör­ter, die in ihren Prüf­ver­zeich­nis­sen bis­lang nicht zu fin­den gewe­sen waren: Aku­tag­awa . Ammer­see­stra­ße . Aqua­ria­ner­ge­schich­te . Bir­ders . Blü­ten­be­stäu­ber . Droh­nen­leuch­ten . Droh­nen­wa­be . Erzähl­räu­me . Favicon.ico . Heron . Kar­pen­zun­gen­pas­te­te . Holz­steg­fe­der . Kolo­ni­al­wa­ren­la­den . Lich­ten­berg­fal­ter . Licht­fang­ma­schi­ne . Loch­plat­ten­spiel­do­se . Maki­ta­ge . Mund­na­se­mas­ke. Mund­schutz­al­go­rith­mus . Nas­horn­kä­fer . Pis­ta­zi­en­hühn­chen . Rücken­pro­pel­ler­droh­ne . Piga­fetta . Pro­pel­ler­kä­fer . Perl­schiff . Picon . Schnee­ku­gel­ge­stal­ten . som­no­lent . Schwarmer­zäh­lung. — stop
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ai : BELARUS

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MENSCH IN GEFAHR : “Viach­as­lau Rahash­chuks Gesund­heits­zu­stand ist so schlecht, dass er umge­hend in ein Kran­ken­haus ein­ge­wie­sen wer­den müss­te. Doch statt­des­sen befin­det er sich in der Unter­su­chungs­haft­an­stalt Nr. 6. Sei­ne Ver­let­zun­gen sind auf Fol­ter und ande­re Miss­hand­lun­gen zurück­zu­füh­ren, denen er in der Haft aus­ge­setzt war. / Der Taxi­fah­rer wur­de am Abend des 10. August in Pinsk von min­des­tens fünf Polizeibeamt_innen gewalt­sam und will­kür­lich fest­ge­nom­men, als er mit sei­ner Schwes­ter und ihrem zwölf­jäh­ri­gen Sohn spa­zie­ren ging. Am Vor­tag waren die Wahl­er­geb­nis­se der Prä­si­dent­schafts­wahl offi­zi­ell bekannt­ge­ge­ben wor­den und nach mas­si­ven Betrugs­vor­wür­fen hiel­ten die Pro­tes­te in der Stadt noch an. Viach­as­lau Rahash­chuk hat kei­ne Straf­tat began­gen und sei­ne Fest­nah­me und nach­fol­gen­de Inhaf­tie­rung sind will­kür­lich. In der Zwi­schen­zeit wur­de er nach Para­graf 293 Teil 1 des bela­rus­si­schen Straf­ge­setz­bu­ches ange­klagt, der im Zusam­men­hang mit dem Vor­wurf von “Mas­sen­un­ru­hen” steht. Bei einer Ver­ur­tei­lung dro­hen ihm bis zu 15 Jah­re Haft. / Am 11. August nahm einer der dama­li­gen Mit­häft­lin­ge von Viach­as­lau Rahash­chuk Kon­takt zu des­sen Mut­ter auf und teil­te ihr mit, dass ihr Sohn von Gefäng­nis­wär­tern schwer miss­han­delt wor­den sei. Er habe ein Häma­tom hin­ter dem Ohr, drei Schnitt­wun­den am Kopf und Prel­lun­gen an der gesam­ten Wir­bel­säu­le. Außer­dem sei­en die Gefäng­nis­kor­ri­do­re vol­ler Blut­la­chen von all den­je­ni­gen, die geschla­gen wur­den. / Seit­dem hat Viach­as­lau Rahash­chuk ein per­ma­nen­tes Klin­geln in sei­nem Kopf. Sei­ne Ange­hö­ri­gen baten einen Gefäng­nis­me­di­zi­ner dar­um, ihm eine Über­wei­sung zur Com­pu­ter-Tomo­gra­fie aus­zu­stel­len. Die­ser mein­te jedoch nur, dass es Viach­as­lau Rahash­chuk gut gehe und dass die Fami­lie wei­ter­hin Medi­ka­men­te zur Lin­de­rung der Sym­pto­me schi­cken sol­le. Glaub­wür­di­gen und aktu­el­len Berich­ten zufol­ge hat Viach­as­lau Rahash­chuk wie­der­holt für bis zu 20 Minu­ten das Bewusst­sein ver­lo­ren. Außer­dem hat er auf der lin­ken Sei­te des Brust­korbs einen Tumor ent­wi­ckelt. Die wie­der­hol­ten Bit­ten sei­ner Fami­lie, ihn einer unab­hän­gi­gen ärzt­li­chen Unter­su­chung zu unter­zie­hen, wur­den alle­samt abge­lehnt. Viach­as­lau Rahash­chuk wird die drin­gend benö­tig­te medi­zi­ni­sche Behand­lung ver­wei­gert.”- Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen bis spä­tes­tens zum 8.2.2021 unter > ai : urgent action

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abschnitt neufundland

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Abschnitt Neu­fund­land mel­det fol­gen­de gegen Küs­te gewor­fe­ne Arte­fak­te : Wrack­tei­le [ See­fahrt – 28, Luft­fahrt — 1, Auto­mo­bi­le — 38 ], Gruß­bot­schaf­ten in Glas­be­häl­tern [ 18. Jahr­hun­dert — 22, 19. Jahr­hun­dert – 17, 20. Jahr­hun­dert – 521, 21. Jahr­hun­dert — 12211 ], Trol­ley­kof­fer [ blau : 8, rot : 32, gelb : 55, schwarz : 1002 ], See­not­ret­tungs­wes­ten [ 22309 ], phy­si­cal memo­ries [ bespielt — 211, gelöscht : 877 ], Amei­sen [ Arbei­ter ] auf Treib­holz [ 3558 ], 7 höl­zer­ne Damen­hand­ta­schen [ Bau­jahr 1968 ], Brumm­krei­sel : 58, Öle [ 1.56 Ton­nen ], Pro­the­sen [ Herz — Rhyth­mus­be­schleu­ni­ger – 18, Knie­ge­len­ke – 17, Hüft­ku­geln – 453, Bril­len – 1588 ], Halb­schu­he [ Grö­ßen 28 – 39 : 112, Grö­ßen 38 — 45 : 12 ], Plas­tik­san­da­len [ 345 ], Rei­se­do­ku­men­te [ 128 ], Kühl­schrän­ke [ 7 ], Tele­fo­ne [ 134 ], Ste­tho­sko­pe [ 116 ], Pup­pen­köp­fe [ 28 ] Mas­ken [ 358 ], Tief­see­tauch­an­zü­ge [ ohne Tau­cher – 2, mit Tau­cher – 18 ], Engels­zun­gen [ 33568 ] | stop |

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ai : BELARUS

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MENSCH IN GEFAHR : “Mar­fa Rab­ko­va ist eine Men­schen­rechts­ver­tei­di­ge­rin und arbei­tet als Koor­di­na­to­rin des Frei­wil­li­gen­diens­tes des Men­schen­rechts­zen­trums Vias­na. / Sie wur­de am 17. Sep­tem­ber fest­ge­nom­men und am 25. Sep­tem­ber unter Para­graf 293(3) des Straf­ge­setz­buchs (“Trai­ning oder ande­re Vor­be­rei­tung von Men­schen zur Teil­nah­me an Auf­stän­den, oder Finan­zie­rung sol­cher Akti­vi­tä­ten”) ange­klagt. Bei einer Ver­ur­tei­lung dro­hen ihr bis zu drei Jah­re im Gefäng­nis. Sie befin­det sich zur­zeit in der Unter­su­chungs­haft­ein­rich­tung Nr. 1 in Minsk./ Mar­fa Rab­ko­va ist eine gewalt­lo­se poli­ti­sche Gefan­ge­ne, die allein wegen ihres recht­mä­ßi­gen Ein­sat­zes als Men­schen­rechts­ver­tei­di­ge­rin schi­ka­niert wird. Sie beob­ach­tet Demons­tra­tio­nen und doku­men­tiert Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen wie Fol­ter oder ande­re Miss­hand­lun­gen an fried­li­chen Pro­tes­tie­ren­den durch Beamt_innen der Sicher­heits­be­hör­den. Mar­fa Rab­ko­va hat kei­ne Straf­tat began­gen. Ihre Straf­ver­fol­gung ist eine erheb­li­che Ver­let­zung der inter­na­tio­na­len men­schen­recht­li­chen Ver­pflich­tun­gen des Landes./ Die bela­rus­si­schen Behör­den müs­sen auf­hö­ren, Mit­glie­der des Men­schen­rechts­zen­trums Vias­na und ande­re zivil­ge­sell­schaft­li­che Aktivist_innen straf­recht­lich zu ver­fol­gen. Sie müs­sen die Rech­te auf Vereinigungs‑, Ver­samm­lungs- und Mei­nungs­frei­heit der bela­rus­si­schen Bevöl­ke­rung respek­tie­ren.” - Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen bis spä­tes­tens zum 1.12.2020 unter > ai : urgent action

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im regenzimmer

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marim­ba : 0.28 UTC — Seit 1911 Tagen bereits ver­su­che ich von einem Zim­mer zu träu­men, in dem es immer­fort reg­net. Ich mache das so, dass ich in den Minu­ten, da ich einzu­schlafen wün­sche, über­lege, wie es wäre, wenn in dem Zim­mer, in dem ich mich gera­de befin­de, Regen fal­len wür­de. Die­se Metho­de des Regen­den­kens ist lei­der bis­lang nicht sehr erfolg­reich gewe­sen. Immer wie­der schla­fe ich ein, ohne je vom Regen­zim­mer zu träu­men. Ein­mal, als ich erwach­te, hör­te ich wirk­li­chen Regen draus­sen in den nächt­li­chen Bäu­men. Ich ging dann spa­zie­ren und dach­te dar­über nach, wie sich unse­re Menschen­welt verän­dern wür­de, wenn wir von einem Tag zum ande­ren Tag über arm­lan­ge Zun­gen der Geckos ver­füg­ten? In wel­cher Form kämen sie in einer voll­be­setzten Stra­ßen­bahn zum Ein­satz? Und wie bei der Lie­be? Und wie im Streit? Und was wür­den die­se Zun­gen wohl im Schlaf unter­nehmen? Was wäre, wenn wir uns nie wie­der berüh­ren dürf­ten, kein Mensch einen wei­te­ren Mensch, ohne zugrun­de zu gehen? – stop

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von den lungenbäumen

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india : 0.22 UTC — Ein beson­de­rer Baum, bald nach dem Win­ter, bald im Früh­ling, ers­te Knos­pen fas­zi­nie­ren­den Gewe­bes. Sobald man sich anschleicht, wird man bemer­ken, nicht Blät­ter, nicht Blü­ten, aber Hän­de, eine Ahnung zunächst, dann deut­lich zu erken­nen, mensch­li­che Hän­de im Alter von sechs oder sie­ben Wochen, wie sie wach­sen, wie sie sich ent­fal­ten, wie sie mit ers­ter Bewe­gung begin­nen. Auf einem wei­te­ren Baum sprie­ßen Ohren und Nasen, dann wie­der Hän­de, viel­leicht des­halb, weil man gera­de sehr viel Hän­de benö­tigt. Und Augen­bäu­me, Herz­bäu­me, Nie­ren­bäu­me, selbst Mund‑ und Zun­gen­bäu­me sind denk­bar wie Lun­gen­bäu­me, und wei­te­re schreck­lich schö­ne Krea­tu­ren. — stop / kof­fer­text

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ai : GUATEMALA

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MENSCHEN IN GEFAHR : “Im März hat die gua­te­mal­te­ki­sche Regie­rung in einem Indus­trie­park in Gua­te­ma­la-Stadt ein Kran­ken­haus für COVID-19-Pati­en­t_in­nen ein­ge­rich­tet. Jetzt wur­den 46 dort arbei­ten­de Instand­hal­tungs- und Rei­ni­gungs­kräf­te ent­las­sen. Als Grund für die Kün­di­gun­gen ver­wies das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um auf Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten, denen zufol­ge die­se Arbeiter_innen einen Ober­stu­fen- oder Uni­ver­si­täts­ab­schluss besit­zen müs­sen, um in dem Kran­ken­haus arbei­ten zu kön­nen. Ein Groß­teil die­ser Beschäf­tig­ten ver­fügt nur über eine grund­le­gen­de Schul­bil­dung und kann die gefor­der­ten Nach­wei­se nicht erbrin­gen. Hin­zu kommt, dass die gekün­dig­ten Per­so­nen, ähn­lich wie Tei­le des medi­zi­ni­schen Per­so­nals, seit dem 24. März kei­nen Lohn erhal­ten haben. Arbeits­lo­sen­un­ter­stüt­zung haben sie eben­falls nicht bekom­men. / Hin­ter­grund: Bereits vor der COVID-19-Pan­de­mie erhielt Gua­te­ma­la auf­grund sei­nes schwa­chen Gesund­heits­sys­tems beson­de­re Unter­stüt­zun­gen von der Pan­ame­ri­ka­ni­schen Gesund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on OPS. Am 9. Juni mel­de­te Gua­te­ma­la 7.055 COVID-19-Fäl­le und 252 Pan­de­mie­to­te.  /  Im März rich­te­te die Regie­rung Gua­te­ma­las in einem Indus­trie­park der Haupt­stadt namens Par­que de la Indus­tria ein Kran­ken­haus für COVID-19-Fäl­le ein. Die Kli­nik hat­te eine Anfangs­ka­pa­zi­tät von 319 Bet­ten und wur­de am 21. März eröff­net. Anfang Mai beschwer­te sich das medi­zi­ni­sche Per­so­nal öffent­lich über feh­len­de Arbeits­ver­trä­ge, nicht aus­ge­zahl­ten Lohn und gefähr­li­che Arbeits­be­din­gun­gen. Pres­se­be­rich­ten zufol­ge, die auf Infor­ma­tio­nen des natio­na­len Rech­nungs­hofs basie­ren, hat das COVID-19-Kran­ken­haus weni­ger als zwei Pro­zent des ihm vom Kon­gress zuge­wie­se­nen Bud­gets in Anspruch genom­men. Der Grund dafür liegt in der gerin­gen ope­ra­ti­ven Kapa­zi­tät und dem Feh­len von ent­spre­chend qua­li­fi­zier­tem Per­so­nal. / Die Kran­ken­haus­lei­tung gab an, dass die in der Kli­nik arbei­ten­den Per­so­nen über das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um ein­ge­stellt wer­den, wobei die in Haus­halts­be­stim­mung 189 (Titel: “Sons­ti­ge Leis­tun­gen”) des öffent­li­chen Haus­halts fest­ge­leg­ten Anfor­de­run­gen zu befol­gen sind. Vertreter_innen des Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums wie­sen dar­auf hin, das Gesetz über den öffent­li­chen Dienst ver­lan­ge, dass unter die­ser Haus­halts­li­nie ein­ge­stell­te Per­so­nen einen Nach­weis über ihren Ober­stu­fen- oder Uni­ver­si­täts­ab­schluss erbrin­gen müs­sen. Der natio­na­len Ombuds­stel­le für Men­schen­rech­te Pro­cu­ra­du­ría de los Derechos Huma­nos zufol­ge wur­den die­se Bele­ge noch nicht ver­langt, als das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um das betref­fen­de Per­so­nal ein­stell­te. Da 46 der im COVID-19-Kran­ken­haus beschäf­tig­ten Instand­hal­tungs- und Rei­ni­gungs­kräf­te nicht die ent­spre­chen­den Unter­la­gen vor­le­gen konn­ten, wur­den sie kur­zer­hand ent­las­sen. Sie hat­ten erst knapp drei Mona­te lang in der Kli­nik gear­bei­tet und muss­ten teil­wei­se ihre eige­nen Werk­zeu­ge und Mate­ria­li­en zur Arbeit mit­brin­gen. Das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um iden­ti­fi­zier­te 38 Per­so­nen, die die Anfor­de­run­gen nicht erfüll­ten. Die natio­na­le Ombuds­stel­le für Men­schen­rech­te hin­ge­gen mel­de­te 46 Kün­di­gun­gen im Bereich Instand­hal­tungs- und Rei­ni­gungs­per­so­nal. / Ent­ge­gen der Begrün­dung des Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums besagt der Klas­si­fi­ka­ti­ons­plan für Beschäf­ti­gun­gen im öffent­li­chen Sek­tor in Über­ein­stim­mung mit Para­graf 35 des Geset­zes über den öffent­li­chen Dienst, dass bei einer Rei­he von Stel­len mit über­wie­gend “kör­per­li­cher und repe­ti­ti­ver Arbeit” kei­ne über die Grund­schu­le hin­aus­ge­hen­de Schul­bil­dung not­wen­dig ist. Zudem ist im Hand­buch zur Klas­si­fi­ka­ti­on der Haus­halts­li­ni­en für den öffent­li­chen Dienst (Minis­ter­ver­ein­ba­rung 291‑2012) kei­ne Rege­lung zur Not­wen­dig­keit eines Ober­stu­fen­ab­schlus­ses für die Anstel­lung von Per­so­nen unter Haus­halts­be­stim­mung 189 auf­ge­führt. / Im COVID-19-Kran­ken­haus im Par­que de la Indus­tria in Gua­te­ma­la-Stadt sind die Rech­te der dort Arbei­ten­den –  sowohl die der Instand­hal­tungs- und Rei­ni­gungs­kräf­te als auch die des medi­zi­ni­schen Per­so­nals – bedroht. Die­se Beschäf­tig­ten nicht ange­mes­sen zu schüt­zen, bedeu­tet, nicht nur ihre son­dern auch die Gesund­heit der gua­te­mal­te­ki­schen Bevöl­ke­rung aufs Spiel zu set­zen. Seit Beginn der Pan­de­mie haben Beschäf­tig­te im Gesund­heits­we­sen im gan­zen Land öffent­lich und wie­der­holt das Feh­len ange­mes­se­ner Schutz­aus­rüs­tung kri­ti­siert. Laut der natio­na­len Ombuds­stel­le für Men­schen­rech­te hat­ten sich bis zum 24. Mai 2020 min­des­tens 49 Pfle­ge­kräf­te und Ärzt_innen mit COVID-19 infi­ziert. Am 30. Mai 2020 for­der­te das Ver­fas­sungs­ge­richt das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um auf, unver­züg­lich alle Beschäf­tig­ten im Gesund­heits­we­sen mit ent­spre­chen­der Schutz­aus­rüs­tung aus­zu­stat­ten.” - Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen bis spä­tes­tens zum 20.7.2020 unter > ai : urgent action
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