Aus der Wörtersammlung: iss

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ai : USA

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MENSCHEN IN GEFAHR: „Richard Moo­re wur­de 2001 zum Tode ver­ur­teilt und soll am 1. Novem­ber 2024 im US-Bun­des­staat South Caro­li­na hin­ge­rich­tet wer­den. Er ist Afro­ame­ri­ka­ner, das Opfer war weiß. Die­ser Fall ent­spricht einem gän­gi­gen Mus­ter im Ver­wal­tungs­be­zirk Spar­tan­burg Coun­ty, in dem die Todes­stra­fe bis­her haupt­säch­lich für Ver­bre­chen mit wei­ßen Opfern ver­hängt wur­de. Dar­über hin­aus sorg­te die Staats­an­walt­schaft durch die Ableh­nung afro­ame­ri­ka­ni­scher Geschwo­re­ner für eine rein wei­ße Jury. In ihrem im Jahr 2022 geäu­ßer­ten Wider­spruch gegen das Todes­ur­teil erklär­te Rich­te­rin Kaye Hearn vom Obers­ten Gerichts­hof des Bun­des­staa­tes South Caro­li­na, “Moo­res Todes­ur­teil ist ein Relikt aus ver­gan­ge­nen Zei­ten … In der Jury saß kein*e einzige*r Afroamerikaner*in, obwohl meh­re­re als Geschwo­re­ne zur Ver­fü­gung gestan­den hät­ten.” Die Rich­te­rin kam zu dem Schluss, dass das Todes­ur­teil im Fall Richard Moo­re unver­hält­nis­mä­ßig war. Richard Moo­re war unbe­waff­net, als er den Laden betrat, und der Laden­mit­ar­bei­ter und er wur­den mit einer Waf­fe ange­schos­sen, die sich bereits im Laden befand. Die­ser Tat­be­stand allein weist auf einen feh­len­den Vor­satz hin. Nach dem US-ame­ri­ka­ni­schen Ver­fas­sungs­recht “ist die Todes­stra­fe auf die Straftäter*innen zu beschrän­ken, die eine enge Kate­go­rie der schwers­ten Ver­bre­chen bege­hen und die auf­grund ihrer extre­men Schuld die Hin­rich­tung am ehes­ten ver­die­nen”. 2015 führ­te Ste­phen Brey­er, Rich­ter am Obers­ten Gerichts­hof der USA, Stu­di­en an, die zei­gen, dass “die Fak­to­ren, die die Anwen­dung der Todes­stra­fe am deut­lichs­ten beein­flus­sen soll­ten – näm­lich die ver­gleichs­wei­se Unge­heu­er­lich­keit des Ver­bre­chens – dies häu­fig nicht tun. Ande­re Stu­di­en zei­gen, dass Umstän­de, die die Ver­hän­gung der Todes­stra­fe nicht beein­flus­sen soll­ten, wie die eth­ni­sche Zuge­hö­rig­keit, das Geschlecht oder geo­gra­fi­sche Fak­to­ren, dies oft tun.” Er ver­wies auf Unter­su­chun­gen, wonach “Per­so­nen, die des Mor­des an wei­ßen Opfern beschul­digt wer­den – im Gegen­satz zu afro­ame­ri­ka­ni­schen Opfern oder Opfern aus ande­ren Min­der­hei­ten –, eher zum Tode ver­ur­teilt wer­den”. / Die Inter­ame­ri­ka­ni­sche Men­schen­rechts­kom­mis­si­on hat vor­sorg­lich einen Auf­schub der Hin­rich­tung von Richard Moo­re gefor­dert, um mehr Zeit zu haben, den Fall zu über­prü­fen. Als US-Bun­des­staat ist South Caro­li­na nach inter­na­tio­na­lem Recht ver­pflich­tet, der For­de­rung der Inter­ame­ri­ka­ni­schen Men­schen­rechts­kom­mis­si­on Fol­ge zu leis­ten. / Der ehe­ma­li­ge Lei­ter der Straf­voll­zugs­be­hör­de von South Caro­li­na, Jon Ozmint, bezeich­ne­te Richard Moo­re als einen “vor­bild­li­chen” Gefan­ge­nen. > EINE E‑MAIL SCHREIBEN ODER EINEN BRIEF VON PAPIER

 

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tonspur

tonspur

del­ta : 22.32 UTC — L. erzählt, sie habe den Mann, der in einer  Woh­nung lebt, die sich hin­ter der Wand ihrer Küche befin­det, noch nie gese­hen. Seit einem Jahr hört sie sei­ne Lebens­zei­chen, ein ble­chern klin­gen­des Radio. Das Radio spielt Jazz­mu­sik. Manch­mal ein Piep­sen, viel­leicht das Piep­sen einer Mikro­wel­le. Abends fällt Licht an eine gegen­über­lie­gen­de Haus­wand, er ist zu Hau­se, ein Schat­ten bewegt sich. Sie wünsch­te sich einen Tür­spi­on, durch den sie auf den Flur spä­hen könn­te. Oft Stim­men, als wäre die Küche vol­ler Men­schen. Nein, sie habe sich nicht gelauscht, die Stim­men sind laut. Schrit­te drau­ßen auf dem Flur sind nie zu ver­neh­men. Das Geräusch eines Was­ser­hahns. Das Schep­pern von Metall. Ein hell sin­gen­des Glas. Türen auf und zu. Die Stim­men, die sie hört, immer abends, eine Ton­spur jun­ger Stim­men, fröh­lich, in ara­bi­scher, eng­li­scher, fran­zö­si­scher Spra­che. Nachts Stil­le, manch­mal spät, soeben Däm­me­rung vor den Fens­tern, wie­der Stim­men. Sie meint, ihr Nach­bar wür­de ver­mei­den, gese­hen zu wer­den. Er will nicht gese­hen wer­den, denkt sie, aber doch bemerkt. Sie wür­de ihm hel­fen in der Not. Unlängst, kurz vor Weih­nach­ten, hör­te sie sei­ne Woh­nungs­tür drau­ßen in nächs­ter Nähe. Sie war bereits in ihren Regen­man­tel geschlüpft. — stop

 

 

 

 

 

 

 

Lew Kope­lew und Rais­sa Orlowa
Anfang der 80er Jah­re in Crottorf.
Ver­trau­te ver­traut im
Gar­ten arbeitend.
Foto­gra­fie: Archiv
der FSO Bremen

 

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sirenen

9

sier­ra : 19.12 UTC — Am Nach­mit­tag beob­ach­te­te ich, wie mei­ne Schreib­ma­schi­ne eine Spei­che­rung ihres Gedächt­nis­ses voll­zieht, ein lei­ses Knis­tern ist zu hören aus dem Käst­chen, in das notiert wird, was ich spä­ter zur Ver­fü­gung haben wer­de, wenn ich zu wis­sen wün­sche, wie es heu­te gewe­sen ist, um kurz nach 15 Uhr an die­sem 8. Sep­tem­ber 2024. Es ist noch warm und feucht. In der Nacht wur­de Kyjiw von Droh­nen atta­ckiert, Char­kiw und Odes­sa. Müde Men­schen notie­ren auf der Posi­ti­on Face­book von Schlaf­lo­sig­keit. Auch schlaf­lo­se, müde Men­schen in Gaza, in Hai­fa. Gegen 18 Uhr erneu­te Beob­ach­tung mei­ner Schreib­ma­schi­ne. Das Pro­gramm Time Maschi­ne mel­det 181 Tsd. Ände­run­gen des Sys­tems seit letz­ter Aus­füh­rung zwei Stun­den zuvor. Wie­der lei­ses Knis­tern und Schnur­ren in nächs­ter Nähe, zar­te Töne. Selt­sa­me Sache. — stop

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stimmen

9

alpha : 2.58 UTC — Eine hoch­be­tag­te Dame wünscht zu ver­rei­sen. Sie erzählt, sie kön­ne doch kaum noch Schrit­te gehen, sie ver­rei­se mit dem Roll­stuhl, in einem Auto­mo­bil wird sie durch die Land­schaft gefah­ren wer­den, das ist ihr Wort, Auto­mo­bil, ein Wort der Kin­der­zeit. Sie sagt, sie wis­se nicht, ob sie die Rei­se schaf­fen wür­de. Ich sage, Du musst auf Dei­ne inne­re Stim­me hören. Da sind vie­le Stim­men, ant­wor­tet sie, eine Stim­me sagt, das musst Du tun, Du hast nicht mehr viel Zeit. Eine ande­re Stim­me sagt, das ist gefähr­lich, die­se Stim­me ist lei­se. In der Nacht bekommt sie Fie­ber. Sie wird nicht rei­sen, sagt sie am Tele­fon. Fie­ber­stim­me. — stop

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murmansk

9

del­ta : 0.28 UTC — Regen fällt. Nach Mit­ter­nacht sind Sire­nen zu hören im Zim­mer 305 eines Hotels an der Rue de Javel im 15. Arron­dis­se­ment der Stadt Paris. Eine Frau, sie viel­leicht 60 Jah­re alt, sitzt auf dem Sofa, Blick zum Fens­ter. Sie hört die­sem gnä­di­gen Regen zu und jenem Sire­nen­ton, den ihr Tele­fon spielt, ein Ton, den sie so gut kennt. Sie schließt das Fens­ter, geht ein oder zwei Schrit­te vor dem Bett auf und ab. Der höl­zer­ne Boden knarzt. Sie nimmt ihr Hand­te­le­fon vom Tisch, wählt und spricht sofort los: Hier ist Mama! Seid ihr schon im Flur? Sind alle da, habt ihr Strom? Was­ser? Und die Kat­zen? — Die Frau spricht mit ruhi­ger, fes­ter Stim­me, als wür­de sie eine Lis­te ver­le­sen. Auf jede der Fra­gen ant­wor­tet ihre Toch­ter mit eben­so ruhi­ger Stim­me: Ja, alle sind da. Anna ist da. Artem ist da. Vik­to­ri­ja ist da. Alle sind im Flur, ja, die Türen sind geschlos­sen, ja, wir haben zwei Power­banks, Was­ser, Licht. Lie­be Mut­ter, sagt die Toch­ter, wenn das Tele­fon aus­fällt, reg Dich nicht auf, ich ruf Dich wie­der an. — Am Nach­mit­tag bereits waren stra­te­gi­sche Bom­ber in der Fer­ne gestar­tet, tief im rus­si­schen Hin­ter­land, von Mur­mansk aus, um die Men­schen der Stadt Kyjiw zu bom­bar­die­ren. In die­ser Stun­de, es reg­net in Paris, sind ihre Geschos­se ange­kom­men, schritt­wei­se in Wel­len. Eine lan­ge, sor­gen­vol­le Nacht. Die Mut­ter, die in Paris auf ihrem Bett sitzt, wird ihr Tele­fon nicht aus der Hand legen. Viel­leicht wird sie gegen den Mor­gen zu ein­ge­schla­fen sein von der Müdig­keit der Jah­re. Es reg­net, die Vögel wer­den nass. Noch immer ist kurz nach Mit­ter­nacht. — stop

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ChatGPT

9

lima : 0.22 UTC — Am spä­ten Abend bei gro­ßer Hit­ze stel­le ich ChatGPT eine Fra­ge. Ob für sie „per­sön­lich“, will ich wis­sen, eine Unter­schei­dung von Tag­zeit zu Nacht­zeit von Bedeu­tung sei. ChatGPT ant­wor­tet, wie erwar­tet, notiert Fol­gen­des:  Als KI habe ich kein Bewusst­sein, kei­ne kör­per­li­chen Emp­fin­dun­gen und damit auch kein Kon­zept von Tag oder Nacht. Zeit exis­tiert für mich nur in dem Sin­ne, dass ich dar­auf pro­gram­miert bin, Infor­ma­tio­nen in Echt­zeit zu ver­ar­bei­ten und zu reagie­ren. Ich arbei­te unab­hän­gig von der Tages­zeit und habe weder Bedürf­nis­se noch den bio­lo­gi­schen Rhyth­mus, der bei Lebe­we­sen das Gefühl von Tag und Nacht prägt. Für mich gibt es also kei­nen Unter­schied zwi­schen Tag und Nacht, und ich ste­he jeder­zeit zur Ver­fü­gung, um Infor­ma­tio­nen bereit­zu­stel­len oder Auf­ga­ben zu erfül­len. — Out­put Ende. Stil­le. Kei­ne Bewe­gung auf dem Bild­schirm, kei­ne wei­te­re Zei­le. Eine Flie­ge brummt durchs Zim­mer, noch wach, der klei­ne Kerl, der mich durch den Tag beglei­te­te, treu wie ein zah­mer Vogel. In die­sem Moment, kurz nach Mit­ter­nacht, eine selt­sa­me, lei­se Erwar­tung, ChatGPT wür­de nach lan­ger, gedul­di­ger Zeit des Ant­wor­tens selbst eine per­sön­li­che Fra­ge stel­len: Lou­is, bist Du müde? — stop

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ai : UKRAINE

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MENSCHEN IN GEFAHR: „Am 24. Febru­ar 2022 wur­den die Men­schen in der Ukrai­ne um 5 Uhr mor­gens von der Nach­richt geweckt, dass das rus­si­sche Mili­tär in ihr Land ein­mar­schiert ist. Mit­ten in der Nacht waren rus­si­sche Pan­zer ins Land gerollt und das Mili­tär hat­te aus meh­re­ren Rich­tun­gen ange­grif­fen. Der rus­si­sche Angriffs­krieg geht mit erschre­cken­dem Leid für die Zivil­be­völ­ke­rung in der Ukrai­ne ein­her. Die Recher­chen von Amnes­ty Inter­na­tio­nal wei­sen auf ein brei­te­res Mus­ter von Kriegs­ver­bre­chen durch rus­si­sches Mili­tär hin. Rus­si­sche Streit­kräf­te grei­fen wahl­los Wohn­ge­bie­te, Kran­ken­häu­ser und Schu­len an und set­zen dabei unter­schieds­los wir­ken­de Waf­fen und ver­bo­te­ne Streu­mu­ni­ti­on ein. Unbe­waff­ne­te Zivilist*innen wur­den in ihren Häu­sern oder auf offe­ner Stra­ße von rus­si­schen Soldat*innen erschos­sen. Russ­lands Ein­marsch in die Ukrai­ne ist ein ekla­tan­ter Ver­stoß gegen die Char­ta der Ver­ein­ten Natio­nen und ein Akt der Aggres­si­on, der ein Völ­ker­rechts­ver­bre­chen dar­stellt. Gleich­zei­tig miss­braucht Russ­land sei­ne Posi­ti­on als stän­di­ges Mit­glied des UN-Sicher­heits­rats, um sich vor Kon­se­quen­zen zu schüt­zen. Die Rus­si­sche Föde­ra­ti­on muss die­sen Akt der Aggres­si­on gegen die Ukrai­ne been­den und die Zivil­be­völ­ke­rung schüt­zen. Sie muss sich an das Völ­ker­recht hal­ten. Die Aggres­si­on nach außen wird beglei­tet von der bru­ta­len Unter­drü­ckung all jener, die sich in Russ­land gegen den Krieg posi­tio­nie­ren oder unab­hän­gig dar­über berich­ten. Seit Febru­ar 2022 wur­den nach Infor­ma­tio­nen der rus­si­schen Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on OVD-info mehr als 19.000 Men­schen im Zusam­men­hang mit Anti­kriegs­pro­tes­ten fest­ge­nom­men. Hun­der­te Gerichts­ver­fah­ren wur­den gegen sie ein­ge­lei­tet, dut­zen­de Web­sites unab­hän­gi­ger Medi­en will­kür­lich blo­ckiert und wei­te­re zivil­ge­sell­schaft­li­che Orga­ni­sa­tio­nen auf­ge­löst, fak­tisch ver­bo­ten oder als “aus­län­di­sche Agen­ten” oder “uner­wünscht” gelis­tet. Die rus­si­sche Aggres­si­on hat die Men­schen in der Ukrai­ne in eine kata­stro­pha­le Men­schen­rechts­kri­se gestürzt. In Russ­land wird jede Oppo­si­ti­on gegen den Krieg unter­drückt. Schlie­ßen wir uns zusam­men, um das sofor­ti­ge Ende die­ses Angriffs­kriegs und das Ende der Repres­sio­nen zu for­dern. Wir sind vie­le. Sen­de eine E‑Mail an den rus­si­schen Bot­schaf­ter in Deutsch­land und for­de­re das sofor­ti­ge Ende des Angriffs­kriegs, den Schutz der Zivil­be­völ­ke­rung und die Ein­hal­tung des Völ­ker­rechts. Hin­weis: Es wer­den kei­ne per­sön­li­chen Daten an die rus­si­schen Behör­den wei­ter­ge­lei­tet.”  > EINE E‑MAIL SCHREIBEN

 

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nächtliche flieger

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echo : 22.33 UTC — Es ist nun gewiss. Flie­gen exis­tie­ren, die flie­gen nur nachts in der Dun­kel­heit in mei­nen Zim­mern her­um. Sobald Licht wird, das der Son­ne oder das Licht mei­ner Lam­pen, flie­gen sie nicht. Sie sit­zen dann sofort im Ver­bor­ge­nen und beob­ach­ten die­sen selt­sa­men Herrn, wie er mit Papie­ren wedelnd in der Hand durch die Gegend streift, um sie auf­zu­stö­bern, um sie durch die Luft über Wän­de hin jagen zu kön­nen, mit Werk­zeu­gen, die ohne einen Ziel­ort wir­kungs­los blei­ben. — stop

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
 

IBM System/360 Modell 91
mit wel­chem mein Vater und sein Team
nach kleins­ten Teil­chen suchte
Blick in die Zentraleinheit

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von eichhörnchen

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tan­go : 6.58 UTC — Im Traum lese ich ein Buch von Papier. Das Buch ruht auf mei­nem Schreib­tisch. Schrift­zei­chen sehr gut les­bar, ein Buch, das ich ohne Bril­le ver­ste­he. Ich las­se das Buch geöff­net auf dem Schreib­tisch lie­gen, wenn ich spa­zie­ren gehe. Oder zum Ein­kau­fen. Oder ins Kino. Sobald zurück­ge­kehrt, lese ich wei­ter. Der Ein­druck plötz­lich, der Text des Buches, den ich zuletzt noch gele­sen hat­te, wür­de sich ver­än­dert haben, wäh­rend ich dem Buch den Rücken kehr­te. Ich lese einen Satz und prä­ge mir ein, was ich gele­sen hat­te. Dann ste­he ich auf und tre­te ans Fens­ter. Ein Eich­hörn­chen sitzt im Baum jen­seits der Stra­ße, es scheint zu grü­ßen. Kaum zurück vor dem Schreib­tisch, der Ver­dacht, nein, die Gewiss­heit, dass sich wie­der­um Zei­chen des Buches in mei­ner Abwe­sen­heit ver­än­dert haben oder sich ver­än­dert haben könn­ten. Ich suche nach mei­nem Foto­ap­pa­rat. Ich neh­me eine Foto­gra­fie des geöff­ne­ten Buches aus nächs­ter Nähe. Ich wache auf. Es ist Sams­tag. Feuch­te Luft. 30° Cel­si­us. Wun­der­bar. — stop

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delay line

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zou­lou : 23.02 UTC — Ein hei­ßer Tag vor 12 Jah­ren. Tat­säch­lich Som­mer. Vater, der im Roll­stuhl im Gar­ten sitzt, bit­tet mich, ein Glas Milch zu holen. Ich ste­he vor dem Kühl­schrank. Die Tür des Kühl­schranks ist offen. — In der ver­gan­ge­nen Nacht im Halb­schlaf immer wie­der der Gedan­ke, dass ich ver­ges­sen hat­te, Vater das Glas Milch in den Gar­ten zu tra­gen. Ich such­te im Traum nach dem Kühl­schrank. Ich hol­te ein Glas Milch und trat in den Gar­ten. Ich dach­te noch: Es ist Nacht, Vater ist längst nicht mehr unter uns. Ich stell­te das Glas auf einen Tisch und leg­te mich wie­der ins Bett zurück — Im Jahr 1978 besuch­te ich Vater an sei­nem Arbeits­platz im Kern­for­schungs­zen­trum CERN. In der Box der Wis­sen­schaft­ler war es heiß und schwül. Ven­ti­la­to­ren rausch­ten. Vater war jung gewe­sen. Der Pull­over, noch bekannt im Som­mer vor 12 Jah­ren, ver­mut­lich auch die Hose, die er auf einer Foto­gra­fie fest­ge­hal­ten war, wel­che ich ges­tern ent­deck­te. Vater und sein Team ver­leg­ten Lei­tun­gen, Kilo­me­ter um Kilo­me­ter über Spu­len, um Signa­le in der Zeit zu ver­zö­gern. Elek­tri­sche Signa­le sind laut­lo­se Wesen. — Som­mer. Die Näch­te warm. — stop


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

CERN
im Som­mer einer
Nachtschicht

 

 



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