Aus der Wörtersammlung: kinderzeit

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stimmen

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alpha : 2.58 UTC — Eine hoch­be­tag­te Dame wünscht zu ver­rei­sen. Sie erzählt, sie kön­ne doch kaum noch Schrit­te gehen, sie ver­rei­se mit dem Roll­stuhl, in einem Auto­mo­bil wird sie durch die Land­schaft gefah­ren wer­den, das ist ihr Wort, Auto­mo­bil, ein Wort der Kin­der­zeit. Sie sagt, sie wis­se nicht, ob sie die Rei­se schaf­fen wür­de. Ich sage, Du musst auf Dei­ne inne­re Stim­me hören. Da sind vie­le Stim­men, ant­wor­tet sie, eine Stim­me sagt, das musst Du tun, Du hast nicht mehr viel Zeit. Eine ande­re Stim­me sagt, das ist gefähr­lich, die­se Stim­me ist lei­se. In der Nacht bekommt sie Fie­ber. Sie wird nicht rei­sen, sagt sie am Tele­fon. Fie­ber­stim­me. — stop

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vom nachtstrassenmuseum

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alpha : 22.25 UTC — Es ist nicht etwa so, dass Men­schen auf der Stra­ße tief unter mei­nem Fens­ter nach Süden hin kurz vor Beginn der Aus­gangs­sper­ren sich beei­len wür­den nach Hau­se zu kom­men. Sie gehen vor­an, so wie immer um die­se Zeit, aber allein. Es sind außer­dem weni­ge Men­schen, die sich dort unten bewe­gen. Für einen Moment dach­te ich, viel­leicht haben sie Ein­tritt bezahlt für das Muse­um der Nacht­ras­sen zur Zeit der Aus­gangs­sper­re: 150 €. Ich muss das beob­ach­ten, das Muse­um, die Men­schen und die Nacht­bie­nen, ihre Geräu­sche, ihre Wege, ihre Besu­che hier oben, wo ich am Fens­ter ste­he. — stop

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luftschreiben

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char­lie : 6.55 UTC — Beim Nach­barn im Kel­ler ruht auf einem klei­nen run­den Tisch, der von Wachs­fle­cken bedenkt ist, eine mecha­ni­sche Schreib­ma­schi­ne. Immer wie­der ein­mal den­ke ich an die­se Schreib­ma­schi­ne, wenn ich in den Kel­ler abstei­ge, um nach dem Strom­zäh­ler zu sehen. Ges­tern war sie noch immer dort in gelb­li­chen Licht auf dem Tisch zu sehen, bedeckt von etwas feuch­tem Staub und Mör­tel, der von der Decke fällt, sobald die Erde bebt unter der Stadt. Ich dach­te, ich soll­te mir eine mecha­ni­sche Schreib­ma­schi­ne in die Woh­nung holen, das Schrei­ben wie­der­ho­len wie frü­her noch ohne Mög­lich­keit einer Kor­rek­tur, auch mit der Kraft der Hän­de arbei­ten. Da sind Geräu­sche der Kin­der­zeit, sofort kann ich sie aus dem Gedächt­nis holen, wie ich mit jeder Tas­te einen Ton anschla­ge, manch­mal so sanft, so vor­sich­tig, dass ich das Papier, das über einer Wal­ze spannt, mit dem Druck­zei­chen nicht errei­che, dass ich, sagen wir, Zei­chen in die Luft set­ze, weich. — stop

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logik

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india : 18.08 UTC — Mor­gens im Pend­ler­zug skiz­zier­te ich einen Flug­dra­chen, wie ich sie der Form nach von mei­ner Kin­der­zeit ken­ne. Neben mir hock­te zufäl­lig ein Mäd­chen, das mei­ne Hän­de beob­ach­te­te, auch mei­nen klei­nen Com­pu­ter, auf des­sen Glas­schei­be ich zeich­ne­te mit einem Stift, der für die­ses digi­ta­le Zeich­nen aus­ge­dacht wor­den ist. Ich habe einen Dra­chen, sag­te das Mäd­chen plötz­lich, er ist viel grö­ßer als die­ser da. Ich frag­te, wel­che Far­be ihr Dra­che denn haben wür­de. Das Mäd­chen ant­wor­te­te: Rot und Blau. War­um ist Dei­ner nicht bunt, frag­te das Mäd­chen. Ich sag­te: Weißt Du, ich über­le­ge, ob man einen Dra­chen bau­en könn­te, der aus Eis gemacht ist, aus Schnee, ein Schneedra­chen, der flie­gen kann? — Bestimmt, sag­te das Mäd­chen, das geht! Das Mäd­chen schwieg kurz, dann ver­dreh­te es die Augen. Ver­rückt, sag­te es, das ist schon ver­rückt, er kann aber nicht flie­gen, weil wir im Win­ter kei­ne Dra­chen stei­gen las­sen. Da machen wir ande­re Sachen, aber weil es ohne­hin nicht schneit, könn­ten wir doch mal einen Schneedra­chen bau­en. Cla­ro! — stop

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edison

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del­ta : 2.15 UTC — Ein­mal, als Nacht war in der Zeit der Nacht­ar­beit vor Jah­ren, stell­te ich die Fra­ge, wann Mit­tag sei in der Nacht? Und wann der Abend beginnt? Ich stand auf, ver­trat mir die Bei­ne, lief vor dem Bücher­re­gal hin und her, ent­deck­te ein Edi­son­buch, eines aus der Kin­der­zeit, saß auf dem Sofa, las und schau­te, wie man Glüh­bir­nen macht? Zunächst macht man einen glä­ser­nen Behäl­ter für das Licht und die­ses Glas nun glüht in einem sehr war­men oran­ge­far­be­nen Ton und ist flüs­sig und heiß, denn die Män­ner, die an ihm arbei­ten, tra­gen kräf­ti­ge Hand­schu­he, ihre Gesich­ter sind zum Schutz mit feuch­ten Tüchern ver­bun­den. Bald war ich ein­ge­schla­fen. — stop
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souiga

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gink­go : 6.58 UTC — Lie­se­lot­te, die eigent­lich ganz anders heißt, erzähl­te mir ges­tern im Schnell­zug eine berüh­ren­de Geschich­te. Sie sag­te, sie habe in ihrem Leben sehr viel Alko­hol getrun­ken, das habe schon zur Kin­der­zeit ange­fan­gen. Sie habe unge­fähr vier­zig Jah­re ihres Lebens in leich­ten oder schwe­ren Rausch­zu­stän­den ver­bracht. Es exis­tie­ren Zeit­räu­me, die sei­en voll­stän­dig dun­kel, ohne Erin­ne­rung, die ken­ne sie nur von Erzäh­lun­gen ande­rer her, sie habe in die­sen dunk­len Zeit­räu­men je kei­ne gute Figur gemacht. Sie besu­che nun, da sie abs­ti­nent lebe, manch­mal Orte, an wel­chen sie betrun­ken gewe­sen war, das Mün­che­ner Okto­ber­fest, bei­spiels­wei­se, oder die Stadt Sou­i­ga an der süd­li­chen Küs­te Kre­tas, Man­hat­tan im Mai, Tur­ku. Sie rei­se her­um, um nach­zu­se­hen, wie es wirk­lich ist. Oder die Wies­kir­che. — stop

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turingluftmaschine

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sier­ra : 0.05 UTC — Bis in den spä­ten Abend bei geöff­ne­ten Fens­tern über das Wesen nicht­de­ter­mi­nis­ti­scher Algo­rith­men nach­ge­dacht. Da war plötz­lich wie­der ein hel­les Pro­pel­ler­ge­räusch an mei­nem Ohr, ein ver­trau­ter Ton, den ich seit Kin­der­zeit erfin­de, aber immer dann, wenn ich die­ses Geräusch sum­mie­ren woll­te zu einem Geräusch hun­dert­tau­sen­der Flie­gen­tie­re, der Ver­dacht, dass mit mei­ner Erin­ne­rung etwas nicht ganz in Ord­nung sein könn­te. Ein Schwarm der Ord­nung Eph­emer­op­te­ra ist in der Luft kaum zu ver­neh­men. Habe fünf oder sechs Schwar­m­er­schei­nun­gen in der Wirk­lich­keit beob­ach­tet, sie sind laut­los wie wir­beln­der Schnee. Und doch war da stets ein beson­de­rer Ton, sobald eine Flie­ge dicht an mei­nem Ohr vor­über gekom­men war oder in nächs­ter Nähe auf mir lan­de­te. – Ein zar­tes Klap­pern viel­leicht? – Wei­ter­hin Luft­ge­räu­sch­wor­te erfin­den. — stop

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edison

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oli­mam­bo : 3.15 — Vari­an­ten, Bewe­gun­gen einer Hand zu beschrei­ben, die sich spie­le­risch über einer Kla­ri­net­te bewegt. — Müde. — Viel­leicht die­se Art Sand­au­gen­mü­dig­keit, die Nacht­ar­beit bewir­ken kann. Wann ist Mit­tag in der Nacht? Wann beginnt der Abend? Ich ste­he auf, ver­tre­te mir die Bei­ne, lau­fe vor dem Bücher­re­gal hin und her, ent­de­cke ein Buch, das von Edi­son erzählt, ein Buch aus der Kin­der­zeit, sit­ze auf dem Sofa, lese und schaue. — Wie man Glüh­bir­nen macht? Zunächst macht man einen glä­ser­nen Behäl­ter für das Licht und die­ses Glas nun glüht in einem sehr war­men oran­ge­far­be­nen Ton und ist flüs­sig und irgend­wie sehr heiß, denn die Män­ner, die an ihm arbei­ten, tra­gen kräf­ti­ge Hand­schu­he, ihre Gesich­ter sind zum Schutz mit feuch­ten Tüchern ver­bun­den. Jetzt bin ich ein­ge­schla­fen. — stop
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