echo : 22.52 UTC — Einmal bemerkte ich die Silhouette eines Menschen am Strand von Montauk, einen Strich, der einen Schatten warf. Ich dachte: Das ist eine im Besonderen berührende Erscheinung vom Weltraum her gesehen. Der Planet scheint belebt zu sein. — Ich verliere Wörter, wenn ich nicht lese, nicht schreibe, nicht langsam spreche. Tagessignalwörter sind Wörter, die von einem Tag gestempelt sind. Der heutige Tag könnte dem Wort Ohrtrompete verbunden sein. — stop
sierra : 16.25 UTC — Samstag. Leichter Regen. Es ist kalt geworden. Noch immer, nach jahrelanger Beobachtung, habe ich keine Antwort auf die Frage, weshalb Kiemenmenschen, sobald sie schlafen oder sich küssen, Kopf nach unten in ihren Wasserwohnungen schweben. – stop
echo : 8.33 UTC — Bemerkenswert immer wieder die Vorstellung, das Wort h i b i s c i l l i könnte nach seiner Enttarnung genaue die selbe Bedeutung haben wie die Zeichenfolge x l / * q k o y. Es existieren demzufolge Codes, die wohlklingend sind für menschliche Ohren, während andere eventuell fleissigen Rechenmaschinen gefallen. — stop
charlie : 19.29 UTC — Drei Wochen her, da hab ich eine Druckermaschine gekauft. Ich dachte, ich kauf mir eine Druckermaschine, um Arbeit auf Papiere zu setzen. Aber die Arbeit scheint sich in der digitalen Sphäre Tag für Tag neu auszudrücken, ein Wort wechselt von einer Zeile zur nächsten, ein anderes Wort verschwindet, am nächsten Tag ist es wieder anwesend, dann wieder verreist oder nach Nirwana. Auch haben sich Textpassagen wie Inseln fortbewegt, segeln herum von der fünften Seite zur achten Seite, um sich dann doch auf der vierzehnten Seite niederzulassen. Alles ist im digitalen spurlos in Bewegung, reisende Wörter werden bald schönes Spurwerk auf Papiere zeichnen. Vielleicht werden ich Zeichner, vielleicht werde ich verrückt. — stop
lima : 22.12 UTC — Die Bilder des letzten Films, den mein Vater mit seinem Fotoapparat aufgenommen hatte, zeigen seine Hose, seine Schuhe, Treppenstufen, eine Taube. Als ich die digitalen Fotografien für meinen Vater auf seinem Computer öffnete, hockte der alte Mann in der Betrachtung seines letzten Films vor dem Bildschirm und klickte immer schneller werdend von Bild zu Bild. Er sagte, dass er sich an das, was er fotografiert hatte, genau erinnere. Da war eine Landschaft nahe Prag durch das Zugfenster aufgenommen, da war eine weitere Landschaft, kurz nachdem der Zug den Prager Bahnhof verlassen hatte, da war ein tanzendes Paar auf einem Donaureiseschiff nahe Budapest. Und da war Mutter, die neben einem Rettungsboot desselben Schiffes stand und lächelte. Vater hatte ungefähr 50 Aufnahmen gefertigt, jede der Aufnahmen zeigte nun seine Schuhe, seine Hose oder eben eine Taube, die zu seinen Füßen Brotkrumen pickte. Er war verzweifelt. Da stand ich leise auf und suchte nach seiner Kamera. Ich bin doch nicht verrückt geworden, sagte Vater. Nein, antwortete ich, schau her, Du bist nicht verrückt geworden! Vater nahm seine Kamera in die Hand. Er schüttelte den kleinen, flachen Apparat und sagte: Na, das ist mein vielleicht seltsamster Film geworden. Diese Taube hier, da waren wir schon auf dem Schiff gewesen. Es war Nachmittag. Ich muss etwas an der Kamera verstellt haben. Dieses Rädchen hier könnte es gewesen sein. Immer Sekunden zu spät. Na sowas, sagte Vater. — stop
tango : 0.06 UTC — In einer gezeichneten Vorstellung der Maskentiere sind Augen zu bemerken. Das ist sehr seltsam, weil Augen nicht eigentlich sinnvoll oder unverzichtbar sind für den Zweck, dem Maskentiere bald einmal dienen werden. Es ist nämlich so, dass Maskentiere in der Lage sein sollten, sich auf menschliche Münder und Nasen niederzulegen, um dieselben zu beatmen, demzufolge Luft aus der Atmosphäre zu entnehmen, um diese eventuell kontaminierte Luft für Menschen oder andere Tiere sorgfältigst zu filtern, indem sie in Stunden, da sie ihrer Bestimmung folgen, auf vielfältig gestalteten Wangen, Nasenrücken, Halspartien so dicht zu liegen kommen, dass kein Gramm einer Virenlast je an ihren Rändern oder Enden entweichen könnte. Es ist stattdessen ganz wunderbar saubere Luft, die sie spenden, und es ist ganz wunderbar saubere Luft, die sie im Gegenzug wieder an die Welt zurückgeben werden. Natürlich ist denkbar, dass kein Wort, kein Schrei durch ihre Lederhaut hindurch nach draußen dringen wird, es wird also stiller unter den Menschen, die schweigen und sich sicher fühlen, sobald sie mit ihren wärmenden Masken über Straßen und durch Warenhäuser spazieren. Dann ist Abend geworden, und man legt das getragene Tier zurück in einen Behälter, der mit Wasser gefüllt ist. Dort schwimmen sie dann aufgeregt unter weiteren Maskentieren herum und erzählen sich Geschichten, was sie hörten und was sie gesehen haben während des Tages, indessen sie sich säubern und paaren, um weitere Maskentiere zu erzeugen. — Auch Ohren, jawohl! — stop
echo : 0.06 UTC — Ich stehe vor einer Tür. Ich bin groß genug geworden, um die Klinke der Tür mit einer Hand zu erreichen. Ich versuche die Tür zu öffnen, da ruft Mutter, nicht Louis, Papi arbeitet. Aber das war seltsam, weil das Zimmer hinter der Tür das Badezimmer gewesen war, nicht das Arbeitszimmer, das gab es auch. Mutter sagte: Dein Vater entwickelt Bilder, es muss dunkel, ganz dunkel sein im Zimmer, Du musst etwas warten, mein Schatz, Papi wird bald rauskommen. Ich erinnere mich, dass ich mich auf den Boden legte und unter der Tür zum Badezimmer hindurch spähte. Ich konnte Vaters Radio hören, und ich beobachte rotes Licht, das im Badezimmer leuchtete, sodass ich dachte, das Radio würde vielleicht rot leuchten. Es ist nicht dunkel, sagte ich, Mutter antworte, doch, doch, das ist ich Vaters Dunkelkammer. Vermutlich weil ich erlebte, was ich gerade erzählte, bewirkte, dass ich mit Radioapparaten noch Jahre später rotes Licht in Verbindung brachte. Dann, bald, wurden Radios grün, wegen ihres leuchtenden Auges. Es waren Röhrengeräte. — stop
ulysses : 18.12 UTC — Einmal spazierte ich mit Mutter durch einen Wald. Die alte Dame, sie trug rote Turnschuhe, fragte mich, ob sie denn seltsam aussehen würde, so wie sie ging. Und ich antwortete: Nein, dein Gang ist vielleicht etwas steif geworden, etwas langsamer, vorsichtiger, aber nicht seltsam. Am Himmel kreiste ein Modellflugzeug mit einem Kopfpropeller, sehr leise, kunstvoll über einem Hügel, von dem aus wir Vaters Segelflugzeuge in herbstliche Winde hängten. In jenem Wald, ich erinnere mich, den ich mit Mutter spazierte, suchte ich als Junge nach Skeletten. Es war ein dichter Wald junger Tannen. Man erzählte, dass die Tiere sich dorthin zurückzogen, um in Ruhe zu sterben. Vermutlich deshalb habe ich sehr viele Knochen gefunden. Sie waren über Jahre hin über den Boden gewandert, das waren vermutlich Wildschweine gewesen. Ich trug zahlreiche Knochen nach Hause, um sie zu sortieren mithilfe eines naturkundlichen Buches. In einem großen Karton verwahrte ich Knochen, die ich nicht zuordnen konnte. Einmal schüttete ich diese Knochen vor mich auf den Boden und setzt sie so zusammen, dass sich ein Tier abzeichnete, welches über mehrere Schädel verfügte und zahlreiche Beine. Das Tier war sehr lang, ein Tier, über dessen Leben ich aufregende Geschichten erzählen konnte. — stop
echo : 0.28 UTC — Zeiträume meines Lebens existieren, für die ich keine Erinnerung habe, Bilder, Geräusche, Geschichten, Gegenstände, die ich sofort aufrufen könnte, irgendwo sind sie versteckt. Vor kurzem erinnerte ich mich an Springspiele meiner Kindheit, was waren das für Gummibänder gewesen? Brausetütchen. Ein Plattenspieler. Ein sich im Wind wiegender Baum. — Das Wort Pandemie ist mir schon lang bekannt, wann präzise könnte ich das Wort zunächt gelesen oder gehört haben? — stop