Schlagwort: esa

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ai : IRAN

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MENSCH IN GEFAHR : ““Nahid Tag­ha­vi ist eine ira­nisch-deut­sche Frau­en­recht­le­rin, die im Tehe­ra­ner Evin-Gefäng­nis inhaf­tiert ist. Seit ihrer Fest­nah­me im Okto­ber 2020 muss­te sie mona­te­lang in Iso­la­ti­ons­haft. Sie wur­de gefol­tert. In einem unfai­ren Gerichts­ver­fah­ren wur­de sie wegen angeb­li­cher Betei­li­gung an einer “ille­ga­len Grup­pe” und wegen “Pro­pa­gan­da gegen den Staat” zu zehn Jah­ren und acht Mona­ten Haft ver­ur­teilt. Ihr Gesund­heits­zu­stand ist besorg­nis­er­re­gend: Nahid Tag­ha­vi hat so star­ke Schmer­zen, dass sie kaum mehr aus dem Bett auf­ste­hen kann. Sie bekommt star­ke Schmerz­mit­tel inji­ziert. Sie lei­det an tau­ben Fin­gern und star­ken Schmer­zen in ihrem Nacken, am Rücken und an den Hän­den. Im Juli 2022 wur­de Nahid in den drin­gend benö­tig­ten medi­zi­ni­schen Haft­ur­laub ent­las­sen. Die lan­ge Haft und die desas­trö­sen Haft­be­din­gun­gen haben ihren Gesund­heits­zu­stand mas­siv ver­schlech­tert. Am 13. Novem­ber 2022 muss­te sie wie­der ins Gefäng­nis, obwohl ihre medi­zi­ni­sche Behand­lung noch nicht abge­schlos­sen ist. Die erneu­te Inhaf­tie­rung von Nahid erfolg­te unmit­tel­bar auf die Ankün­di­gung der deut­schen Bun­des­re­gie­rung, wei­te­re Sank­tio­nen gegen die ira­ni­sche Regie­rung zu ver­ab­schie­den. Nahid ist eine gewalt­lo­se poli­ti­sche Gefan­ge­ne und muss umge­hend und bedin­gungs­los frei­ge­las­sen wer­den. — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen unter > ai : urgent action

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tonbandspule

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romeo : 16.01 UTC — Vor 11 Jah­ren hat­te ich von der Ent­de­ckung eines Muse­ums der Nacht­häu­ser erzählt, das sich am Shore Bou­le­vard nörd­lich der Hell Gates Bridge befin­det, die den Stadt­teil Queens über den East River hin­weg mit Ran­di­lis Island ver­bin­det. Es ist noch immer ein recht klei­nes Haus, rote Back­stei­ne, ein Schorn­stein, der an einen Fabrik­schlot erin­nert, ein Gar­ten, in dem ver­wit­ter­te Apfel­bäu­me ste­hen, der Fluss so nah, dass man ihn rie­chen kann. Heu­te liegt der Gar­ten tief ver­schneit. Ich ste­he unter einem der Apfel­bäu­me, die ohne Blät­ter sind. Die­ser Baum trägt sei­ne Som­mer­früch­te so, als ob er sie fest­hal­ten wür­de, sie sind etwas klei­ner gewor­den, vol­ler Fal­ten, aber sie leuch­ten rot und sie duf­ten. Der jun­ge Mann, der mich bereits ein­mal durch das Muse­um geführt hat­te, kommt in die­sem Moment auf mich zu. Er freut sich, dass ich wie­der­ge­kom­men bin. Eine Wei­le ste­hen wir uns gegen­über, es ist zum Erbar­men kalt, wir tre­ten von einem Bein aufs ande­re, wäh­rend der jun­ge Mann eine Ziga­ret­te raucht, dann ist es fast dun­kel und wir tre­ten wie­der in das Muse­um ein. Er will mir eine klei­ne Maschi­ne zei­gen, die im ers­ten Stock seit vie­len Jah­ren in einer wei­te­ren Vitri­ne sitzt. Auf den ers­ten Blick scheint es sich um eine ähn­li­che Appa­ra­tur zu han­deln, wie jene von der ich berich­te­te. Ein Gecko von Metall, der in der Lage ist, sich zum Zwe­cke pro­tes­tie­ren­der Kom­mu­ni­ka­ti­on Wän­de hin­auf an die Decke eines Zim­mers zu bege­ben, um sich dort fest­zu­sau­gen. Aber anstatt eines oder meh­re­rer Schlag­in­stru­men­te, mit wel­chen gegen die Decke getrom­melt wer­den könn­te, ver­fügt die­ses klei­ne Wesen über einen Laut­spre­cher, der wie ein Mund gestal­tet ist, und des­halb her­vor­ra­gend geeig­net zu sein scheint, hef­ti­ge Geräu­sche des Spre­chens zu erzeu­gen. Bei die­ser Appa­ra­tur, sagt der jun­ge Ange­stell­te, han­delt es sich um den ers­ten Decken­spre­cher der Geschich­te, ein äußerst sinn­vol­les Gerät. Er for­dert mich auf, näher zu tre­ten. Sehen Sie genau hin, sehen Sie, er ist ver­beult! Tat­säch­lich war der klei­ne eiser­ne Gecko von zahl­rei­chen Schlä­gen so ver­letzt, dass er viel­leicht kaum noch in der Lage gewe­sen war, sei­ner Auf­ga­be nach­zu­kom­men. Denk­bar ist, dass er in einer Nacht der Tag­men­schen der­art wir­kungs­voll gear­bei­tet haben könn­te, dass man ihn fan­gen woll­te, wes­halb man in die Woh­nung des Nacht­men­schen ein­ge­bro­chen war, um ihn zum Schwei­gen zu brin­gen. Als man das ram­po­nier­te Gerät vie­le Jah­re spä­ter öff­ne­te, ent­deck­te man eine Ton­band­spu­le, auf wel­cher Lite­ra­tur von Bedeu­tung fest­ge­hal­ten war. Ein Bruch­stück der his­to­ri­schen Auf­nah­me war noch vor­han­den gewe­sen, und jetzt, in die­ser Nacht, spielt mir der jun­ge Mann vor, was der Appa­rat gespro­chen hat­te. Eine äußerst lau­te schep­pern­de Stim­me ist zu ver­neh­men: Zuerst woll­te er mit dem unte­ren Teil sei­nes Kör­pers aus dem Bett hin­aus­kom­men, aber die­ser unte­re Teil, den er übri­gens noch nicht gese­hen hat­te und von dem er sich kei­ne rech­te Vor­stel­lung machen konn­te, erwies sich als zu schwer beweg­lich; es ging so lang­sam; und als er schließ­lich, fast wild gewor­den, mit gesam­mel­ter Kraft, ohne Rück­sicht sich vor­wärts stieß, hat­te er die Rich­tung falsch gewählt, schlug an dem unte­ren Bett­pfos­ten hef­tig an, und der bren­nen­de Schmerz, den er emp­fand, belehr­te ihn, dass gera­de der unte­re Teil augen­blick­lich viel­leicht der emp­find­lichs­te war. — Hier endet die Spu­le, ums sofort wie­der von vor­ne zu begin­nen. — Das Radio erzähl­te von einem Jun­gen, der in einem Luft­schutz­kel­ler im Licht der Tele­fon­lam­pen sei­nen Geburts­tag fei­er­te. Er trug eine rote Papp­na­se im Gesicht und einen wei­ßen Papier­hut, einen run­den, spitz zulau­fen­den Zylin­der auf dem Kopf. — stop

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morgenzeitung

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tan­go : 0.38 UTC — Im Früh­ling des Jah­res 2016 über­leg­te Mut­ter, ob sie ihre gelieb­te Zei­tung, die sie ein hal­bes Leben lang jeden Mor­gen in aller Frü­he stu­dier­te, nicht viel­leicht abbe­stel­len soll­te, weil sie nicht mehr so schnell lesen wür­de wie frü­her noch, also weni­ger Zei­tung wahr­neh­men kön­ne in der sel­ben Zeit. Sie rief bei der Zei­tung an. Ein jun­ger Mann, der die Gefahr erkann­te, eine treue Lese­rin zu ver­lie­ren, mach­te ihr unver­züg­lich ein groß­zü­gi­ges Ange­bot. Er sag­te, wenn sie die Zei­tung wei­te­re 2 Jah­re abon­nie­ren wür­de, müss­te sie ein hal­bes Jahr lang für ihre Zei­tung nichts bezah­len, wes­we­gen mei­ne Mut­ter sofort von ihrem Wunsch, sich um ihr Lese­ver­gnü­gen zu brin­gen, Abstand nahm. Sie abon­nier­te also die Zei­tung für wei­te­re 2 Jah­re, obwohl sie doch mög­li­cher­wei­se lang­sa­mer und noch lang­sa­mer lesen wird von Zeit zu Zeit, also jener Teil der Zei­tung, der unge­le­sen, grö­ßer wer­den wird. Der jun­ge Mann am Tele­fon hat­te im übri­gen auch für die­ses Pro­blem unge­le­se­ner Zei­tungs­ab­tei­le eine beru­hi­gen­de Mit­tei­lung zu machen. Er sag­te, die Zei­tung wür­de auch dann gedruckt, wenn Mut­ter sie abbe­stel­len wür­de, was ver­mut­lich der Fall ist, ein Argu­ment, das wirk­te. Als ich Mut­ters Geschich­te hör­te, dach­te ich, man müss­te ein­mal elek­tri­sche Papie­re erfin­den, hauch­dün­ne Com­pu­ter­bild­schir­me, die zu einem Gefäß ver­sam­melt sind, das sich anfühlt wie eine Zei­tung. Über Funk wür­den Zei­chen gesen­det wer­den, gera­de so vie­le Zei­chen wie übli­cher­wei­se gele­sen wer­den von dem Besit­zer des Zei­tungs­ge­fäs­ses, Zei­chen über Lite­ra­tur und Loka­les und über die Poli­tik der gro­ßen, wei­ten Welt. Eine Zei­tung mit Augen, eine Zei­tung, die ver­merkt, wie vie­le ihrer Zei­chen prä­zi­se gele­sen wer­den, eine Zei­tung bei­na­he wie ein Com­pu­ter, oder, genau­er gesagt, ein Com­pu­ter, der sich wie eine Zei­tung anfüh­len wür­de, in dem man blät­tern könn­te, ein Com­pu­ter der raschelt, oder eben eine Zei­tung, die man aus­schal­ten kann. — Das Radio erzählt, in Mariu­pol irr­ten ver­wirr­te Men­schen durch ver­wüs­te­te Stras­sen. Sie mach­ten den Ein­druck, sie sei­en auf der Suche. — stop

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zwei wartende männer

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tan­go : 6.28 MEZ — Als wir auf einen Zug war­te­ten, erzähl­te ich Piotr von einer schla­fen­den Frau, die ich vor län­ge­rer Zeit ein­mal in einem Flug­zeug beob­ach­tet hat­te. Die­se Frau kau­te, ohne eine Pau­se ein­zu­le­gen, einen Kau­gum­mi. Ich sag­te, ich sei mir nicht sicher gewe­sen, ob die Frau tat­säch­lich schlief oder sich nur vor­stell­te, sie wür­de schla­fen. Unver­züg­lich woll­te auch Piotr eine Geschich­te erzäh­len. Als er noch in Polen leb­te, sei er ein­mal von Kra­kau nach Mos­kau gereist. Kurz nach sei­ner Ankunft in Mos­kau habe er eine Post­kar­te, die er im Bahn­hof erwor­ben hat­te, mit einem Gruß ver­se­hen und an sei­ne Gelieb­te geschickt, die in Kra­kau leb­te. Dann sei er mit dem nächst­bes­ten Zug wie­der nach Hau­se gefah­ren. Piotr war damals ein jun­ger Mann. Er war in sei­nem lan­gen Leben nur ein­mal in Mos­kau gewe­sen, die Post­kar­te sei in Kra­kau nie ange­kom­men. Das Radio erzählt, rus­si­che Besat­zungs­kräf­te wür­den um das Dra­ma-Thea­ter in Mariu­pol einen Sicht­schutz errich­tet haben. War­um? — stop

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saharaschwefel

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tan­go : 0.12 — Herr Lud­wig, den ich im Janu­ar besuch­te, erzähl­te mir, dass er sich vor Jah­ren wünsch­te, ein Schiffs­mo­dell aus Streich­höl­zern zu bau­en. Unver­züg­lich kauf­te er damals eini­ge Tau­send der höl­zer­nen Stäb­chen, weil er sie auf die­sem Wege ins­ge­samt bil­li­ger erste­hen konn­te. Außer­dem such­te er nach einem geeig­ne­ten Schiff, des­sen Kör­per sehr gut doku­men­tiert sein soll­te. Sei­ne Wahl fiel auf die RMS Queen Mary 1. Er lud Plä­ne aus dem Inter­net, Grund­ris­se, Blau­pau­sen, Hun­der­te von Foto­gra­fien sowie Let­ter­cards, die an Bord des luxu­riö­sen Schif­fes von Pas­sa­gie­ren wäh­rend ihrer Rei­se notiert wor­den waren. Herr Lud­wig erwähn­te, dass er sich bald in ein Aben­teu­er ver­wi­ckelt fühl­te, sei­ne Tage, die zuvor schwe­re und lee­re Tage gewe­sen sei­en, wären plötz­lich leicht gewor­den und die Zeit ging nur so in Eil­schrit­ten dahin, dass es eine wah­re Freu­de war, kaum auf­ge­stan­den sei schon wie­der Abend gewe­sen. Im Dezem­ber vor zwei Jah­ren, kurz vor Weih­nach­ten, war Herr Lud­wig sei­nen Anga­ben zur Fol­ge mit der Vor­be­rei­tung sei­ner Rekon­struk­ti­ons­ar­bei­ten fer­tig gewor­den, und so öff­ne­te er eine Schach­tel Streich­höl­zer und füg­te, nach­dem er mit einem Mes­ser­chen Schwe­fel­köp­fe bei­der Stäb­chen sorg­sam abge­trennt hat­te, mit einem Kleb­stoff, der wun­der­voll nach Wal­nuss­li­kör duf­te­te, zwei der Zünd­höl­zer seit­wärts anein­an­der. Nach einer Wei­le, er hat­te mehr­fach sei­nen Arbeits­tisch umrun­det, prüf­te er die Fes­tig­keit der Ver­bin­dung und war zufrie­den. Er bau­te, in die­ser Wei­se der Kle­bung fort­fah­rend, zunächst einen Schorn­stein des rie­si­gen Schif­fes, dann einen zwei­ten Schorn­stein, drei Wochen ver­gin­gen, bis bei­de Schorn­stei­ne fer­tig gewor­den waren, und auf den Tisch gestellt, so dass sie nun mit­ein­an­der ver­bun­den wer­den konn­ten. Die Hän­de des alten Man­nes rochen in jenen Wochen sei­ner fili­gra­nen Arbeit nach Schwe­fel, und die Luft duf­te­te nach Wal­nüs­sen und Ace­ton, und irgend­wann in die­ser Zeit muss sich Herr Lud­wig, ver­se­hent­lich oder mit Vor­satz, von sei­nen Schiff­bau­plä­nen ent­fernt haben. Als Janu­ar wur­de, waren auf dem Tisch deut­li­che Kon­tu­ren eines Dro­me­dars zu erken­nen, des­sen Kör­per auf vier Schorn­stei­nen ruh­te, eine wun­der­ba­re Wand­lung sei­ner Vor­ha­bens, das Schiff baue er spä­ter, sag­te Herr Lud­wig, in dem er mit einer bewähr­ten Bewe­gung einen Schwe­fel­kopf von einem Streich­holz trenn­te. Der Kopf hüpf­te über den Tisch, und als er von der Kan­te des Tisches stürz­te, war nicht das Min­des­te zu hören gewe­sen. — Das Radio erzählt, in Mariu­pol sol­len Men­schen im März für weni­ge Minu­ten auf eine Stras­sen­kreu­zung getre­ten sein, um dort ihr Mobil­te­le­fo­ne gegen den Him­mels zu stre­cken. Indes­sen tob­te um sie her­um der Kampf um die Stadt. — stop
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ein pfeifen

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tan­go : 2.12 — Nabo­kov schrieb vor eini­ger Zeit, er habe mir eine unge­wöhn­li­che Uhr geschickt, ich sol­le ihm notie­ren, sobald sie ange­kom­men sei. Ver­gan­ge­nen Frei­tag erneu­te Fra­ge: Lie­ber Lou­is, ist die Uhr, die ich vor zwei Mona­ten sen­de­te, ange­kom­men? Ges­tern war Nabo­kovs Uhr end­lich im Brief­kas­ten, zoll­amt­li­cher Ver­merk: Zur Prü­fung geöff­net. Ich will an die­ser Stel­le bemer­ken, von der Öff­nung des Päck­chens war nicht die min­des­te Spur zu erken­nen, kein Schnitt, kein Riss, kei­ne Fal­te. Im Päck­chen nun eine Schach­tel von hel­lem Kar­ton, in der Schach­tel Sei­den­pa­pie­re, von Nabo­kovs eige­ner Hand ver­mut­lich zer­knüllt. In wei­te­re Sei­den­pa­pie­re ein­ge­schla­gen, besag­te Uhr, wun­der­ba­res Stück, ova­les Gehäu­se, ble­chern, ver­mut­lich Trom­pe­te, wel­ches schwer in der Hand liegt. Kurio­ser­wei­se fehlt der Uhr das Zif­fer­blatt, wei­ter­hin kei­ner­lei Zei­ger, weder Dioden noch Leucht­zei­chen. Ich ver­such­te das Gehäu­se der Uhr zu öff­nen, ver­geb­lich. Erstaun­lich ist nun, dass, wenn ich auf das Gehäu­se der Uhr Druck aus­übe, sich ein schma­ler Schacht seit­lich öff­net, dem, wie zum Beweis der Exis­tenz der Zeit, ein Strei­fen feins­ten Papiers ent­kommt, auf wel­chem ein Uhr­zeit­punkt auf­ge­tra­gen wor­den ist. Sechs­sieb­zehnzwölf. Aller­bes­ten Dank, Nabo­kov, aller­bes­ten Dank! — stop — Das Radio erzählt heut fol­gen­des mit­ten in der Nacht mit der Stim­me einer jun­gen Frau: Die Bom­ben wenn sie flie­gen haben ein Pfei­fen. Und wenn sie den Boden tref­fen und explo­die­ren dann bebt die Erde. Und Split­ter flie­gen wie ein Fächer durch die Gegend und spä­ter sam­meln Men­schen die­se Split­ter in Eimern, die sie nach hau­se tra­gen. — stop

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vom sprechen

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tan­go : 16.55 UTC — Ich spre­che zu schnell, dach­te August, ich spre­che zu schnell, zu häu­fig und zu lang. Ich wer­de von nun an lang­sa­mer spre­chen und sel­te­ner und lei­se. Er hat­te sich, noch ein Kind, vor­ge­nom­men lang­sa­mer und deut­li­cher zu spre­chen, weil sei­ne Freun­de und sei­ne Eltern und sei­ne Leh­rer immer wie­der ein­mal bemerkt hat­ten, dass er viel zu viel spre­chen wür­de. Du sprichst, lie­ber August, zu lang und zu schnell. Wenn er sich erin­ner­te, ent­deck­te er zahl­rei­che Wochen, Mona­te, Tage sei­nes kur­zen Lebens, da er ver­such­te, stil­ler zu wer­den. Er war durch­aus erfolg­reich gewe­sen, aber immer nur so lan­ge er sich selbst zuhör­te und sich in Gedan­ken sag­te, lang­sam spre­chen, August, lang­sam spre­chen, jetzt hörst du auf zu spre­chen. Du sagst ein­mal zehn Minu­ten lang nichts. August sah auf sei­ne Uhr. Mut­ter frag­te ihn, wie es in der Schu­le gewe­sen war, aber August sag­te nichts, sah auf die Uhr und war­te­te. Warst du denn in der Schu­le, frag­te Mut­ter. Natür­lich, war ich in der Schu­le gewe­sen, dach­te August, ich erin­ne­re mich, gera­de eben bin ich zurück­ge­kehrt. Er sah auf die Uhr und war ganz still und er fühl­te sich wohl und dann waren zehn Minu­ten Zeit der Stil­le des klei­nen August ver­gan­gen. Kaum waren zehn Minu­ten Zeit ver­gan­gen, war August schon in den Gar­ten gerannt. Mut­ter saß im Gras in der Son­ne und schäl­te Kar­tof­feln. Heu­te habe ich kaum etwas gesagt in der Schu­le, erzähl­te August. Er sprach sehr lang­sam. Ich war ganz still, sag­te August, fast bin ich ein­ge­schla­fen. Dann habe ich etwas gesagt, aber ich war wie­der viel zu schnell. Da hab ich dann geschwie­gen, habe nur die Hälf­te erzählt von dem, was ich erzäh­len woll­te. Da bin ich dann ein­ge­nickt. Und als ich wach wur­de, habe ich die­se furcht­ba­re Stim­me gehört. — Das Radio erzählt heu­te von einem jun­gen Mann, der eine Nach­richt aus Mariu­pol an sei­ne Gelieb­te sen­de­te. Er schrieb: Ich habe Dei­ne Mut­ter in der Nähe des Kin­der­gar­tens begra­ben. — stop

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der kleine august

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ulys­ses : 16.55 UTC — Ich spre­che zu schnell, dach­te August, ich spre­che zu schnell, zu häu­fig und zu lang. Ich wer­de von nun an lang­sa­mer spre­chen und sel­te­ner und lei­se. Er hat­te sich, noch ein Kind, vor­ge­nom­men lang­sa­mer und deut­li­cher zu spre­chen, weil sei­ne Freun­de und sei­ne Eltern und sei­ne Leh­rer immer wie­der ein­mal bemerkt hat­ten, dass er viel zu viel spre­chen wür­de. Du sprichst, lie­ber August, zu lang und zu schnell. Wenn er sich erin­ner­te, ent­deck­te er zahl­rei­che Wochen, Mona­te, Tage sei­nes kur­zen Lebens, da er ver­such­te, stil­ler zu wer­den. Er war durch­aus erfolg­reich gewe­sen, aber immer nur so lan­ge er sich selbst zuhör­te und sich in Gedan­ken sag­te, lang­sam spre­chen, August, lang­sam spre­chen, jetzt hörst du auf zu spre­chen. Du sagst ein­mal zehn Minu­ten lang nichts. August sah auf sei­ne Uhr. Mut­ter frag­te ihn, wie es in der Schu­le gewe­sen war, aber August sag­te nichts, sah auf die Uhr und war­te­te. Warst du denn in der Schu­le, frag­te Mut­ter. Natür­lich, war ich in der Schu­le gewe­sen, dach­te August, ich erin­ne­re mich, gera­de eben bin ich zurück­ge­kehrt. Er sah auf die Uhr und war ganz still und er fühl­te sich wohl und dann waren zehn Minu­ten Zeit der Stil­le des klei­nen August ver­gan­gen. Kaum waren zehn Minu­ten Zeit ver­gan­gen, war August schon in den Gar­ten gerannt. Mut­ter saß im Gras in der Son­ne und schäl­te Kar­tof­feln. Heu­te habe ich kaum etwas gesagt in der Schu­le, erzähl­te August. Er sprach sehr lang­sam. Ich war ganz still, sag­te August, fast bin ich ein­ge­schla­fen. Dann habe ich etwas gesagt, aber ich war wie­der viel zu schnell. Da hab ich dann geschwie­gen, habe nur die Hälf­te erzählt von dem, was ich erzäh­len woll­te. Da bin ich dann ein­ge­nickt. Und als ich wach wur­de, habe ich die­se furcht­ba­re Stim­me gehört. — stop

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ai : IRAN

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MENSCH IN GEFAHR : “Der von der Hin­rich­tung bedroh­te Arzt Dr. Ahm­adre­za Dja­la­li wird seit sie­ben Wochen ohne Kon­takt zur Außen­welt im Evin-Gefäng­nis in Tehe­ran in Haft gehal­ten. Nach der wie­der­hol­ten Auf­for­de­rung, ihnen Kon­takt zu ihrem Man­dan­ten zu ermög­li­chen, über­gab die Gefäng­nis­ver­wal­tung sei­nen Anwält_innen Ende Dezem­ber 2020 einen unda­tier­ten Brief von Dr. Dja­la­li. Dar­in schrieb er, dass er sich seit 33 Tagen in Ein­zel­haft befin­det. Sei­ner Fami­lie und sei­nen Anwält_innen wur­de am 24. Novem­ber 2020 gesagt, dass das Todes­ur­teil von Dr. Dja­la­li inner­halb einer Woche voll­streckt wer­de und sie nun die letz­te Gele­gen­heit zu einem Video­te­le­fo­nat hät­ten. / Die Nach­richt der bevor­ste­hen­den Voll­stre­ckung lös­te inter­na­tio­na­le For­de­run­gen aus, sei­ne Hin­rich­tung zu stop­pen. Laut Amnes­ty Inter­na­tio­nal vor­lie­gen­den Infor­ma­tio­nen wur­den nach den welt­wei­ten Pro­tes­ten die Hin­rich­tungs­plä­ne am 2. Dezem­ber 2020 “auf Anwei­sung von oben” gestoppt. Am 8. Dezem­ber 2020 erfuhr die Fami­lie, dass sei­ne Hin­rich­tung um eine Woche ver­scho­ben wur­de und Ende Dezem­ber hieß es, dass die Voll­stre­ckungs­be­hör­de die Hin­rich­tung erneut um einen Monat ver­scho­ben habe. Doch die Tat­sa­che, dass sich Ahm­adre­za Dja­la­li nach wie vor in Haft ohne Kon­takt zur Außen­welt befin­det, gibt trotz der zwei Auf­schü­be gro­ßen Anlass zu der Befürch­tung, dass er jeder­zeit hin­ge­rich­tet wer­den könn­te. Denn die ira­ni­schen Behör­den pfle­gen Todeskandidat_innen im Gehei­men hin­zu­rich­ten, nach­dem sie sie in Ein­zel­haft ver­legt und ihnen dar­in den Kon­takt zur Außen­welt ver­wei­gert haben. / Dr. Ahm­adre­za Dja­la­li wur­de im Okto­ber 2017 in einem grob unfai­ren Ver­fah­ren vor der Abtei­lung 15 des Tehe­ra­ner Revo­lu­ti­ons­ge­richts wegen “Ver­dor­ben­heit auf Erden” (ifsad fil-arz) zum Tode ver­ur­teilt. Das Gericht stütz­te sich dabei haupt­säch­lich auf “Geständ­nis­se”, die laut Ahm­adre­za Dja­la­li durch Fol­ter und ande­re Miss­hand­lun­gen erzwun­gen wor­den waren. Er befand sich zu die­ser Zeit in ver­län­ger­ter Ein­zel­haft und hat­te kei­nen Zugang zu einem Rechts­bei­stand. Die Behör­den droh­ten ihm, ihn hin­zu­rich­ten und sei­ne in Schwe­den leben­den Kin­der sowie sei­ne im Iran leben­de Mut­ter zu töten oder auf ande­re Art zu ver­let­zen. Amnes­ty Inter­na­tio­nal ver­tritt die Auf­fas­sung, dass der Straf­tat­be­stand der “Ver­dor­ben­heit auf Erden” die straf­recht­li­chen Erfor­der­nis­se der Rechts­klar­heit und Genau­ig­keit nicht erfüllt und zudem dem Lega­li­täts­prin­zip und dem Grund­satz der Rechts­si­cher­heit zuwi­der­läuft. Am 9. Dezem­ber 2018 erfuh­ren die Rechts­bei­stän­de von Ahm­adre­za Dja­la­li, dass sein Todes­ur­teil vor Abtei­lung 1 des Obers­ten Gerichts­hofs sum­ma­risch bestä­tigt wor­den war, ohne dass sie die Mög­lich­keit hat­ten, Ver­tei­di­gungs­an­trä­ge im Namen ihres Man­dan­ten ein­zu­rei­chen. Min­des­tens zwei Anträ­ge auf eine gericht­li­che Über­prü­fung sei­nes Falls wur­den abge­lehnt.” - Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen bis spä­tes­tens zum 24.2.2021 unter > ai : urgent action

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ai : BELARUS

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MENSCH IN GEFAHR : “Viach­as­lau Rahash­chuks Gesund­heits­zu­stand ist so schlecht, dass er umge­hend in ein Kran­ken­haus ein­ge­wie­sen wer­den müss­te. Doch statt­des­sen befin­det er sich in der Unter­su­chungs­haft­an­stalt Nr. 6. Sei­ne Ver­let­zun­gen sind auf Fol­ter und ande­re Miss­hand­lun­gen zurück­zu­füh­ren, denen er in der Haft aus­ge­setzt war. / Der Taxi­fah­rer wur­de am Abend des 10. August in Pinsk von min­des­tens fünf Polizeibeamt_innen gewalt­sam und will­kür­lich fest­ge­nom­men, als er mit sei­ner Schwes­ter und ihrem zwölf­jäh­ri­gen Sohn spa­zie­ren ging. Am Vor­tag waren die Wahl­er­geb­nis­se der Prä­si­dent­schafts­wahl offi­zi­ell bekannt­ge­ge­ben wor­den und nach mas­si­ven Betrugs­vor­wür­fen hiel­ten die Pro­tes­te in der Stadt noch an. Viach­as­lau Rahash­chuk hat kei­ne Straf­tat began­gen und sei­ne Fest­nah­me und nach­fol­gen­de Inhaf­tie­rung sind will­kür­lich. In der Zwi­schen­zeit wur­de er nach Para­graf 293 Teil 1 des bela­rus­si­schen Straf­ge­setz­bu­ches ange­klagt, der im Zusam­men­hang mit dem Vor­wurf von “Mas­sen­un­ru­hen” steht. Bei einer Ver­ur­tei­lung dro­hen ihm bis zu 15 Jah­re Haft. / Am 11. August nahm einer der dama­li­gen Mit­häft­lin­ge von Viach­as­lau Rahash­chuk Kon­takt zu des­sen Mut­ter auf und teil­te ihr mit, dass ihr Sohn von Gefäng­nis­wär­tern schwer miss­han­delt wor­den sei. Er habe ein Häma­tom hin­ter dem Ohr, drei Schnitt­wun­den am Kopf und Prel­lun­gen an der gesam­ten Wir­bel­säu­le. Außer­dem sei­en die Gefäng­nis­kor­ri­do­re vol­ler Blut­la­chen von all den­je­ni­gen, die geschla­gen wur­den. / Seit­dem hat Viach­as­lau Rahash­chuk ein per­ma­nen­tes Klin­geln in sei­nem Kopf. Sei­ne Ange­hö­ri­gen baten einen Gefäng­nis­me­di­zi­ner dar­um, ihm eine Über­wei­sung zur Com­pu­ter-Tomo­gra­fie aus­zu­stel­len. Die­ser mein­te jedoch nur, dass es Viach­as­lau Rahash­chuk gut gehe und dass die Fami­lie wei­ter­hin Medi­ka­men­te zur Lin­de­rung der Sym­pto­me schi­cken sol­le. Glaub­wür­di­gen und aktu­el­len Berich­ten zufol­ge hat Viach­as­lau Rahash­chuk wie­der­holt für bis zu 20 Minu­ten das Bewusst­sein ver­lo­ren. Außer­dem hat er auf der lin­ken Sei­te des Brust­korbs einen Tumor ent­wi­ckelt. Die wie­der­hol­ten Bit­ten sei­ner Fami­lie, ihn einer unab­hän­gi­gen ärzt­li­chen Unter­su­chung zu unter­zie­hen, wur­den alle­samt abge­lehnt. Viach­as­lau Rahash­chuk wird die drin­gend benö­tig­te medi­zi­ni­sche Behand­lung ver­wei­gert.”- Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen bis spä­tes­tens zum 8.2.2021 unter > ai : urgent action

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