Aus der Wörtersammlung: folgen

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sekunde

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hima­la­ya : 22.37 UTC — Eine gute mensch­li­che Sekun­de könn­te fol­gend gestal­tet sein. Ich sage in die­ser Sekun­de: Komm, das ist ja inter­es­sant. Erzähl mir Dei­ne Geschich­te! — So könn­te es gehen. Auch dann, wenn ich mit Men­schen spre­che, die mir fremd sind, viel­leicht unheim­lich, Men­schen, die ich fürch­te oder zu fürch­ten habe: Komm, das ist ja inter­es­sant. Erzähl mir Dei­ne Geschich­te. — stop
ping

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von vögeln

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sier­ra : 22.08 UTC — Klei­ne oder hand­li­che flie­gen­de Foto­ap­pa­ra­te sind zunächst zu klei­nen flie­gen­den Film­ka­me­ras gewor­den. Man kann sie mit Hil­fe eines Mobil­te­le­fons und zwei­er Dau­men steu­ern. Die­se flie­gen­den, fil­men­den auf­merk­sa­men Augen schei­nen Objek­te der Vogel­welt gewor­den zu sein. Man könn­te nun wei­te­ren durch­blu­te­ten Vögeln in der Luft begeg­nen. Man könn­te ihnen fol­gen. Man könn­te gleich­wohl Men­schen besu­chen, die in höhe­ren Eta­gen städ­ti­scher Wohn­häu­ser leben. Man könn­te Men­schen betrach­ten aus dem Dun­kel her­aus, ohne viel­leicht selbst gese­hen zur wer­den. Man kann, das ist beob­ach­tet, nun seit bald zwei Jah­ren Spreng­stof­fe laden und aus grö­ße­rer Höhe zur Erde hin stür­zen. Beob­ach­ten­de Vögel sind zu Raub­vö­geln gewor­den, sie rau­ben Bil­der und töten. Die Vor­stel­lung heu­te, spa­zie­rend im Pal­men­gar­ten, die Vor­stel­lung sehr klei­ner zier­li­cher Droh­nen, die her­um­flie­gen, um da und dort in den Städ­ten und in den Wäl­dern, Pro­ben zu neh­men von Kot, aus Abfall­stof­fen der Müll­hal­den, Gewäs­sern, auch unmit­tel­bar aus den Blut­kreis­läu­fen leben­der Orga­nis­men, von Kühen und von Men­schen, denk­ba­re Wel­ten. — stop

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chatGPT

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india : 20.33 UTC — Ich stel­le ChatGPT fol­gen­de Fra­ge: Was wür­den Sie mir bit­te über fol­gen­den Text ( Im Qua­ran­tä­ne­gar­ten 2. Novem­ber 2023 ) erzäh­len, einen Text, den ich selbst geschrie­ben habe. ChatGPT ant­wor­te­te: “Ihr Text beschreibt ein­dring­lich eine Mischung aus Ver­gan­gen­heit und Gegen­wart, mit star­ken emo­tio­na­len Nuan­cen. Hier sind eini­ge Aspek­te, die mir auf­fal­len: Atmo­sphä­re und Stim­mung: Der Text erzeugt eine nach­denk­li­che und melan­cho­li­sche Atmo­sphä­re, ins­be­son­de­re durch die Erwäh­nung des Win­des, des Febru­ars und des ver­las­se­nen Hau­ses im Süden. Die Wor­te ver­mit­teln eine emo­tio­na­le Ver­bin­dung zu ver­gan­ge­nen Zei­ten und Orten. Ver­lust und Erin­ne­rung: Die Betrach­tung der Klei­der und per­sön­li­chen Gegen­stän­de ver­schwun­de­ner Men­schen bringt den Schmerz des Ver­lusts her­vor. Die Details wie Schu­he, Hals­tü­cher und der ver­wil­der­te Gar­ten ver­stär­ken das Gefühl von Abwe­sen­heit und Ver­gäng­lich­keit. Beob­ach­tun­gen und Foto­gra­fie: Die Erwäh­nung des Foto­gra­fie­rens von Schu­hen und der Ent­de­ckung von per­sön­li­chen Gegen­stän­den in einer Hand­ta­sche ver­mit­telt den Ein­druck, dass der Prot­ago­nist ver­sucht, Erin­ne­run­gen fest­zu­hal­ten oder die Ver­gan­gen­heit zu ver­ste­hen. Foto­gra­fie kann oft als Mit­tel die­nen, um Momen­te ein­zu­frie­ren und Erin­ne­run­gen zu bewah­ren. Der Schmerz des Abschieds: Der Text endet mit einer star­ken Aus­sa­ge über den Schmerz, der mit dem Gedan­ken ver­bun­den ist, die alte Dame nie wie­der besu­chen zu kön­nen. Dies ver­stärkt das Gefühl von Ver­lust und Abschied. — Ins­ge­samt ist Ihr Text sehr bild­haft und ein­fühl­sam. Er ver­mit­telt eine per­sön­li­che Erfah­rung von Ver­lust, Erin­ne­rung und dem Ver­such, die Ver­gan­gen­heit zu bewah­ren.” ::: Ers­te selt­sa­me, unheim­li­che Begeg­nung mit einer Maschi­ne in eige­nen Räu­men. Zeit für Ant­wort: 3 Sekun­den. — stop

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ein kind

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nord­pol : 0.58 — Ich stell­te mir Nach­rich­ten vor, die dazu geeig­net sind, Tele­fo­ne der Nach­rich­ten­emp­fän­ger unver­züg­lich in Brand zu set­zen. Was könn­te das für Nach­richt sein? Viel­leicht fol­gen­de Nach­richt, dass eine Geschich­te wie die­se Geschich­te hier mög­lich ist, eine Geschich­te, die von einen Kind erzählt, das in Groß­bri­tan­ni­en lebt. Das Kind, so wird erzählt, öff­ne­te zur Weih­nachts­zeit einen Geschenk­kar­ton, wel­cher in Chi­na erzeugt wor­den sein soll. In die­sem Geschenk fand das Kind einen Zet­tel sorg­fäl­tig ver­steckt, der von Hand beschrif­tet wor­den war. Auf dem gefal­te­ten Zet­tel war fol­gen­des zu lesen : S O S! Neu­gie­rig gewor­den öff­ne­te das Kind das akku­rat gefal­te­te Päck­chen Papier. Das Kind ent­deck­te Zei­chen, die mit­tels eines Kugel­schrei­bers in blau­er Far­be auf das Papier gesetzt wor­den waren. Und weil das Kind unbe­dingt in Erfah­rung brin­gen woll­te, was dort hand­schrift­lich notiert wor­den war, wur­de doe Zei­chen­fol­ge über­setzt. Von einem Ort in Chi­na war die Rede, von einem Gefäng­nis nahe einer gro­ßen Stadt im Nor­den des Lan­des, von der furcht­ba­re Not eines mensch­li­chen Wesens. Auch von der Zeit, von einem Zeittort. Bald drei Jah­re war der Brief auf Rei­sen gewe­sen, ehe das Kind auf­merk­sam gewor­den war. — stop

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im warenhaus

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nord­pol : 5.04 UTC — Denk­bar wie­der­um, dass irgend­wann ein­mal Waren­häu­ser exis­tie­ren wer­den für Ohren, Nasen, Augen, Läden also für Kop­fes Zube­hör. Auch Geschäf­te für Nie­ren, Kno­chen, Seh­nen, Haut und wei­te­re Mate­ria­li­en eines mensch­li­chen Kör­pers sind wahr­schein­lich gewor­den. Man wird, sofern man über aus­rei­chend finan­zi­el­le Mit­tel ver­fügt, wesent­li­che ana­to­mi­sche Sub­stan­zen der eige­nen Exis­tenz in zen­tra­len Maga­zi­nen voll aus­ge­wach­sen vor­rä­tig hal­ten, um in der Not ohne Ver­zö­ge­rung han­deln zu kön­nen. Fern­rei­sen­de füh­ren dann Behäl­ter mit sich, in wel­chen sich tief­ge­kühl­te Lun­gen und Her­zen befin­den. Ein ana­to­mi­scher Eis­schat­ten könn­te unse­re Lebens­zeit beglei­ten, solan­ge man noch nicht in der Lage ist, eine kom­plet­te, eine durch­blu­te­te, wil­len­lo­se Gestalt, eine Kopie der eige­nen Per­son in nächs­ter Nähe in Bereit­schaft zu hal­ten. Die­se Per­son könn­te über Rei­se­pa­pie­re ver­fü­gen, über per­sön­li­che  Klei­dung, über einen Schrank­kof­fer zum Schla­fen, über einen Stuhl zum Sit­zen, über etwas Per­so­nal, wel­ches das dop­pel­te Wesen füt­tern und baden und spa­zie­ren füh­ren wird im Gar­ten. Jedes fünf­te Jahr wür­de das Wesen erneu­ert wer­den. In den Papie­ren mei­nes Schat­tens könn­te fol­gen­de Signa­tur zu ent­de­cken sein: Lou­is / XD5878682-NOE06 24.11.18~24.11.2023. − stop
polaroidbus

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von hinten oder von der Seite her

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echo : 8.12 UTC- Ich dach­te wie­der ein­mal dar­an, dass ich den Faden einer Geschich­te mit Möwe, die mich auf einem Fähr­schiff besuch­te, ver­mut­lich so nie wie­der erle­ben wer­de. Trotz­dem beach­te­te ich in den dar­auf fol­gen­den Tagen die Erschei­nun­gen der Möwen, wel­che auf dem Dach des alten Hau­ses saßen. Etwas war anders gewor­den. Ich hat­te bemerkt, dass es sich bei dem alten Haus um ein Hotel han­del­te. Ich kann­te nun den Namen des Hotels, obwohl ich nie dort gewe­sen war, ich hat­te das Gebäu­de in der digi­ta­len Sphä­re iden­ti­fi­ziert. Tage ver­ge­hen. Plötz­lich sit­ze ich in einem Zug. Es ist spät, dun­kel drau­ßen, Men­schen in mei­ner Nähe schla­fen, von Zeit zu Zeit tau­chen Lich­ter einer Stadt oder eines Dor­fes aus der Licht­lo­sig­keit. Ich beob­ach­te einen Film auf dem Bild­schirm mei­ner Schreib­ma­schi­ne. Es geht schön laut zu in dem Film, ich tra­ge Kopf­hö­rer, und ich den­ke, wenn ich nun in ein Atten­tat gera­ten wür­de, ich wür­de mög­li­cher­wei­se das Atten­tat nicht bemer­ken, solan­ge nicht bemer­ken, bis mir jemand von hin­ten oder von der Sei­te her in den Kopf schießt, auch das wür­de ich even­tu­ell nicht bemer­ken. — Das Radio erzählt, in der Stadt Mariu­pol wür­de man im März des Jah­res 2022 Scharf­schüt­zen ent­deckt haben, die auf Haus­dä­chern lagen und auf Möwen und Men­schen schos­sen. — stop

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lichtbild

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gink­go : 0.24 UTC — Man möch­te nach lan­ger Zeit noch immer glau­ben, die fol­gen­de Bege­ben­heit könn­te rei­ne Erfin­dung gewe­sen sein, weil in unse­rer Zeit kaum vor­stell­bar ist, was ich in weni­gen Sät­ze erzäh­le. Ich hat­te mein Fern­seh­ge­rät beob­ach­tet, dort waren auf dem Bild­schirm Men­schen zu erken­nen, die auf Wagon­dä­chern eines Güter­zu­ges von Mit­tel­ame­ri­ka aus durch Mexi­ko nach Nord­ame­ri­ka reis­ten. Eine gefähr­li­che Fahrt, jun­ge Män­ner, aber auch jun­ge Frau­en, immer wie­der, so erzählt man, wur­den sie beraubt oder fie­len auf die Gelei­se und wür­den vom Zug über­rollt oder von Blit­zen hef­ti­ger Gewit­ter getrof­fen. Lang waren die Über­le­ben­den bereits unter­wegs gewe­sen, hat­ten nach eini­ger Zeit kaum noch zu essen oder zu trin­ken. Hun­ger und Durst wür­den sie ganz sicher gezwun­gen haben, vom Zug zu sprin­gen, wenn da nicht Men­schen gewe­sen wären, arme Men­schen, die ent­lang der Zug­stre­cke stan­den, um den Zug­rei­sen­den Was­ser und Nah­rungs­mit­tel in Tüten zuzu­wer­fen. Eine Frau, Maria, erzähl­te, sie und ihre Fami­lie wür­den immer wie­der hier­her kom­men zu den Zügen mit ihren Bro­ten, dabei hät­ten sie selbst nur sehr wenig zum Leben, aber das Weni­ge wür­den sie ger­ne tei­len, immer­zu habe sie das Gefühl, es sei viel zu gering, was sie unter­neh­men, um den Flüch­ten­den zu hel­fen. Bald ver­schwand sie aus dem Bild, trat in den dich­ten Wald zurück, auch der Zug ent­fern­te sich lang­sam. — Eine wei­te­re Frau, so erzählt das Radio, habe sich an die Bela­ge­rung der Stadt Lenin­grad erin­nert gefühlt nach wochen­lan­ger Bela­ge­rung der Stadt Mariu­pol, die sie erleb­te. Ich war damals noch ein Kind, sag­te sie, und jetzt bin ich alt. — stop

ping

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von den eisvögeln

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india : 8.12 UTC — Im Juli des Jah­res 2012 hat­te ich Eis­vo­gel­wör­ter ent­deckt. Ich wie­der­ho­le. Nicht erwar­te­te Viel­falt: Her­ku­les-Eis­vo­gel (Alce­do her­cu­les), Kobalt-Eis­vo­gel (Alce­do semi­t­or­qua­ta), Schil­ler­eis­vo­gel (Alce­do qua­dri­brachys), Men­in­ting-Eis­vo­gel (Alce­do men­in­ting) Azur­fi­scher (Alce­do azu­rea), Brust­band-Eis­vo­gel (Alce­do eury­zo­na), Blau­brust­fi­scher (Alce­do cya­nopec­ta), Sil­ber­fi­scher (Alce­do argen­ta­ta), Mada­gas­karzwerg­fi­scher oder Schwarz­schna­bel-Zwerg­fi­scher (Alce­do vint­sio­ides), Hau­ben-Zwerg­fi­scher oder Mala­chit-Eis­vo­gel (Alce­do cristata), Sao-Tomé-Zwerg­fi­scher (Alce­do tho­men­sis), Prin­ci­pe-Zwerg­fi­scher (Alce­do nais), Weiß­bauch-Zwerg­fi­scher (Alce­do leu­co­gas­ter), Tür­kis­fi­scher (Alce­do coe­ru­le­s­cens), Papua­fi­scher (Alce­do pus­il­la) — Auch selt­sa­me Wör­ter in fol­gen­der Nah­auf­nah­me: Der Eis­vo­gel ernährt sich von Fischen, Was­ser­in­sek­ten und deren Lar­ven, Klein­kreb­sen und Kaul­quap­pen. Er kann Fische bis neun Zen­ti­me­ter Län­ge mit einer maxi­ma­len Rücken­hö­he von zwei Zen­ti­me­tern ver­schlin­gen. Bei lang­ge­streck­ten, dün­nen Arten ver­schiebt sich die Höchst­gren­ze auf zwölf Zen­ti­me­ter Kör­per­län­ge. Die Jagd­me­tho­de des Eis­vo­gels ist das Stoß­tau­chen. Von einer pas­sen­den Sitz­war­te im oder nahe am Was­ser wird der Stoß ange­setzt. Wenn er eine mög­li­che Beu­te ent­deckt, stürzt er sich schräg nach unten kopf­über ins Was­ser und beschleu­nigt dabei meist mit kur­zen Flü­gel­schlä­gen. Die Augen blei­ben beim Ein­tau­chen offen und wer­den durch das Vor­zie­hen der Nick­haut geschützt. Ist die Was­ser­ober­flä­che erreicht, wird der Kör­per gestreckt und die Flü­gel eng ange­legt oder nach oben aus­ge­streckt. Bereits kurz vor dem Ergrei­fen der Beu­te wird mit aus­ge­brei­te­ten Flü­geln und Bei­nen gebremst. Zur Was­ser­ober­flä­che steigt er zuerst mit dem Nacken, wobei er den Kopf an die Brust gepresst hält. Schließ­lich wird der Schna­bel mit einem Ruck aus dem Was­ser geris­sen und der Vogel star­tet ent­we­der sofort oder nach einer kur­zen Ruhe­pau­se zum Rück­flug auf die Sitz­war­te. Im All­ge­mei­nen dau­ert ein Ver­such nicht mehr als zwei bis drei Sekun­den. Der Eis­vo­gel kann aber auch aus einem kur­zen Rüt­tel­flug tau­chen, wenn ein geeig­ne­ter Ansitz fehlt. Nicht jeder Tauch­gang ist erfolg­reich, er stößt oft dane­ben. Der Eis­vo­gel benö­tigt zur Bear­bei­tung der Beu­te in der Regel einen dicken Ast oder eine ande­re, mög­lichst wenig schwin­gen­de Unter­la­ge. Klei­ne­re Beu­te wird mit kräf­ti­gem Schna­bel­drü­cken oft sofort ver­schluckt. Grö­ße­re Fische wer­den auf den Ast zurück­ge­bracht, dort tot geschüt­telt oder auf den Ast geschla­gen, im Schna­bel „gewen­det“ und mit dem Kopf vor­an ver­schluckt; ande­ren­falls könn­ten sich im Schlund die Schup­pen des Fisches sträu­ben. Der Eis­vo­gel schluckt sei­ne Beu­te in einem Stück. Unver­dau­li­ches wie Fisch­kno­chen oder Insek­ten­res­te wer­den etwa ein bis zwei Stun­den nach der Mahl­zeit als Gewöl­le her­aus­ge­würgt. / quel­le: wiki­pe­dia Das Radio erzählt, in der Stadt Mariu­pol sol­len tau­sen­de Sing­vö­gel in eis­kal­ten, flucht­ar­tig ver­las­se­nen Woh­nun­gen ver­durs­tet sein. — stop

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am tiber

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nord­pol : 10.15 UTC — An einem spä­ten Abend beob­ach­te­te ich von einer Brü­cke aus einen Mann, der am Ufer des Tiber­flus­ses kau­er­te. Der Mann füt­ter­te grö­ße­re und klei­ne­re Tie­re mit sei­ner lin­ken Hand, in der rech­ten Hand hielt er eine Angel fest. Das war nicht sofort zu erken­nen gewe­sen, weil sich im Fluss und auch in der Luft über dem Fluss nichts beweg­te, nicht ein­mal das Was­ser zeig­te Strö­mung. Die Fluss­ober­flä­che schim­mer­te im Mond­licht wie ein See, und das Schilf des Ufers schien von Win­den, nicht von wil­dem Was­ser gebeugt. Da waren Schat­ten im Gras der klei­nen Insel, hun­der­te vor­wärts oder rück­wärts sprin­gen­de Sche­men. Noch nie zuvor habe ich so vie­le Rat­ten auf einen Blick gese­hen. Wie Eisen­spä­ne einer phy­si­ka­li­schen Anord­nung zur Unter­su­chung magne­ti­scher Fel­der waren sie zu dem Mann hin aus­ge­rich­tet, wir­bel­ten durch­ein­an­der, sobald der Mann Fut­ter­wa­re unter die Tie­re schleu­der­te. Dann wie­der stil­les War­ten. Eine Bisam­rat­te, scheu­er Herr­scher, enter­te das Land. — Am fol­gen­den Tag kehr­te ich mor­gens zur Nacht­brü­cke zurück. Der Mann kau­er­te noch immer nah der klei­nen Insel und angel­te im Fluss. Möwen hat­ten sich genä­hert. Rat­ten waren nur weni­ge zu sehen, aber Tau­ben. Wenn der Mann einen Fisch erbeu­te­te, warf er ihn sei­nen Freun­den vor die Füße. An den stei­len Wän­den der künst­li­chen Tiber­fas­sung da und dort blü­hen­de Büsche. Eidech­sen zün­gel­ten gegen die Son­ne. — Das Radio erzähl­te von einer Frau, die nachts um 3 Uhr im 5. Stock eines Hau­ses der Stadt Mariu­pol in ihrer Küche stand und koch­te, als die Stadt vom Krieg über­fal­len wur­de. — stop

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bienengeschichte

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lima : 18.12 UTC — Die fol­gen­de Geschich­te ist natür­lich eine erfun­de­ne Geschich­te. Ich habe sie vor Jah­ren bereits schon ein­mal erfun­den. Und wie­der wer­de ich so tun, als wäre sie nicht erfun­den. Am bes­ten begin­ne ich in die­ser ein­ge­üb­ten Wei­se: Seit zwei Wochen hal­te ich mich stun­den­lang unter frei­em Him­mel auf. Das ist des­halb so gekom­men, weil ich eine Auf­ga­be über­nom­men habe, die mir nach wie vor sehr inter­es­sant zu sein scheint. Ich beob­ach­te Bie­nen wie sie sich über eine Wie­se fort­be­we­gen. Des­halb lie­ge oder knie ich oder lau­fe gebückt dahin, den Kopf dicht über dem Boden, was nicht immer ganz leicht ist, weil Bie­nen doch sehr schnel­le Flie­ger sind. Jene Bie­nen­tie­re, die ich beob­ach­te, woh­nen in nächs­ter Nähe am Saum eines Wal­des, des­sen prä­zi­se Posi­ti­on ich nicht ver­ra­ten darf. Sie tra­gen Num­mern von 1 – 100 auf ihren Rücken, was für mei­ne Arbeit sehr bedeu­tend ist, da ich Bie­nen, die ohne eine Num­mer sind, nie­mals beach­te. So lau­tet mei­ne Instruk­ti­on, Bie­nen ohne Num­mer ist nicht zu fol­gen, viel­mehr ist solan­ge Zeit am Ran­de der Wie­se zu war­ten, bis eine Bie­ne mit Kenn­zeich­nung auf der Wie­se erscheint. Ich tra­ge eine Schirm­müt­ze gegen die Blend­wir­kung der Son­ne und eine Mon­okel­lu­pe, die vor mei­nem rech­ten Auge sitzt und mir einen prä­zi­sen Blick in die klei­ne Welt der Bie­nen in der Nähe des Bodens ermög­licht. Genau­ge­nom­men ist es mei­ne vor­neh­me Auf­ga­be, eine Bie­ne, die ich ein­mal in den Blick genom­men habe, solan­ge wie mög­lich zu beglei­ten auf ihrem Flug von Blü­te zu Blü­te. Ich bin indes­sen nicht ein­mal stumm. Ich sage zum Bei­spiel: Hier spricht Lou­is. Es ist 15 Uhr und 12 Minu­ten. Ich fol­ge Bie­ne No. 58. Wir nähern uns einer But­ter­blu­men­blü­te. Ja, das genau sage ich laut und deut­lich. Ich spre­che in ein Funk­ge­rät, von dem ich weiß, dass mir in der Fer­ne im See­bad Brigh­ton an der eng­li­schen Küs­te irgend­je­mand an einem ande­ren Funk­ge­rät zuhört. Ich sage: Hier spricht Lou­is. Bie­ne No 58: Lan­dung But­ter­blu­me. OVER! Dann betrach­te ich die Bie­ne wie sie in der Blü­te arbei­tet und war­te. Bald fliegt die Bie­ne wei­ter und ich sage kurz dar­auf: Bie­ne No 58: Lan­dung Feu­er­nel­ke. OVER! Ja, so mache ich das. Ich wer­de immer bes­ser dar­in. Ich glau­be, die Bie­nen mögen mich. Ich bin ihnen ver­traut gewor­den. In eini­gen Tagen wer­de ich viel­leicht etwas genau­er erzäh­len, war­um ich Bie­nen beob­ach­te. — Das Radio erzählt von Men­schen, die die rus­si­sche Höl­len­ma­schi­ne der Stadt Mariu­pol über­leb­ten. Man­che wür­den nun in der Frem­de lebend, Schlüs­sel ihrer ver­las­se­nen oder zer­stör­ten Woh­nun­gen in Taschen von Hosen und Män­teln und Klei­dern mit sich füh­ren. — stop