Aus der Wörtersammlung: außen

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tonspur

tonspur

del­ta : 22.32 UTC — L. erzählt, sie habe den Mann, der in einer  Woh­nung lebt, die sich hin­ter der Wand ihrer Küche befin­det, noch nie gese­hen. Seit einem Jahr hört sie sei­ne Lebens­zei­chen, ein ble­chern klin­gen­des Radio. Das Radio spielt Jazz­mu­sik. Und mensch­li­che Stim­men in ara­bi­scher, eng­li­scher, fran­zö­si­scher Spra­che. Manch­mal ein Piep­sen, viel­leicht das Piep­sen einer Mikro­wel­le. Abends fällt Licht an eine Haus­wand, er ist zu Hau­se, ein Schat­ten bewegt sich. Sie wünsch­te sich einen Tür­spi­on, durch den sie auf den Flur spä­hen könn­te. Abends oft Stim­men, als wäre die Küche vol­ler Men­schen. Nein, sie habe nicht gelauscht, die Stim­men sind laut. Schrit­te drau­ßen auf dem Flur sind nie zu hören. Das Geräusch eines Was­ser­hahns. Das Schep­pern von Metall. Ein hell sin­gen­des Glas. Türen auf und zu. Die Stim­men, die sie hört, immer abends, eine Ton­spur jun­ger Stim­men, fröh­lich. Nachts Stil­le, manch­mal spät, soeben Däm­me­rung vor den Fens­tern, wie­der Stim­men. Sie meint, ihr Nach­bar wür­de ver­mei­den, gese­hen zu wer­den. Er will nicht gese­hen wer­den, denkt sie, aber bemerkt. Sie wür­de ihm hel­fen. Unlängst, kurz vor Weih­nach­ten, hör­te sie sei­ne Woh­nungs­tür drau­ßen in nächs­ter Nähe. Sie war bereits in ihren Regen­man­tel geschlüpft. — stop

 

 

 

 

 

 

 

Lew Kope­lew und Rais­sa Orlowa
Anfang der 80er Jah­re in Crottorf.
Ver­trau­te ver­traut im
Gar­ten arbeitend.
Foto­gra­fie: Archiv
der FSO Bremen

 

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ai : UKRAINE

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MENSCHEN IN GEFAHR: Am 24. Febru­ar 2022 wur­den die Men­schen in der Ukrai­ne um 5 Uhr mor­gens von der Nach­richt geweckt, dass das rus­si­sche Mili­tär in ihr Land ein­mar­schiert ist. Mit­ten in der Nacht waren rus­si­sche Pan­zer ins Land gerollt und das Mili­tär hat­te aus meh­re­ren Rich­tun­gen ange­grif­fen. Der rus­si­sche Angriffs­krieg geht mit erschre­cken­dem Leid für die Zivil­be­völ­ke­rung in der Ukrai­ne ein­her. Die Recher­chen von Amnes­ty Inter­na­tio­nal wei­sen auf ein brei­te­res Mus­ter von Kriegs­ver­bre­chen durch rus­si­sches Mili­tär hin. Rus­si­sche Streit­kräf­te grei­fen wahl­los Wohn­ge­bie­te, Kran­ken­häu­ser und Schu­len an und set­zen dabei unter­schieds­los wir­ken­de Waf­fen und ver­bo­te­ne Streu­mu­ni­ti­on ein. Unbe­waff­ne­te Zivilist*innen wur­den in ihren Häu­sern oder auf offe­ner Stra­ße von rus­si­schen Soldat*innen erschos­sen. Russ­lands Ein­marsch in die Ukrai­ne ist ein ekla­tan­ter Ver­stoß gegen die Char­ta der Ver­ein­ten Natio­nen und ein Akt der Aggres­si­on, der ein Völ­ker­rechts­ver­bre­chen dar­stellt. Gleich­zei­tig miss­braucht Russ­land sei­ne Posi­ti­on als stän­di­ges Mit­glied des UN-Sicher­heits­rats, um sich vor Kon­se­quen­zen zu schüt­zen. Die Rus­si­sche Föde­ra­ti­on muss die­sen Akt der Aggres­si­on gegen die Ukrai­ne been­den und die Zivil­be­völ­ke­rung schüt­zen. Sie muss sich an das Völ­ker­recht hal­ten. Die Aggres­si­on nach außen wird beglei­tet von der bru­ta­len Unter­drü­ckung all jener, die sich in Russ­land gegen den Krieg posi­tio­nie­ren oder unab­hän­gig dar­über berich­ten. Seit Febru­ar 2022 wur­den nach Infor­ma­tio­nen der rus­si­schen Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on OVD-info mehr als 19.000 Men­schen im Zusam­men­hang mit Anti­kriegs­pro­tes­ten fest­ge­nom­men. Hun­der­te Gerichts­ver­fah­ren wur­den gegen sie ein­ge­lei­tet, dut­zen­de Web­sites unab­hän­gi­ger Medi­en will­kür­lich blo­ckiert und wei­te­re zivil­ge­sell­schaft­li­che Orga­ni­sa­tio­nen auf­ge­löst, fak­tisch ver­bo­ten oder als “aus­län­di­sche Agen­ten” oder “uner­wünscht” gelis­tet. Die rus­si­sche Aggres­si­on hat die Men­schen in der Ukrai­ne in eine kata­stro­pha­le Men­schen­rechts­kri­se gestürzt. In Russ­land wird jede Oppo­si­ti­on gegen den Krieg unter­drückt. Schlie­ßen wir uns zusam­men, um das sofor­ti­ge Ende die­ses Angriffs­kriegs und das Ende der Repres­sio­nen zu for­dern. Wir sind vie­le. Sen­de eine E‑Mail an den rus­si­schen Bot­schaf­ter in Deutsch­land und for­de­re das sofor­ti­ge Ende des Angriffs­kriegs, den Schutz der Zivil­be­völ­ke­rung und die Ein­hal­tung des Völ­ker­rechts. Hin­weis: Es wer­den kei­ne per­sön­li­chen Daten an die rus­si­schen Behör­den wei­ter­ge­lei­tet. > EINE E‑MAIL SCHREIBEN

 

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von hinten oder von der Seite her

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echo : 8.12 UTC — Ich dach­te wie­der ein­mal dar­an, dass ich den Faden einer Geschich­te mit Möwe, die mich auf einem Fähr­schiff besuch­te, ver­mut­lich so nie wie­der erle­ben wer­de. Trotz­dem beach­te­te ich in den dar­auf­fol­gen­den Tagen die Erschei­nun­gen der Möwen, wel­che auf dem Dach des alten Hau­ses saßen. Etwas war anders gewor­den. Ich hat­te bemerkt, dass es sich bei dem alten Haus um ein Hotel han­del­te. Ich kann­te nun den Namen des Hotels, obwohl ich nie dort gewe­sen war, ich hat­te das Gebäu­de in der digi­ta­len Sphä­re iden­ti­fi­ziert. Tage ver­ge­hen. Plötz­lich sit­ze ich in einem Zug. Es ist spät, dun­kel drau­ßen, Men­schen in mei­ner Nähe schla­fen, bis­wei­len tau­chen Lich­ter einer Stadt oder eines Dor­fes aus der Licht­lo­sig­keit. Ich beob­ach­te einen Film auf dem Bild­schirm mei­ner Schreib­ma­schi­ne. Es geht schön laut zu in dem Film, ich tra­ge Kopf­hö­rer, und ich den­ke, wenn ich in ein Atten­tat gera­ten wür­de, ich wür­de mög­li­cher­wei­se das Atten­tat nicht bemer­ken, solan­ge nicht bemer­ken, bis mir jemand von hin­ten oder von der Sei­te her in den Kopf schießt, auch das wür­de ich even­tu­ell nicht bemer­ken. — Das Radio erzählt, in der Stadt Mariu­pol wür­de man im März des Jah­res 2022 Scharf­schüt­zen ent­deckt haben, die auf Haus­dä­chern lagen und auf Möwen und Men­schen schos­sen. — stop

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ein brennender vogel

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echo : 0.10 UTC — Ich bin noch immer leicht ver­wirrt von dem, was vor weni­gen Minu­ten pas­sier­te. Ein Blitz ist mög­li­cher­wei­se in nächs­ter Nähe ein­ge­schla­gen. Ich erin­ne­re mich, ich hat­te mei­ne Fens­ter geöff­net, es begann hef­tig zu reg­nen, dann wur­de es plötz­lich still. Ich lehn­te noch an der Wand mei­nes Arbeits­zim­mers. Es roch ein wenig nach Metall, mei­ne Zun­ge schmeck­te nach einem Löf­fel von Zinn, wie frü­her, sobald ich ein Früh­stücks­ei öff­ne­te. Wenn ich mir Mühe gebe, kann ich mit mei­nem lin­ken Ohr ein lei­ses Sum­men ver­neh­men, das even­tu­ell nicht außen, son­dern innen in mei­nem Kopf sich ereig­net. Rechts ist wirk­li­che Stil­le. Aber ich kann sehen, mit bei­den Augen sehen. Ein Vogel sitzt auf mei­nem Sofa, er scheint zu bren­nen, wes­we­gen ich mich sofort auf den Weg machen wer­de, ein Glas Was­ser zu holen. Es ist selt­sam, tat­säch­lich ist die Erfah­rung der Gehör­lo­sig­keit in die­ser Nacht, die Erfah­rung voll­stän­di­ger Abwe­sen­heit eines Tei­les mei­nes Kop­fes. – Ein jun­ger Mann erzähl­te im Radio, er habe in der Stadt Mariu­pol eine Woh­nung besucht. Er sagt: Auf dem Boden lag eine tote Kat­ze in der Nähe zwei alter Men­schen, die auf einem Sofa hock­ten tot wie die Kat­ze. — stop

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ein mann mit buch

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nord­pol : 16.05 UTC — In einer Film­do­ku­men­ta­ti­on, die den Schrift­stel­ler Jona­than Fran­zen fünf Tage lang wäh­rend einer Lese­rei­se beglei­tet, fol­gen­de berüh­ren­de Sze­ne, die sich im New Yor­ker Arbeits­zim­mer des Autors ereig­net. Jona­than Fran­zen hält sei­ne Schreib­ma­schi­ne, ein preis­wer­tes Dell – Note­book, vor das Objek­tiv der Kame­ra. Er deu­tet auf eine Stel­le an der Rück­sei­te des Gerä­tes, dort soll frü­her ein­mal ein Fort­satz, eine Erhe­bung zu sehen gewe­sen sein. Er habe die­sen Fort­satz eigen­hän­dig abge­sägt. Es han­del­te sich um eine Buch­se für einen Ste­cker. Man konn­te dort das Inter­net ein­füh­ren, also eine Ver­bin­dung her­stel­len zwi­schen der Schreib­ma­schi­ne des Schrift­stel­lers und der Welt tau­sen­der Com­pu­ter da drau­ßen irgend­wo. Jona­than Fran­zen erklärt, er habe sei­nen Com­pu­ter bear­bei­tet, um der Ver­su­chung, sich mit dem Inter­net ver­bin­den zu wol­len, aus dem Weg zu gehen. Eine über­zeu­gen­de Tat. Im Moment, da ich die­se Sze­ne beob­ach­te, bemer­ke ich, dass die Ver­füg­bar­keit von Infor­ma­ti­on zu jeder Zeit auch in mei­nem Leben ein Gefühl von Gefahr, Zer­streu­ung, Belie­big­keit erzeu­gen kann. Ich schei­ne in den Zei­chen, Bil­dern, Fil­men, die her­ein­kom­men, flüs­sig zu wer­den. Dage­gen ange­neh­me Gefüh­le, wenn ich die abge­schlos­se­ne Welt eines Buches in Hän­den hal­te. — In Mariu­pol, so erzählt das Radio, soll ein alter Mann von einem Scharf­schüt­zen getö­tet wor­den sein, als er in einem Hin­ter­hof in einem Buch lesend auf einer Bank saß. — stop

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timi

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wis­key : 5.32 UTC — Vor eini­gen Jah­ren ein­mal ver­such­te ich von einem Zim­mer zu träu­men, in dem es immer­zu reg­net. Ich mach­te das so, dass ich in den Minu­ten, da ich ein­zu­schla­fen wünsch­te, über­leg­te, wie es wäre, wenn in dem Zim­mer, in dem ich mich gera­de befin­de, Regen fal­len wür­de. Die­se Metho­de des Regen­den­kens ist lei­der bis­lang nicht sehr erfolg­reich gewe­sen. Ein­mal schlief ich ein. Als ich erwach­te, hör­te ich wirk­li­chen Regen drau­ßen in den nächt­li­chen Bäu­men. Ich ging dann spa­zie­ren, dach­te fin­nisch klin­gen­de Namen aus: Satu N. Mäke­la . Annuk­ka R. Timi. Hele­na Pai­vi . Jona­than Pai­vi . Jan­ne Olli­la. Zwei die­ser aus­ge­dach­ten Namen zei­ti­gen Spu­ren wirk­li­cher Men­schen in der Sphä­re der Such­ma­schi­nen, einer scheint männ­li­cher Natur zu sein, obwohl ich ihn weib­lich über­leg­te. — Das Kurz­film­ki­no erzählt von einem leb­lo­sen Mann, der auf dem Boden eines Wal­des liegt. Ein leben­der Mann kniet dort neben ihm. Er stößt mit einem Mes­ser auf das Gesicht des leb­lo­sen Man­nes ein. Wie er das Mes­ser in das rech­te Auge des Toten stößt, seufzt er mit tie­fer Stim­me, ein Geräusch nur, kei­ne kon­kre­te Spra­che. Der Film, die Auf­nah­me eines Augen­blicks, sind in digi­ta­len Medi­en viel­fach geteilt in wei­te­re Instan­zen. Wer jener auf dem Boden lie­gen­de tote Mann ist und wer der seuf­zen­de Mann mit dem Mes­ser, wird je defi­niert durch die Urhe­ber der Inter­net­sei­te, die den Film zur Ver­fü­gung steht. Ein­mal ist es ein ukrai­ni­scher Mann, der das Mes­ser führt, dann wie­der eine rus­si­sche Per­son. — stop

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maidan 23 uhr 15 MEZ

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gink­go : 23.30 UTC — Der Platz in oran­ge­far­be­nem Licht. Eine Film­auf­nah­me von einer Web­ka­me­ra aus. Von dort Stil­le, Stil­le, die kei­ne wirk­li­che Stil­le ist, rau­schen­de Stil­le, das Geräusch des Mikro­fons selbst ver­mut­lich, wel­ches sich bemüht etwas jen­seits der Stil­le da drau­ßen ein­zu­fan­gen. Hin und wie­der, sel­ten, das Fau­chen eines Auto­mo­bi­les, auch viel­leicht Luft­sum­men von Ven­ti­la­to­ren. Dann plötz­lich Sire­nen, unheim­lich, laut, Sire­nen­ge­heul, das ich von Kind­heit her ken­ne. Als noch Tages­licht, waren Pan­zer­sper­ren zu sehen in Rich­tung umge­ben­der Stra­ßen. Um Mit­ter­nacht beginnt es leicht zu schnei­en. Kein Mensch, wirk­lich kein Mensch. In die­ser Nacht leuch­ten die Ampeln des Plat­zes rot, vor Tagen waren sie noch grün und blie­ben grün. Ver­ein­zelt Leucht­re­kla­men. Ein Auto für eine Minu­te, groß wie ein Fiat 500, ein zivi­les Fahr­zeug, viel­leicht eine Patrouil­le. Unter einer Arka­de blinkt lang­sam ein Licht: Sin­ging Moun­ta­ins — Vor­über­ge­hend geschlos­sen. Die Stadt scheint hell beleuch­tet zu sein, viel­leicht um Angrei­fer zu erfas­sen, die in Grup­pen vom Him­mel fal­len könn­ten. — stop

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ai : IRAN

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MENSCH IN GEFAHR: „Der von der Hin­rich­tung bedroh­te Arzt Dr. Ahm­adre­za Dja­la­li wird seit sie­ben Wochen ohne Kon­takt zur Außen­welt im Evin-Gefäng­nis in Tehe­ran in Haft gehal­ten. Nach der wie­der­hol­ten Auf­for­de­rung, ihnen Kon­takt zu ihrem Man­dan­ten zu ermög­li­chen, über­gab die Gefäng­nis­ver­wal­tung sei­nen Anwält_innen Ende Dezem­ber 2020 einen unda­tier­ten Brief von Dr. Dja­la­li. Dar­in schrieb er, dass er sich seit 33 Tagen in Ein­zel­haft befin­det. Sei­ner Fami­lie und sei­nen Anwält_innen wur­de am 24. Novem­ber 2020 gesagt, dass das Todes­ur­teil von Dr. Dja­la­li inner­halb einer Woche voll­streckt wer­de und sie nun die letz­te Gele­gen­heit zu einem Video­te­le­fo­nat hät­ten. / Die Nach­richt der bevor­ste­hen­den Voll­stre­ckung lös­te inter­na­tio­na­le For­de­run­gen aus, sei­ne Hin­rich­tung zu stop­pen. Laut Amnes­ty Inter­na­tio­nal vor­lie­gen­den Infor­ma­tio­nen wur­den nach den welt­wei­ten Pro­tes­ten die Hin­rich­tungs­plä­ne am 2. Dezem­ber 2020 “auf Anwei­sung von oben” gestoppt. Am 8. Dezem­ber 2020 erfuhr die Fami­lie, dass sei­ne Hin­rich­tung um eine Woche ver­scho­ben wur­de und Ende Dezem­ber hieß es, dass die Voll­stre­ckungs­be­hör­de die Hin­rich­tung erneut um einen Monat ver­scho­ben habe. Doch die Tat­sa­che, dass sich Ahm­adre­za Dja­la­li nach wie vor in Haft ohne Kon­takt zur Außen­welt befin­det, gibt trotz der zwei Auf­schü­be gro­ßen Anlass zu der Befürch­tung, dass er jeder­zeit hin­ge­rich­tet wer­den könn­te. Denn die ira­ni­schen Behör­den pfle­gen Todeskandidat_innen im Gehei­men hin­zu­rich­ten, nach­dem sie sie in Ein­zel­haft ver­legt und ihnen dar­in den Kon­takt zur Außen­welt ver­wei­gert haben. / Dr. Ahm­adre­za Dja­la­li wur­de im Okto­ber 2017 in einem grob unfai­ren Ver­fah­ren vor der Abtei­lung 15 des Tehe­ra­ner Revo­lu­ti­ons­ge­richts wegen “Ver­dor­ben­heit auf Erden” (ifsad fil-arz) zum Tode ver­ur­teilt. Das Gericht stütz­te sich dabei haupt­säch­lich auf “Geständ­nis­se”, die laut Ahm­adre­za Dja­la­li durch Fol­ter und ande­re Miss­hand­lun­gen erzwun­gen wor­den waren. Er befand sich zu die­ser Zeit in ver­län­ger­ter Ein­zel­haft und hat­te kei­nen Zugang zu einem Rechts­bei­stand. Die Behör­den droh­ten ihm, ihn hin­zu­rich­ten und sei­ne in Schwe­den leben­den Kin­der sowie sei­ne im Iran leben­de Mut­ter zu töten oder auf ande­re Art zu ver­let­zen. Amnes­ty Inter­na­tio­nal ver­tritt die Auf­fas­sung, dass der Straf­tat­be­stand der “Ver­dor­ben­heit auf Erden” die straf­recht­li­chen Erfor­der­nis­se der Rechts­klar­heit und Genau­ig­keit nicht erfüllt und zudem dem Lega­li­täts­prin­zip und dem Grund­satz der Rechts­si­cher­heit zuwi­der­läuft. Am 9. Dezem­ber 2018 erfuh­ren die Rechts­bei­stän­de von Ahm­adre­za Dja­la­li, dass sein Todes­ur­teil vor Abtei­lung 1 des Obers­ten Gerichts­hofs sum­ma­risch bestä­tigt wor­den war, ohne dass sie die Mög­lich­keit hat­ten, Ver­tei­di­gungs­an­trä­ge im Namen ihres Man­dan­ten ein­zu­rei­chen. Min­des­tens zwei Anträ­ge auf eine gericht­li­che Über­prü­fung sei­nes Falls wur­den abge­lehnt.“ - Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen bis spä­tes­tens zum 24.2.2021 unter > ai : urgent action

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maskentier No 1

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tan­go : 0.06 UTC — In einer gezeich­ne­ten Vor­stel­lung der Mas­ken­tie­re sind Augen zu bemer­ken. Das ist sehr selt­sam, weil Augen nicht eigent­lich sinn­voll oder unver­zicht­bar sind für den Zweck, dem Mas­ken­tie­re bald ein­mal die­nen wer­den. Es ist näm­lich so, dass Mas­ken­tie­re in der Lage sein soll­ten, sich auf mensch­li­che Mün­der und Nasen nie­der­zu­le­gen, um die­sel­ben zu beatmen, dem­zu­fol­ge Luft aus der Atmo­sphä­re zu ent­neh­men, um die­se even­tu­ell kon­ta­mi­nier­te Luft für Men­schen oder ande­re Tie­re sorg­fäl­tigst zu fil­tern, indem sie in Stun­den, da sie ihrer Bestim­mung fol­gen, auf viel­fäl­tig gestal­te­ten Wan­gen, Nasen­rü­cken, Hals­par­tien so dicht zu lie­gen kom­men, dass kein Gramm einer Viren­last je an ihren Rän­dern oder Enden ent­wei­chen könn­te. Es ist statt­des­sen ganz wun­der­bar sau­be­re Luft, die sie spen­den, und es ist ganz wun­der­bar sau­be­re Luft, die sie im Gegen­zug wie­der an die Welt zurück­ge­ben wer­den. Natür­lich ist denk­bar, dass kein Wort, kein Schrei durch ihre Leder­haut hin­durch nach drau­ßen drin­gen wird, es wird also stil­ler unter den Men­schen, die schwei­gen und sich sicher füh­len, sobald sie mit ihren wär­men­den Mas­ken über Stra­ßen und durch Waren­häu­ser spa­zie­ren. Dann ist Abend gewor­den, und man legt das getra­ge­ne Tier zurück in einen Behäl­ter, der mit Was­ser gefüllt ist. Dort schwim­men sie dann auf­ge­regt unter wei­te­ren Mas­ken­tie­ren her­um und erzäh­len sich Geschich­ten, was sie hör­ten und was sie gese­hen haben, wäh­rend des Tages, indes­sen sie sich säu­bern und paa­ren, um wei­te­re Mas­ken­tie­re zu erzeu­gen. — Auch Ohren, jawohl! — stop

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ai : KASACHSTAN

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MENSCH IN GEFAHR: „Aigul Ute­po­va ist eine bekann­te Blog­ge­rin und Akti­vis­tin. Sie hat 8.000 Fol­lower auf Face­book und eine gro­ße Fan­ge­mein­de sieht die Bei­trä­ge auf ihrem You­Tube-Kanal. 2015 kan­di­dier­te sie bei den Prä­si­dent­schafts­wah­len, doch zog sie ihre Kan­di­da­tur spä­ter wie­der zurück. Sie wird beschul­digt, eine Anhän­ge­rin der Oppo­si­ti­ons­par­tei Demo­kra­ti­schen Wahl Kasach­stans zu sein. Am 13. März 2018 wur­de die Par­tei will­kür­lich zu einer “extre­mis­ti­schen” Orga­ni­sa­ti­on erklärt, weil sie “zur natio­na­len Zwie­tracht auf­sta­chel­te”. Grund­la­ge für die­se Ein­ord­nung sind die vage for­mu­lier­ten Anti-Extre­mis­mus-Geset­ze in Kasach­stan. / Nach der Zwangs­ein­wei­sung von Aigul Ute­po­va in die Psych­ia­trie fürch­tet ihr Rechts­bei­stand, dass eine will­kür­li­che psych­ia­tri­sche Dia­gno­se zum Vor­wand genom­men wird, um sie zwangs­wei­se “behan­deln” und lan­ge in der Anstalt fest­hal­ten zu kön­nen. Bei einem Ver­such, Aigul Ute­po­va am 23. Novem­ber zu besu­chen, wur­de dem Rechts­bei­stand und einer Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen mit­ge­teilt, dass die Jor­u­na­lis­tin kei­nen Kon­takt zur Außen­welt haben dür­fe. / Dass Per­so­nen, die die Regie­rung kri­ti­sie­ren oder sich gegen bestimm­te Inter­es­sen­grup­pen stel­len, zwangs­wei­se unter psych­ia­tri­sche Beob­ach­tung gestellt wer­den, ist in Kasach­stan nicht unge­wöhn­lich. 2019 ent­schied der UN-Men­schen­rechts­aus­schuss, dass Zina­idi Muk­hor­to­va will­kür­li­cher Inhaf­tie­rung, Fol­ter und ande­rer Miss­hand­lung aus­ge­setzt war. Die Anwäl­tin war fünf Mal gegen ihren Wil­len in eine psych­ia­tri­sche Ein­rich­tung ein­ge­wie­sen und dort “behan­delt” wor­den. / Aigul Ute­po­va hät­te nie­mals straf­recht­lich ver­folgt und unter Haus­ar­rest gestellt wer­den dür­fen. Die­se Maß­nah­me ver­stößt gegen kasa­chi­sches Recht, das Haus­ar­rest nur in Fäl­len vor­sieht, bei denen die Höchst­stra­fe fünf Jah­re oder mehr beträgt. Außer­dem muss sach­lich begrün­det wer­den, wes­halb weni­ger restrik­ti­ve Maß­nah­men nicht ange­wen­det wer­den kön­nen. Die Ver­fol­gung und der Haus­ar­rest von Aigul Ute­po­va sind als Ver­gel­tungs­maß­nah­men für ihre unver­blüm­te Kri­tik an der Regie­rung ein­zu­ord­nen.” - Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen bis spä­tes­tens zum 18.1.2021 unter > ai : urgent action

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