Aus der Wörtersammlung: http

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vom nachtlicht

pic

nord­pol : 20.55 UTC – Vor Jah­ren ein­mal hat­te ich an die­ser Stel­le über Win­ter­kä­fer nach­ge­dacht, es war zur Win­ter­zeit. Ich ent­deck­te sehr bald einen noch namen­lo­sen Käfer, der ohne Aus­nah­me paar­wei­se erschei­nen und weich sein soll­te wie eine Schne­cke, auch von der Kör­per­tem­pe­ra­tur der Men­schen und genau­so groß, dass er sich in die Augen­höh­len Schla­fen­der zu schmie­gen ver­mag. Dort, stell­te ich mir vor, wür­de der noch namen­lo­se Käfer sich nicht nur als Nacht­schirm begnü­gen, viel­mehr wür­de er sich lang­sam auf und ab bewe­gen und in die­ser Wei­se, sehr ent­span­nen­de Polar­licht­spie­le von mil­der, beru­hi­gen­der Lumi­nes­zenz erzeu­gen. — stop

 

 

Ina­ri­see
langsam
wanderndes
Polarlicht
/
Ursprung
INARI

 

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eine feder

feder

sier­ra : 12.28 UTC – An einer Gren­ze, weit ent­fernt, sind Tag ein, Tag aus, Höl­len­ge­räu­sche zu ver­neh­men. Er las ein elek­tri­sches Buch auf dem Bild­schirm sei­ner fla­chen Schreib­ma­schi­ne über die­se selt­sa­men Geräu­sche, die an der Gren­ze zu Nord­ko­rea weit­hin zu hören sein sol­len. Das Buch war ein Roman, der Roman ein umfang­rei­ches Buch. Zum ers­ten Mal las er einen umfang­rei­chen elek­tri­schen Roman in der Beglei­tung eines Buches von Papier, das neben sei­ner Schreib­ma­schi­ne auf dem Tisch lag. Jedes Mal, wenn er eine digi­ta­le Sei­te auf sei­nem Bild­schirm berühr­te, damit sie weg­flog, um einer neu­en Sei­te Platz zu bie­ten, blät­ter­te er gleich­wohl eine Sei­te des Papier­bu­ches um. Das Papier­buch ver­füg­te über kei­ner­lei Schrift­zei­chen, es war sorg­fäl­tig gebun­den, in einem zitro­nen­gel­ben Umschlag, lee­re kräf­ti­ge Blät­ter. Ehe er zu lesen begann, zähl­te er die Sei­ten ab, die das elek­tri­sche Buch, das er zu lesen plan­te, in der Gestalt eines gebun­de­nen Buches ver­fü­gen wür­de. Das nun ist also wird zu lesen sein, sag­te er sich, und er leg­te eine Feder genau an jene Stel­le in das Buch, an der der Roman, der von fer­nen Höl­len­ge­räu­sche erzählt, enden wür­de. So könn­te es funk­tio­nie­ren, dach­te er. Die Feder, sein Lese­zei­chen, war ein­mal die Feder einer Möwe gewe­sen.  — stop

Geräu­sche
zum Fürchten

 

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louis

9

alpha : 20.02 UTC — Am 6. Juli 1978 notiert Wil­helm Gen­a­zi­no Fol­gen­des > Geheim­nis­se des Woh­nens: Im Som­mer: eine ein­zel­ne Flie­ge ist im Zim­mer: Sie stößt manch­mal an eine Schei­be, fällt aber sonst kaum auf, lässt auch den Bewoh­ner in Ruhe. Ange­neh­mes Gefühl, mit einem sol­chen Tier einen Nach­mit­tag zu ver­brin­gen. — Flie­ge Lou­is, von der ich kürz­lich erzähl­te, sitzt seit drei Tagen bereits reg­los auf mei­nem Küchen­tisch, als wür­de sie medi­tie­ren oder schla­fen oder war­ten. Es ist hell gewor­den, dann wie­der dun­kel, und wie­der hell. Unver­än­dert sitzt Flie­ge Lou­is, seit drei Pha­sen der Dun­kel­heit bereits auf mei­nem Küchen­tisch, als wür­de sie medi­tie­ren oder schla­fen oder war­ten. Noch immer bewe­ge ich mit behut­sam. — stop

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Paris
im Sommer
kurz nach
Sars-Cov‑2
Am Montmartre

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ai : JORDANIEN

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MENSCH IN GEFAHR: „Dem syri­schen Flücht­ling Ati­ya Moham­mad Abu Salem droht unmit­tel­bar die Abschie­bung aus Jor­da­ni­en. Er lebt seit zwölf Jah­ren in Jor­da­ni­en und ist Jour­na­lis­mus­stu­dent und frei­be­ruf­li­cher Videofilmer./ Am 9. April wur­de Ati­ya Moham­mad Abu Salem in al-Rabieh in Amman von Sicher­heits­kräf­ten fest­ge­nom­men, als er eine pro­pa­läs­ti­nen­si­sche Pro­test­kund­ge­bung in der Nähe der israe­li­schen Bot­schaft fil­men woll­te. Die Sicher­heits­kräf­te infor­mier­ten ihn nicht über die Grün­de für sei­ne Fest­nah­me und ver­hör­ten ihn ohne einen Rechts­bei­stand. Nach Anga­ben sei­nes Rechts­bei­stands droh­ten die Sicher­heits­kräf­te Ati­ya Moham­mad Abu Salem mit Abschie­bung und zwan­gen ihn, sein Tele­fon zur Über­prü­fung zu ent­sper­ren. Er wur­de weder der Jus­tiz über­ge­ben noch wegen einer Straf­tat ange­klagt. Den­noch erhielt sein Rechts­bei­stand die Infor­ma­ti­on, dass ein Abschie­bungs­be­fehl für sei­nen Man­dan­ten aus­ge­stellt wor­den sei. / Eine Rechts­hil­fe­or­ga­ni­sa­ti­on hat im Namen des Flücht­lings vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt Rechts­mit­tel ein­ge­legt. In Syri­en wäre Ati­ya Moham­mad Abu Salem nicht sicher. Amnes­ty Inter­na­tio­nal und ande­re Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen haben über die Jah­re hin­weg durch­ge­hend schwe­re Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen gegen Flücht­lin­ge doku­men­tiert, die rechts­wid­rig nach Syri­en abge­scho­ben wur­den. So sind die syri­schen Sicher­heits­kräf­te u. a. für will­kür­li­che Fest­nah­men, Fol­te­run­gen und Ver­schwin­den­las­sen ver­ant­wort­lich. Gemäß den Bestim­mun­gen des Völ­ker­rechts müs­sen die jor­da­ni­schen Behör­den den Abschie­bungs­be­fehl gegen Ati­ya Moham­mad Abu Salem unver­züg­lich auf­he­ben und ihn frei­las­sen, sofern er nicht umge­hend einer inter­na­tio­nal aner­kann­ten Straf­tat ange­klagt wird. Soll­te er ange­klagt wer­den, so muss dies vor einem ordent­li­chen Gericht und unter Ein­hal­tung sei­ner Ver­fah­rens­rech­te gesche­hen.” — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen unter > ai : urgent action

 

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rose

2

kili­man­dscha­ro : 18.15 — In einem schat­ti­gen Laden nahe der Roo­se­velt Island Tram­way Basis­sta­ti­on West war­te­te ein alter Mann hin­ter einem Tre­sen. Er war ver­mut­lich ame­ri­ka­ni­scher Staats­bür­ger, aber eher chi­ne­si­schen Ursprungs. Als ich von dem klei­nen Park her, des­sen Lin­den­bäu­me Küh­le spen­de­ten, in den Laden trat, ver­beug­te sich der Mann, grüß­te, er kann­te mich bereits, wuss­te, dass ich mich für Schne­cken inter­es­sie­re, für Was­ser­schne­cken prä­zi­se, auch für wan­dern­de See­ane­mo­nen­bäu­me, und für Pra­li­nen, die unter der Was­ser­ober­flä­che, also im Was­ser, hübsch anzu­se­hen sind, schwe­ben­de Ver­su­chun­gen, ohne sich je von selbst auf­zu­lö­sen. An die­sem hei­ßen Som­mer­abend kamen wir sofort ins Gespräch. Ich erzähl­te dem alten Mann, ich wür­de nach einem beson­de­ren Geschenk suchen für ein Kie­men­mäd­chen namens Rose. Sie sei zehn Jah­re alt und nicht sehr glück­lich, da sie schon lan­ge Zeit den Wunsch ver­spür­te, wie ande­re Kin­der ihres Alters zur Schu­le zu gehen, leib­haf­tig am Unter­richt teil­zu­neh­men, nicht über einen Bild­schirm mit einem fer­nen Klas­sen­raum ver­bun­den. Ich glau­be, ich war genau zu dem rich­ti­gen Zeit­punkt in den Laden gekom­men, denn der alte, chi­ne­sisch wir­ken­de Mann, freu­te sich. Er mach­te einen hel­len, pfei­fen­den Ton, ver­schwand in sei­nen Maga­zi­nen, um kurz dar­auf eine Rei­he von Spiel­do­sen auf dem Tre­sen abzu­stel­len. Das waren Wal­zen- und Loch­plat­ten­spiel­do­sen mit Kur­bel­wer­ken, die der Ladung einer Feder­span­nung dien­ten. Vor einer Stun­de gelie­fert, sag­te der alte Mann, sie machen schau­er­lich schö­ne Geräu­sche im Was­ser! Man kön­ne, setz­te er hin­zu, sofern man sich in dem­sel­ben Was­ser der Spiel­do­sen befän­de, die fei­nen Stö­ße ihrer mecha­ni­schen Wer­ke über­all auf dem Kör­per spü­ren. Bald leg­te er eine der Dosen in ein Aqua­ri­um ab, in wel­chem Zwerg­see­ro­sen sie­del­ten. Kurz dar­auf fuhr ich mit der Tram nach Roo­se­velt Island rüber. Das Musik­werk, Ben­ny Good­man, das ich für Rose erstan­den hat­te, war in das Gehäu­se einer Jakobs­mu­schel ver­senkt. Die Schne­cke leb­te, wes­we­gen ich tropf­te, weil der Beu­tel, in dem ich Roses Geschenk trans­por­tier­te, über eine undich­te Stel­le ver­füg­te. Gegen Mit­ter­nacht, ich war gera­de ein­ge­schla­fen, öff­ne­te tief in mei­nem rech­ten Ohr knis­ternd eine Zwerg­see­ro­se ihre Blü­te. — Das Radio erzählt an die­sem war­men Tag im Mai von einer alten Dame, die in Mariu­pol auf offe­ner Stra­ße von einem Scharf­schüt­zen erschos­sen wor­den sein soll. — stop

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homs vor jahren nah

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papa : 0.28 — Vor weni­gen Jah­ren ent­deck­te ich einen Film, der selt­sa­mer­wei­se eini­ge Tage spä­ter auf der Posi­ti­on, da ich ihn im Inter­net bemerkt hat­te, nicht län­ger anzu­tref­fen war. Der Film, so wird erzählt, war von einer Droh­ne aus auf­ge­nom­men wor­den, einem künst­li­chen Vogel, der über und durch die Stra­ßen der Stadt Homs gesteu­ert wor­den war. Bei­na­he hät­te ich notiert, die Droh­ne, sie muss ein recht gro­ßes Gerät gewe­sen sein, sei durch die Stra­ßen der Stadt geirrt, aber für die­ses Wort irren flog die Droh­ne viel zu sou­ve­rän her­um und über Häu­ser hin­weg, sie beweg­te sich wie eine pro­fes­sio­nel­le Film­droh­ne einer Hol­ly­wood­pro­duk­ti­on, oder aber so, als wäre sie an einem mit Luft gefe­der­ten Schwenk­kran befes­tigt, sie beweg­te sich erschüt­te­rungs­frei durch die Luft, kei­ner­lei Druck­wel­le, kein Wind weit und breit. Was wir sehen, wenn wir die­sen Film betrach­ten, ist eine fürch­ter­lich zer­stör­te Stadt. Ich habe die­se Art Ver­wüs­tung auf Foto­gra­fien gese­hen, der Stadt Mün­chen oder Ber­lins oder Frank­furts, die im Jahr 1945 auf­ge­nom­men wor­den waren. Ich erin­ne­re mich, man sah dort Men­schen, die mit Eimern in lan­gen Rei­hen hin­ter­ein­an­der stan­den, um Stei­ne in einer Ket­te zu trans­por­tie­ren, oder Men­schen mit Kin­der­wa­gen, in wel­chen Kar­tof­fel­sä­cke lagen, Men­schen mit Ruck­sä­cken und Men­schen mit Kof­fern, die sie über Schutt­ber­ge wuch­te­ten. Im meh­re­re Minu­ten andau­ern­den Flug über und durch die Stadt Homs war jedoch kein Mensch zu erken­nen. Mehr­fach habe ich den Film vor und zurück­ge­spielt, nein, kein Mensch war zu sehen, nicht ein ein­zi­ger Mensch, sosehr ich mei­ne Augen bemüh­te, nicht ein­mal Geis­ter. — stop /Kof­fer­text

ping

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giuseppi logan

9

marim­ba : 2.28 UTC — Ich lese in Doro­thy Bak­ers Roman Young Man With A Horn. Plötz­lich den­ke ich an Giu­sep­pi Logan (Hört ihm zu!) dem ich im Jahr 2010 im Thomp­kins Squa­re Park per­sön­lich begeg­net sein könn­te. Vie­le Tage sind ver­gan­gen, seit ich eine Geschich­te gele­sen habe, von der ich mich sagen hör­te, sie sei eine Geschich­te, die ich nie wie­der ver­ges­sen wer­de, die Geschich­te selbst und auch nicht, dass sie exis­tiert, dass sie sich tat­säch­lich ereig­ne­te, eine Geschich­te, an die ich mich erin­nern soll­te selbst dann noch, wenn ich mei­nen Com­pu­ter und sei­ne Datei­en, mei­ne Notiz­bü­cher, mei­ne Woh­nung, mei­ne Kar­tei­kar­ten wäh­rend eines Erd­be­bens ver­lie­ren wür­de, alle Ver­zeich­nis­se, die ich stu­die­ren könn­te, um auf jene Geschich­te zu sto­ßen, wenn sie ein­mal nicht gegen­wär­tig sein wür­de. Die­se Geschich­te, ich erzäh­le eine kur­ze Fas­sung, han­delt von Giu­sep­pi Logan, der in New York lebt. Er ist Jazz­mu­si­ker, ein Mann von dunk­ler Haut. Logan, so wird berich­tet, atme Musik mit jeder Zel­le sei­nes Kör­pers in jeder Sekun­de sei­nes Lebens. In den 60er-Jah­ren spiel­te er mit legen­dä­ren Künst­lern, nahm eini­ge bedeu­ten­de Free­jazz­plat­ten auf, aber dann war die Stadt New York zu viel für ihn. Er nahm Dro­gen und war plötz­lich ver­schwun­den, man­che sei­ner Freun­de ver­mu­te­ten, er sei gestor­ben, ande­re spe­ku­lier­ten, er könn­te in einer psych­ia­tri­schen Anstalt ver­ges­sen wor­den sein. Ein Mann wie ein Black­out. Über 30 Jah­re war Giu­sep­pi Logan ver­schol­len, als man ihn vor weni­gen Jah­ren in einem New Yor­ker Park lebend ent­deck­te. Er exis­tier­te damals noch ohne Obdach, man erkann­te ihn an sei­nem wil­den Spiel auf einem zer­beul­ten Saxo­fon, ein­zig­ar­ti­ge Geräu­sche. Freun­de besorg­ten ihm eine Woh­nung, eine Plat­te wur­de auf­ge­nom­men, und so kann man ihn nun wie­der spie­len hören, live, weil man weiß, wo er sich befin­det von Zeit zu Zeit, im Tomp­kins Squa­re Park näm­lich zu Man­hat­tan. Es ist ein klei­nes Wun­der, das mich sehr berührt. Ich will es unter der Wort­bo­je Giu­sep­pi Logan in ein Ver­zeich­nis schrei­ben, das ich aus­wen­dig ler­nen wer­de, um alle die Geschich­ten wie­der­fin­den zu kön­nen, die ich nicht ver­ges­sen will. — Heu­te las ich, dass der alte Mann im April 2020 im Law­rence Nur­sing Care Cen­ter in Far Rocka­way, Queens wäh­rend der COVID-19-Pan­de­mie in New York City an den Fol­gen einer SARS-CoV-2-Infek­ti­on gestor­ben ist. — stop

 

Foto­gra­phie Jon Rawlinson

„Nie­mand klang in einem Ensem­ble so wie
Giu­sep­pi [Logan]. Bei sei­nem Spiel hielt er sei­nen Kopf weit zurück;
dazu erklär­te er: „Auf die­se Art ist mei­ne Keh­le weit offen“,
so konn­te er mehr Luft ein­zie­hen. Er spiel­te in einem
Umfang von vier Okta­ven auf dem Alt­sa­xo­phon. Was
ihn als Impro­vi­sa­tor von ande­ren unterschied,
war die Art, wie er sei­ne Noten platzierte
und damit einen bestimm­ten Klang schuf,
dem die ande­ren der Grup­pe dann folgten.
Sei­ne Stü­cke waren aus die­sem Grund sehr
attrak­tiv; Giu­sep­pi hat­te sei­ne ganz eigenen
Ansich­ten über Musik …“ – Bill Dixon

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loop

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romeo : 0.58 UTC — Noch ehe ich das Fern­seh­ge­rät in Gang set­ze, weiß ich was gespielt wird. Viel­leicht wird es mich im Herbst wie­der fröh­li­cher stim­men? Seit heu­te ver­fü­ge ich über einen fei­nen Pin­sel, mit dem ich Kaf­fee­pu­der aus den Maga­zi­nen mei­ner Kaf­fee­müh­le fächern wer­de. Als ich Kind war, lern­te ich, dass ich mit einem Pin­sel die­ser Art nicht in Farb­töp­fe fah­ren darf. Wie es wohl kommt, dass Geschich­ten plötz­lich wie aus dem Nichts ent­ste­hen? Die Geschich­te von den Apfel­bäu­men zum Bei­spiel. Im Radio mor­gens noch war von Haar­pin­seln und Bie­nen die Rede gewe­sen. — stop
ping

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sandwellenwinde

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alpha : 22.18 UTC — Man kann Geschich­ten erzäh­len über das, was man foto­gra­fiert, das ahne ich schon lan­ge. Vater bei­spiels­wei­se erzähl­te, wie er mit Mut­ter an einem hei­ßen Nach­mit­tag Coney Island besuch­te, wie sie im war­men Sand sit­zen, wie er sei­ner gelieb­ten Frau berich­tet, dass er schon ein­mal an die­sem Ort gewe­sen sei, da kann­ten sie sich bereits. Vie­le Jah­re spä­ter wer­de ich mei­nem Vater erzäh­len, dass ich eine Foto­gra­fie besuch­te, die er gefer­tigt hat­te, als ich noch nicht ganz fünf Jah­re alt gewe­sen war. Ich sag­te: Es ist, lie­ber Vater, tat­säch­lich, wie Du berich­test. Man fährt eine hal­be Stun­de mit der Sub­way vom Washing­ton Squa­re aus in süd­west­li­che Rich­tung, dann ist man am atlan­ti­schen Meer und der Him­mel hell über dem Was­ser. Hef­ti­ge Sand­wel­len­win­de fau­chen mir über die Stirn, wie ich auf die­sem Boden gehe, der fest ist. Zer­bro­che­ne Muscheln, Scher­ben von bun­tem Glas, Som­mer­be­stecke, Schu­he, Wod­ka­fla­schen, Lip­pen­stif­te, Holz, Kno­chen. Da und dort haben sich schar­fe Kan­ten gebil­det unter der stren­gen Hand der Win­ter­stür­me, dunk­le, fes­te Struk­tu­ren, in wel­chen sich Spu­ren mensch­li­cher Füße fin­den, als wären sie ver­stei­nert. Bald Brigh­ton Beach. An den Wän­den der Häu­ser ent­lang der See­pro­me­na­de sit­zen alte rus­si­sche Frau­en, wohl ver­packt, auf­ge­ho­ben in die­sem Bild fros­ti­ger Tem­pe­ra­tur. Aber der Schnee fehlt. Und Mr. Isaac Bas­he­vis Sin­ger, der hier spa­zier­te lang vor mei­ner Zeit. — stop

ping

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ai : IRAN

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MENSCH IN GEFAHR: „Der von der Hin­rich­tung bedroh­te Arzt Dr. Ahm­adre­za Dja­la­li wird seit sie­ben Wochen ohne Kon­takt zur Außen­welt im Evin-Gefäng­nis in Tehe­ran in Haft gehal­ten. Nach der wie­der­hol­ten Auf­for­de­rung, ihnen Kon­takt zu ihrem Man­dan­ten zu ermög­li­chen, über­gab die Gefäng­nis­ver­wal­tung sei­nen Anwält_innen Ende Dezem­ber 2020 einen unda­tier­ten Brief von Dr. Dja­la­li. Dar­in schrieb er, dass er sich seit 33 Tagen in Ein­zel­haft befin­det. Sei­ner Fami­lie und sei­nen Anwält_innen wur­de am 24. Novem­ber 2020 gesagt, dass das Todes­ur­teil von Dr. Dja­la­li inner­halb einer Woche voll­streckt wer­de und sie nun die letz­te Gele­gen­heit zu einem Video­te­le­fo­nat hät­ten. / Die Nach­richt der bevor­ste­hen­den Voll­stre­ckung lös­te inter­na­tio­na­le For­de­run­gen aus, sei­ne Hin­rich­tung zu stop­pen. Laut Amnes­ty Inter­na­tio­nal vor­lie­gen­den Infor­ma­tio­nen wur­den nach den welt­wei­ten Pro­tes­ten die Hin­rich­tungs­plä­ne am 2. Dezem­ber 2020 “auf Anwei­sung von oben” gestoppt. Am 8. Dezem­ber 2020 erfuhr die Fami­lie, dass sei­ne Hin­rich­tung um eine Woche ver­scho­ben wur­de und Ende Dezem­ber hieß es, dass die Voll­stre­ckungs­be­hör­de die Hin­rich­tung erneut um einen Monat ver­scho­ben habe. Doch die Tat­sa­che, dass sich Ahm­adre­za Dja­la­li nach wie vor in Haft ohne Kon­takt zur Außen­welt befin­det, gibt trotz der zwei Auf­schü­be gro­ßen Anlass zu der Befürch­tung, dass er jeder­zeit hin­ge­rich­tet wer­den könn­te. Denn die ira­ni­schen Behör­den pfle­gen Todeskandidat_innen im Gehei­men hin­zu­rich­ten, nach­dem sie sie in Ein­zel­haft ver­legt und ihnen dar­in den Kon­takt zur Außen­welt ver­wei­gert haben. / Dr. Ahm­adre­za Dja­la­li wur­de im Okto­ber 2017 in einem grob unfai­ren Ver­fah­ren vor der Abtei­lung 15 des Tehe­ra­ner Revo­lu­ti­ons­ge­richts wegen “Ver­dor­ben­heit auf Erden” (ifsad fil-arz) zum Tode ver­ur­teilt. Das Gericht stütz­te sich dabei haupt­säch­lich auf “Geständ­nis­se”, die laut Ahm­adre­za Dja­la­li durch Fol­ter und ande­re Miss­hand­lun­gen erzwun­gen wor­den waren. Er befand sich zu die­ser Zeit in ver­län­ger­ter Ein­zel­haft und hat­te kei­nen Zugang zu einem Rechts­bei­stand. Die Behör­den droh­ten ihm, ihn hin­zu­rich­ten und sei­ne in Schwe­den leben­den Kin­der sowie sei­ne im Iran leben­de Mut­ter zu töten oder auf ande­re Art zu ver­let­zen. Amnes­ty Inter­na­tio­nal ver­tritt die Auf­fas­sung, dass der Straf­tat­be­stand der “Ver­dor­ben­heit auf Erden” die straf­recht­li­chen Erfor­der­nis­se der Rechts­klar­heit und Genau­ig­keit nicht erfüllt und zudem dem Lega­li­täts­prin­zip und dem Grund­satz der Rechts­si­cher­heit zuwi­der­läuft. Am 9. Dezem­ber 2018 erfuh­ren die Rechts­bei­stän­de von Ahm­adre­za Dja­la­li, dass sein Todes­ur­teil vor Abtei­lung 1 des Obers­ten Gerichts­hofs sum­ma­risch bestä­tigt wor­den war, ohne dass sie die Mög­lich­keit hat­ten, Ver­tei­di­gungs­an­trä­ge im Namen ihres Man­dan­ten ein­zu­rei­chen. Min­des­tens zwei Anträ­ge auf eine gericht­li­che Über­prü­fung sei­nes Falls wur­den abge­lehnt.“ - Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen bis spä­tes­tens zum 24.2.2021 unter > ai : urgent action

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