Aus der Wörtersammlung: explosion

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eine taube

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lima : 22.12 UTC — Die Bil­der des letz­ten Films, den mein Vater mit sei­nem Foto­ap­pa­rat auf­ge­nom­men hat­te, zei­gen sei­ne Hose, sei­ne Schu­he, Trep­pen­stu­fen, eine Tau­be. Als ich die digi­ta­len Foto­gra­fien für mei­nen Vater auf sei­nem Com­pu­ter öff­ne­te, hock­te der alte Mann in der Betrach­tung sei­nes letz­ten Films vor dem Bild­schirm und klick­te immer schnel­ler wer­dend von Bild zu Bild. Er sag­te, dass er sich an das, was er foto­gra­fiert hat­te, genau erin­ne­re. Da war eine Land­schaft nahe Prag durch das Zug­fens­ter auf­ge­nom­men, da war eine wei­te­re Land­schaft, kurz nach­dem der Zug den Pra­ger Bahn­hof ver­las­sen hat­te, da war ein tan­zen­des Paar auf einem Donau­rei­se­schiff nahe Buda­pest. Und da war Mut­ter, die neben einem Ret­tungs­boot des­sel­ben Schif­fes stand und lächel­te. Vater hat­te unge­fähr 50 Auf­nah­men gefer­tigt, jede der Auf­nah­men zeig­te nun sei­ne Schu­he, sei­ne Hose oder eben eine Tau­be, die zu sei­nen Füßen Brot­kru­men pick­te. Er war ver­zwei­felt. Da stand ich lei­se auf und such­te nach sei­ner Kame­ra. Ich bin doch nicht ver­rückt gewor­den, sag­te Vater. Nein, ant­wor­te­te ich, schau her, Du bist nicht ver­rückt gewor­den! Vater nahm sei­ne Kame­ra in die Hand. Er schüt­tel­te den klei­nen, fla­chen Appa­rat und sag­te: Na, das ist mein viel­leicht selt­sams­ter Film gewor­den. Die­se Tau­be hier, da waren wir schon auf dem Schiff gewe­sen. Es war Nach­mit­tag. Ich muss etwas an der Kame­ra ver­stellt haben. Die­ses Räd­chen hier könn­te es gewe­sen sein. Immer Sekun­den zu spät. Na sowas, sag­te Vater. — stop

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vom denken

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echo : 5.58 UTC — Der Mathe­ma­ti­ker John von Neu­mann soll in der Lage gewe­sen sein, 100 mal schnel­ler zu den­ken als „gewöhn­li­che“ Men­schen den­ken. In dem Moment, da ich die­se Infor­ma­ti­on wahr­ge­nom­men hat­te, ver­such­te ich mir vor­zu­stel­len, wie sich mei­ne inne­re Stim­me, die Stim­me bewuss­ten Den­kens, ver­hal­ten wür­de, sobald ich in mei­nem Kopf plötz­lich in 100-facher Geschwin­dig­keit zu mir oder mit mir selbst spre­chen wür­de. Könn­te ich die­ses Geräusch über­haupt noch als Spra­che iden­ti­fi­zie­ren? Wäre von einem Hoch­ge­schwin­dig­keits­ort aus die Denk­stim­me eines „gewöhn­li­chen“ Men­schen im vir­tu­el­len Schall­ohr über­haupt noch wahr­zu­neh­men? Dif­fi­zi­le Fra­gen an die­sem frü­hen Mor­gen. Wie könn­te ich mei­ne Gedan­ken noch notie­ren, da sich mei­ne Hän­de sehr plötz­lich 100 mal schnel­ler bewe­gen müss­ten als zuvor, um mei­ne Gedan­ken auf Papier oder das Licht des Bild­schirms zu über­tra­gen. Viel­leicht wür­de ich nur noch Ergeb­nis­se mei­nes Den­kens notie­ren oder in mathe­ma­ti­schen For­men phan­ta­sie­ren. In jedem Fal­le wäre das Notie­ren mit Hän­den auf einer Tas­ta­tur, ein Vor­gang der Ent­schleu­ni­gung. Edward Tel­ler, der die Was­ser­stoff­bom­be erfun­den haben soll, kann­te John von Neu­mann per­sön­lich, weil sie gemein­sam arbei­te­ten. John von Neu­mann berech­ne­te die Höhe über dem Erd­bo­den, da eine Atom­bom­be im dem Augen­blick der Explo­si­on ihre größ­te Zer­stö­rungs­kraft ent­fal­ten wür­de. Mein Vater wie­der­um kann­te Edward Tel­ler per­sön­lich. Er war ein jun­ger Mann, als er Edward Tel­ler begeg­ne­te. Edward Tel­ler sei ihm sehr unheim­lich gewe­sen, erzähl­te mein Vater. — stop
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aleppo

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hima­la­ya : 0.02 — Viel­leicht darf ich fol­gen­den Bericht in vol­ler Län­ge wie­der­ge­ben. Der jun­ge Jour­na­list Zou­hir al Shim­le berich­tet via E‑Mail für Die Zeit: Seit Alep­po bela­gert ist, flie­gen Assads Trup­pen und sei­ne Ver­bün­de­ten jeden Tag Luft­schlä­ge auf die Vier­tel der Rebel­len, also auch dort, wo ich lebe. Unun­ter­bro­chen dröh­nen Kampf­jets über uns hin­weg, Heli­ko­pter krei­sen über den Häu­sern. Jeden Tag ster­ben hier fast fünf­zig Zivi­lis­ten. Wir leben in einem nie enden­den Getö­se von Schie­ße­rei­en, Explo­sio­nen, Geschrei. Die meis­ten von uns trau­en sich nicht mehr, nach drau­ßen zu gehen. Manch­mal het­zen ein paar Leu­te die Stra­ßen ent­lang, um Lebens­mit­tel zu besor­gen – und ren­nen sofort nach dem Ein­kauf zurück in ihre Woh­nun­gen. Dabei ist es zu Hau­se nicht siche­rer als auf der Stra­ße. Denn die Bom­ben tref­fen auch unse­re Häu­ser. Wäh­rend ich die­se Zei­len schrei­be, höre ich das Don­nern der Kampf­flug­zeu­ge, von irgend­wo her dringt Gefechts­lärm. Gott sei Dank habe ich bis­her alle Angrif­fe über­lebt. Aber vor ein paar Tagen war ich dem Tod so nah wie nie zuvor. Ich war im Vier­tel Al-Mash­had unter­wegs, dort, wo mein Büro ist. Ich stand gera­de im Laden in unse­rer Stra­ße, um mir etwas zu trin­ken zu kau­fen, als die ers­te Fass­bom­be ein­schlug, gera­de mal fünf Häu­ser von uns ent­fernt. Ich duck­te mich für eini­ge Sekun­den vor den umher­flie­gen­den Metall­tei­len. Dann rann­te ich raus auf die Stra­ße. Nur weni­ge Sekun­den spä­ter schlug in der Stra­ße die zwei­te Faß­bom­be ein. Ein Metall­split­ter bohr­te sich in mei­nen Rücken, ein ande­rer in mein Bein. Ich rann­te von der Stra­ße wie­der zurück zum Laden. Und war vor Schock wie gelähmt: Sie­ben Men­schen, die dort Schutz vor der zwei­ten Bom­be gesucht hat­ten, waren tot, zer­quetscht vom Schutt der ein­ge­stürz­ten Decke. Sie star­ben nur, weil sie sich in den Sekun­den der Explo­si­on anders ent­schie­den hat­ten: Sie hiel­ten sich zwi­schen den Rega­len ver­steckt, wäh­rend ich auf die Stra­ße lief. Nur des­we­gen habe ich als Ein­zi­ger von uns über­lebt. Die Hel­fer hat­ten gro­ße Mühe, die ver­dreh­ten und durch­trenn­ten Kör­per aus dem Geröll zu zie­hen. Ange­hö­ri­ge der Toten lagen am Boden und schrien, Kin­der wein­ten. Aus eini­gen Kör­pern quol­len Inne­rei­en, über­all lagen abge­trenn­te Hän­de und Bei­ne. Ins­ge­samt star­ben durch die­se Angrif­fe 15 Men­schen, 25 – mit mir – wur­den ver­letzt. Ich kann die­se Bil­der nicht ver­ges­sen. Ich hät­te einer die­ser Kör­per sein kön­nen. Ich wur­de schnell in ein Kran­ken­haus gebracht, doch hel­fen konn­te mir dort nie­mand. Zu vie­le Men­schen brauch­ten Hil­fe, unauf­hör­lich brach­ten Män­ner neue Tra­gen mit Schwer­ver­letz­ten hin­ein. Wäh­rend ich auf den Arzt war­te­te, sah ich so viel Blut, dass ich zu hal­lu­zi­nie­ren begann. Ein Freund brach­te mich des­halb in ein ande­res Kran­ken­haus, wo sich Schwes­tern um mich küm­mer­ten. Sie ent­fern­ten einen Metall­split­ter, der ande­re steckt noch in mei­nem Bein. Sie sagen, er kön­ne erst in eini­ger Zeit ent­fernt wer­den. Doch es sind nicht nur die Bom­ben und Gefech­te, die unser Über­le­ben immer schwe­rer machen. Das Regime hat nun auch die Cas­tel­lo-Stra­ße ein­ge­nom­men. Sie ist eine Todes­zo­ne gewor­den: Stän­dig wird geschos­sen, bren­nen­de Autos lie­gen am Stra­ßen­rand. Das Regime kämpft dort mit aller Macht – und schnei­det uns damit von der Außen­welt ab. Die Cas­tel­lo-Stra­ße war bis­lang die ein­zi­ge Ver­bin­dung von Alep­po nach drau­ßen, in die Vor­or­te und in die Tür­kei. Es war die Lebens­ader der Stadt, von dort haben wir Lebens­mit­tel, Gas, Brenn­stoff, Trink­was­ser und Medi­zin bekom­men.  Die Bela­ge­rung ist für uns dra­ma­tisch. Denn jetzt gibt es kaum noch Obst und Gemü­se zu kau­fen, über­haupt sind die Märk­te fast leer. Auch haben wir immer weni­ger Brenn­stoff, wir ver­brau­chen gera­de die letz­ten Reser­ven der Stadt. Bald schon wer­den wir in kom­plet­ter Dun­kel­heit leben. Das ist es, was das Regime und sei­ne Mili­zen wol­len: dass Alep­po lang­sam stirbt. Sie set­zen dabei allein auf die Zeit. Wir, die noch rund 300.000 Ver­blie­be­nen, wer­den nicht mehr lan­ge ver­sorgt wer­den kön­nen. Ich fürch­te, dass unser Unter­gang schließ­lich dadurch kommt, dass wir alle um Was­ser und Brot kämp­fen. Und dass die, die nicht mehr stark genug sind, dar­um zu kämp­fen, ein­fach ver­hun­gern wer­den. Fakt ist: Wir sit­zen fest. Wir haben kei­ne Chan­ce mehr, aus Ost-Alep­po her­aus­zu­kom­men. Ich habe immer mit drei Freun­den in einer WG zusam­men gewohnt. Jetzt ist nur noch einer von ihnen hier. Malek hat gehei­ra­tet und lebt nun mit sei­ner Frau zusam­men, sie erwar­ten ein Baby. Der ande­re, Jawad, konn­te in die Tür­kei ent­kom­men. Sein Vater wur­de bei einem Angriff schwer ver­letzt und Jawad konn­te mit ihm vor ein paar Wochen in die Tür­kei fah­ren, damit er dort medi­zi­ni­sche Hil­fe bekommt. Jawad ver­sucht, wie­der zu stu­die­ren. Er wird nicht mehr nach Alep­po zurück­kom­men. So zynisch es klingt: Er hat Glück gehabt. Denn nur sehr kran­ke Men­schen dür­fen mit einer Beglei­tung den Grenz­über­gang Bab al-Sal­a­meh in die Tür­kei pas­sie­ren. Die Tür­kei ist da sehr strikt. Für mich gilt das also nicht Selbst wenn ich Alep­po ver­las­sen woll­te: Ich kann es nicht. Die Bom­bar­die­run­gen in der Stadt sind zu stark, ich wür­de nicht mehr weit kom­men. Ich weiß, dass ich hier nicht mehr weg­kom­men wer­de. Die Bom­ben fal­len wei­ter, jeden Tag, jede Stun­de. Sie tref­fen alles, was sich bewegt. Ich sit­ze in Alep­po fest. Aber noch bin ich am Leben. — stop
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im zug

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nord­pol : 0.02 — Oder aber ich hebe mei­nen Blick vom Bild­schirm mei­ner Schreib­ma­schi­ne. Ich beob­ach­te wie­der­um in einem Nacht­zug rei­send einen Film, der vom Über­le­ben in der Stadt Alep­po erzählt. Plötz­lich glau­be ich zu erken­nen, wie ein Mann im Zug mit einer Pis­to­le um sich schießt. Men­schen flüch­ten und fal­len um. Ich wer­de in die Schul­ter getrof­fen, und ich den­ke noch, ich soll­te wütend wer­den, es wäre gut, wenn man ein Löwe zu wer­den wünscht, wütend zu sein. Ein­mal ste­he ich auf, im Zug herrscht noch Frie­den. Ein älte­rer Mann wirft in die­sem Moment mit Wucht einen Blick auf mich: Bist Du gefähr­lich? Es ist kein ange­neh­mer Blick, es ist ein kal­ter Blick, den man nicht befra­gen kann, weil man weiß, dass man kei­ne kor­rek­te Ant­wort erhal­ten wür­de. Auch so her­um ist das also mög­lich. Selt­sa­me Gedan­ken. — stop
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ai : KOLUMBIEN

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MENSCH IN GEFAHR : “Das Haus des indi­ge­nen Men­schen­rechts­ver­tei­di­gers Pedro Manu­el Lope­re­na im Nord­os­ten Kolum­bi­ens wur­de am 11. Mai von einer Gra­na­te getrof­fen. / Am 11. Mai war­fen zwei unbe­kann­te Motor­rad­fah­rer eine Gra­na­te auf das Haus von Pedro Manu­el Lope­re­na im Bezirk Don Car­me­lo in Val­le­du­par, der Haupt­stadt des Depart­a­men­to Cesar. / Pedro Manu­el Lope­re­na ist Koor­di­na­tor der Men­schen­rechts­kom­mis­si­on der Indi­ge­nen­ver­ei­ni­gung Orga­ni­za­ción Wiwa Yugu­mai­un Bun­ku­a­nar­rua Tay­ro­na (OWYBT), die das indi­ge­ne Volk der Wiwa ver­tritt, wel­ches in der Berg­ket­te der Sier­ra Neva­da de San­ta Mar­ta lebt. Die Men­schen­rechts­kom­mis­si­on setzt sich seit eini­ger Zeit in meh­re­ren Fäl­len für Gerech­tig­keit ein, bei denen es um die Ver­let­zung der Men­schen­rech­te geht, wie z. B. im Fall der außer­ge­richt­li­chen Hin­rich­tung von elf Ange­hö­ri­gen der Gemein­schaft der Wiwa durch Sicher­heits­kräf­te zwi­schen dem 15. Febru­ar 2005 und dem 3. August 2006 sowie in ande­ren Fäl­len, in denen auf der einen Sei­te Sicher­heits­kräf­te gemein­sam mit Para­mi­li­tärs, auf der ande­ren Sei­te Gue­ril­la­ein­hei­ten Men­schen­rechts­ver­stö­ße began­gen haben. Die Men­schen­rechts­kom­mis­si­on kämpft zudem gegen zahl­rei­che Bergbau‑, Infra­struk­tur- und Tou­ris­mus­pro­jek­te im Gebiet der Sier­ra Neva­da, da das Volk der Wiwa der Ansicht ist, die­se Pro­jek­te wür­den ihre Nah­rungs­mit­tel­ver­sor­gung ein­schrän­ken, ihre tra­di­tio­nel­le Lebens­wei­se beein­träch­ti­gen und somit ihr Über­le­ben gefähr­den. Pedro Manu­el Lope­re­na hat sich zudem öffent­lich gegen das anhal­ten­de Ope­rie­ren von ille­ga­len bewaff­ne­ten Grup­pen im Lebens­raum der Wiwa aus­ge­spro­chen. / Zum Zeit­punkt des Gra­na­ten­an­schlags auf das Haus von Pedro Manu­el Lope­re­na befan­den sich zudem sei­ne Frau, die im Büro des Men­schen­rechts­be­auf­trag­ten (Defen­so­ría del Pue­blo) als Ver­tre­te­rin der Gemein­schaft tätig ist, sowie sei­ne vier Kin­der (sie­ben, zehn, 18 und 19 Jah­re alt) im Haus. Nie­mand von ihnen kam bei der Explo­si­on zu Scha­den. / Im Febru­ar wähl­te die Gemein­schaft der Wiwa neue Gemein­de­spre­che­rIn­nen. Das kolum­bia­ni­sche Innen­mi­nis­te­ri­um hat sich bis­lang gewei­gert, die neu­en Spre­che­rIn­nen anzu­er­ken­nen.” — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und nicht über den 27. Juni 2013 hin­aus, unter »> ai : urgent action

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tapetum cellulosum lucidum /// IED EXPLOSION IN BAGHDAD (ZONE X) 2004-01-14 18:40:00 ///

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sier­ra : 22.01 — Knis­tern­de Käl­te. Dom­pfaf­fen, Rot­kehl­chen, Grün­fin­ken hän­gen, zwit­schern­de Trau­ben, an Fut­ter­bäl­len im Gar­ten über Schnee. Ich hat­te, in dem ich sie beob­ach­te­te, die Idee, dass mir bald ein­mal reflek­tie­ren­de Zell­schich­ten in den Augen­höh­len wach­sen könn­ten, tape­tum cel­lu­lo­sum luci­dum, hin­ter den Glas­kör­pern hin­ter den Pupil­len, Kat­zen­au­gen­häu­te, nicht von der Beob­ach­tung der Natur da drau­ßen im Gar­ten, son­dern vom Lesen der Wiki­leaks – Irak — Pro­to­kol­le : IED EXPLOSION IN BAGHDAD (ZONE X) 2004-01-14 18:40:00 — IP X REPORTED THAT A GREY X EXPLODED IN A RESIDENTIAL AREA. IPS AND X ELEMENTS WENT TO THE SITE AND FOUND THE EXPLODED CAR. X BROTHERS AND THEIR X CLAIMED THAT SOMEONE ELSE MUST HAVE PUT THE EXPLOSIVES IN THEIR CAR. IZ EOD BELIEVES AN IED WENT OFF PREMATURELY. — UPDATE: DETAINED THE X BROTHERS AND HAVE COORDINATED TO HAVE THE BOMB DOGS GO TO THE HOUSE LATER TODAY. IED TRACKING NUMBER IS X. stop. stop. 390136 Doku­men­te. stop. Neh­men wir ein­mal an, ich ver­such­te Tag für Tag 100 die­ser Tex­te zu lesen und nach­zu­füh­len, was sie bedeu­ten könn­ten, Par­tic­les, die von Bom­ben­an­schlä­gen, Scharf­schüt­zen, Ent­haup­tun­gen, Feu­er­ge­fech­ten, Ent­füh­run­gen berich­ten, dann wür­de ich län­ge­re als zehn Jah­re Zeit in die­ser Arbeit ver­brin­gen. Inwie­fern wür­de sich bald die Gestalt mei­nes Gehir­n­es ver­än­dert haben, mei­ne Spra­che, wel­cher­art wären die Geschich­ten, die ich noch erzählte?
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istanbul

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nord­pol : 2.55 — Beob­ach­te­te nach­mit­tags auf mei­nem Fern­seh­bild­schirm einen Blitz, der einen Abend zuvor von einer Han­dy­ka­me­ra auf­ge­nom­men wor­den war. Die­ser Blitz ereig­ne­te sich in Istan­bul zu einem Zeit­punkt, als ich gera­de über­leg­te, ob ich in einem Buch lesen soll­te oder bes­ser noch etwas notie­ren über die Kirsch­holzwan­gen einer japa­ni­schen Frau, die ich gera­de erfin­de. Aber mein Kopf war in der feucht­war­men Luft doch sehr lang­sam gewor­den, also stell­te ich mich für zwei Minu­ten unter kal­tes Was­ser und als ich zurück­kam und mein Fern­seh­ge­rät ein­schal­te­te, konn­te ich sehen, was der Blitz, den ich erst einen Tag spä­ter mit eige­nen Augen sehen wür­de, ange­rich­tet hat­te. Men­schen lagen bewe­gungs­los auf einer Stra­ße her­um und ande­re Men­schen, die sich beweg­ten, ver­such­ten jene Men­schen, die lagen und sich nicht mehr beweg­ten, zu über­re­den, es ihnen gleich zu tun, also zu atmen und wei­ter­zu­le­ben, als sei der Blitz nie gesche­hen. Da war das Geräusch von Ambu­lan­zen, ein jau­len­der Ton, von dem ich häu­fig träu­me, und da war die Stim­me einer ame­ri­ka­ni­schen Frau, die die Explo­si­on zwei­er Bom­ben mel­de­te, einer klei­ne­ren, locken­den Bom­be und einer grö­ße­ren, mor­den­den Bom­be. Als ich ges­tern Nach­mit­tag dann auf mei­nem Fern­seh­bild­schirm jenen Blitz beob­ach­te­te, der so vie­le Men­schen töte­te, dass zwei Hän­de nicht aus­rei­chen, sie mit den Fin­gern zu zäh­len, habe ich über­legt, ob ich nicht bald ein­mal wagen soll­te, einen Atten­tä­ter zu erfin­den, also mich in einen Atten­tä­ter zu ver­wan­deln auf dem Papier, mich hin­ein­zu­ver­set­zen in eine Figur, die Bom­ben legt, um Men­schen zu töten. Ist es mög­lich, fra­ge ich, mich in einen Atten­tä­ter solan­ge hin­ein­zu­den­ken, wie ich mich in eine japa­ni­sche Frau hin­ein­den­ke, eine japa­ni­sche Frau mit einem kirsch­höl­zer­nen Gesicht, ohne Scha­den zu nehmen?

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