Aus der Wörtersammlung: gelegenheit

///

gallipoli : melissano : ugento : kyjiw

2

del­ta : 2.14 UTC — Lino­sa erzähl­te mir eine Geschich­te, von der ich nicht sagen kann, ob sie sich tat­säch­lich so ereig­ne­te wie behaup­tet, oder ob die Geschich­te rein erfun­den sein könn­te. Seit eini­gen Mona­ten erhal­te er näm­lich täg­lich einen Luft­post­brief aus Ita­li­en. In dem Brief sei jeweils ein beid­sei­tig bedruck­tes Blatt Papier ent­hal­ten, Text in eng­li­scher Spra­che, num­me­riert, fei­ne, prä­zi­se for­mu­lier­te Sät­ze. Er habe, so berich­te­te Lino­sa, eini­ge die­ser Sät­ze in die Mas­ke einer Such­ma­schi­ne ein­ge­ge­ben, wes­halb ihm nun bekannt sei, dass es sich wohl um ein zer­leg­tes Buch han­deln könn­te, das man ihm schi­cken wür­de, um Her­man Mel­vil­les Erzäh­lung Bart­le­by. Das sei für sich genom­men schon eine selt­sa­me Ange­le­gen­heit, noch merk­wür­di­ger kom­me ihm aber vor, dass dem Schrei­ben bis­her kei­ne Erklä­rung, Begrün­dung oder auch nur ein Gruß bei­gefügt wor­den sei. Manch­mal kön­ne er mit­hil­fe des pos­ta­li­schen Stem­pels ent­zif­fern, in wel­cher Stadt der Brief Tage zuvor auf­ge­ge­ben wur­de. Städ­te mit wun­der­vol­len Namen, Gal­li­po­li, Melis­s­a­no, Ugen­to, Lec­ce, Brin­di­si, sei­en dar­un­ter. Wäh­rend er sich in den ers­ten Tagen noch gewun­dert, ja sogar ein wenig gefürch­tet habe, wür­de er sich inzwi­schen dar­über freu­en, nach­mit­tags aus dem 12. Stock sei­nes Miets­hau­ses zum Brief­kas­ten hin abzu­stei­gen, um den Brief ent­neh­men, öff­nen und wie­der im Auf­stieg befind­lich lesen zu kön­nen. 34 Brie­fe habe er bis­lang erhal­ten, 16 wei­te­re Brie­fe soll­ten noch fol­gen, sofern der unbe­kann­te Absen­der in logi­scher Wei­se fort­set­zen wür­de. Der letz­te Brief, der ges­tern aus Fasa­no kom­mend, bei Mr. Lino­sa ein­ge­trof­fen war, soll eine beson­de­re Brief­mar­ke auf sei­ner Anschrif­ten­sei­te getra­gen haben, acht Ren­tie­re, die in einen ver­schnei­ten Him­mel flie­gen. Die­se Brief­mar­ke leuch­te nachts in der Küche im Dun­keln, wo sie nun auf dem Sta­pel zuvor ein­ge­trof­fe­ner Brie­fe so lan­ge sicht­bar ruhen wer­den, bis wie­der Nach­mit­tag gewor­den sein wird. — Das Radio erzählt von Men­schen, deren Woh­nun­gen von Rake­ten getrof­fen wor­den sein sol­len. Sie berich­ten fas­sungs­los, dass sie, wenn sie nicht im Flur, son­dern in ihrem Wohn­zim­mer geschla­fen hät­ten, nun tot sein wür­den. - stop

ping

///

ai : IRAN

aihead2

MENSCH IN GEFAHR: „Der von der Hin­rich­tung bedroh­te Arzt Dr. Ahm­adre­za Dja­la­li wird seit sie­ben Wochen ohne Kon­takt zur Außen­welt im Evin-Gefäng­nis in Tehe­ran in Haft gehal­ten. Nach der wie­der­hol­ten Auf­for­de­rung, ihnen Kon­takt zu ihrem Man­dan­ten zu ermög­li­chen, über­gab die Gefäng­nis­ver­wal­tung sei­nen Anwält_innen Ende Dezem­ber 2020 einen unda­tier­ten Brief von Dr. Dja­la­li. Dar­in schrieb er, dass er sich seit 33 Tagen in Ein­zel­haft befin­det. Sei­ner Fami­lie und sei­nen Anwält_innen wur­de am 24. Novem­ber 2020 gesagt, dass das Todes­ur­teil von Dr. Dja­la­li inner­halb einer Woche voll­streckt wer­de und sie nun die letz­te Gele­gen­heit zu einem Video­te­le­fo­nat hät­ten. / Die Nach­richt der bevor­ste­hen­den Voll­stre­ckung lös­te inter­na­tio­na­le For­de­run­gen aus, sei­ne Hin­rich­tung zu stop­pen. Laut Amnes­ty Inter­na­tio­nal vor­lie­gen­den Infor­ma­tio­nen wur­den nach den welt­wei­ten Pro­tes­ten die Hin­rich­tungs­plä­ne am 2. Dezem­ber 2020 “auf Anwei­sung von oben” gestoppt. Am 8. Dezem­ber 2020 erfuhr die Fami­lie, dass sei­ne Hin­rich­tung um eine Woche ver­scho­ben wur­de und Ende Dezem­ber hieß es, dass die Voll­stre­ckungs­be­hör­de die Hin­rich­tung erneut um einen Monat ver­scho­ben habe. Doch die Tat­sa­che, dass sich Ahm­adre­za Dja­la­li nach wie vor in Haft ohne Kon­takt zur Außen­welt befin­det, gibt trotz der zwei Auf­schü­be gro­ßen Anlass zu der Befürch­tung, dass er jeder­zeit hin­ge­rich­tet wer­den könn­te. Denn die ira­ni­schen Behör­den pfle­gen Todeskandidat_innen im Gehei­men hin­zu­rich­ten, nach­dem sie sie in Ein­zel­haft ver­legt und ihnen dar­in den Kon­takt zur Außen­welt ver­wei­gert haben. / Dr. Ahm­adre­za Dja­la­li wur­de im Okto­ber 2017 in einem grob unfai­ren Ver­fah­ren vor der Abtei­lung 15 des Tehe­ra­ner Revo­lu­ti­ons­ge­richts wegen “Ver­dor­ben­heit auf Erden” (ifsad fil-arz) zum Tode ver­ur­teilt. Das Gericht stütz­te sich dabei haupt­säch­lich auf “Geständ­nis­se”, die laut Ahm­adre­za Dja­la­li durch Fol­ter und ande­re Miss­hand­lun­gen erzwun­gen wor­den waren. Er befand sich zu die­ser Zeit in ver­län­ger­ter Ein­zel­haft und hat­te kei­nen Zugang zu einem Rechts­bei­stand. Die Behör­den droh­ten ihm, ihn hin­zu­rich­ten und sei­ne in Schwe­den leben­den Kin­der sowie sei­ne im Iran leben­de Mut­ter zu töten oder auf ande­re Art zu ver­let­zen. Amnes­ty Inter­na­tio­nal ver­tritt die Auf­fas­sung, dass der Straf­tat­be­stand der “Ver­dor­ben­heit auf Erden” die straf­recht­li­chen Erfor­der­nis­se der Rechts­klar­heit und Genau­ig­keit nicht erfüllt und zudem dem Lega­li­täts­prin­zip und dem Grund­satz der Rechts­si­cher­heit zuwi­der­läuft. Am 9. Dezem­ber 2018 erfuh­ren die Rechts­bei­stän­de von Ahm­adre­za Dja­la­li, dass sein Todes­ur­teil vor Abtei­lung 1 des Obers­ten Gerichts­hofs sum­ma­risch bestä­tigt wor­den war, ohne dass sie die Mög­lich­keit hat­ten, Ver­tei­di­gungs­an­trä­ge im Namen ihres Man­dan­ten ein­zu­rei­chen. Min­des­tens zwei Anträ­ge auf eine gericht­li­che Über­prü­fung sei­nes Falls wur­den abge­lehnt.“ - Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen bis spä­tes­tens zum 24.2.2021 unter > ai : urgent action

ping

///

von telefonen

9

romeo : 0.08 UTC – Das Tele­fon­buch mei­ner Groß­mutter wur­de von mei­nem Bru­der in einer Kom­mo­de ent­deckt, die viel­fach mit uns umge­zo­gen war. Es ist ein dunk­les Bänd­chen von Kar­ton und Papier, das in den tie­fen Schat­ten­räu­men der Tru­he bei­na­he über­se­hen wor­den wäre. In Süt­ter­lin wur­den dort Namen ver­zeich­net, sowie Zif­fern, die ein­mal vor lan­ger Zeit Tele­fo­nen ver­bun­den gewe­sen waren, wel­che sehr sicher nicht län­ger exis­tie­ren. Bei genau­er Betrach­tung sind viel­fach Namen ein und der­sel­ben Num­mer ver­bun­den gewe­sen, ver­mut­lich, weil die Tele­fo­ne zur Num­mer in Flu­ren oder Trep­pen­häu­sern an den Wän­den befes­tigt waren, nicht in Woh­nun­gen selbst, oder Tele­fo­nen, die sich in benach­bar­ten Woh­nun­gen befan­den. Man rief nun Frau Sin­del­fin­ger an, die über ein Tele­fon ver­füg­te, die Frau Huber zu sich hol­te, die selbst über kein Tele­fon ver­füg­te, aber Frau Sin­del­fin­ger gefragt hat­te, ob sie die Num­mer ihres Tele­fons bei Gele­gen­heit wei­ter­rei­chen dür­fe. Frau Lie­ber­mann aus dem 1. Stock habe ich noch per­sön­lich gekannt, da war ich 50 cm hoch und trug win­zi­ge Leder­schu­he von blau­er Far­be. Kurz war ich ver­sucht, eine der Tele­fon­num­mern zu pro­bie­ren, das war mir dann aber doch zu unheim­lich gewe­sen an die­sem neb­li­gen Tag, da mir beim Spa­zie­ren zum ers­ten Mal leuch­ten­de Mund­na­sen­mas­ken begeg­ne­ten. — stop
ping

///

shenyang

2

gink­go : 19.55 UTC — Sie kommt gera­de aus She­n­yang, ist ziem­lich müde, sitzt im Schnell­zug Rich­tung City zwi­schen zwei schwe­ren Metall­kof­fern, eine älte­re Dame, sie sei eine der ältes­ten, die noch flie­ge, Cabin Chief, sie rei­se gern, wenn auch etwas ängst­li­cher, man habe schon den Ein­druck, dass der Luft­raum unsi­che­rer gewor­den sei, aber die Welt ins­ge­samt sei unsi­cher gewor­den, die Ame­ri­ka­ner sind es vor allem, das dür­fe man aber nicht so laut sagen, frü­her hät­ten sie noch gewusst, wohin die Regie­rung im Not­fall flie­gen wür­de, das sei jetzt nicht mehr Ange­le­gen­heit der Luft­han­sa, das erle­di­ge die Luft­waf­fe, die wüss­ten jetzt Bescheid, auch dass bereits Anfang des letz­ten Jahr­hun­derts bekannt gege­ben wur­de, dass bald ein neu­er gro­ßer Krieg kom­men wür­de, Isra­el wüss­te dar­über Bescheid und eben die Ame­ri­ka­ner, aber das sagen wir lie­ber nicht so laut, sagt sie, aber sie flie­ge immer noch gern, kom­me viel in der Welt her­um, sie kön­ne ver­ste­hen, dass die Men­schen flüch­ten, aber sie sei­en eigent­lich kei­ne rich­ti­gen Geflüch­te­ten wie ihre Eltern noch, die woll­te kei­ner haben, die flo­hen aus Schle­si­en, das waren noch rich­ti­ge Flücht­lin­ge, die Chi­ne­sen flie­hen ja auch nicht, irgend­wie geht alles selt­sa­me Wege, die Welt ist aus dem Gleich­ge­wicht, aber sie dreht sich noch, aber nicht mehr lan­ge. — Als der Zug steht, hört sie auf zu spre­chen, steigt aus, ohne sich noch ein­mal umzu­dre­hen, ver­schwin­det in der Men­ge, die­se zier­li­che und ziem­lich müde Per­son. — stop

///

ai : SRI LANKA

aihead2

MENSCH IN GEFAHR: „Der Schrift­stel­ler Shakt­hi­ka Sath­ku­ma­ra wur­de am 1. April 2019 fest­ge­nom­men, als er auf einer Poli­zei­wa­che erschien, um eine Aus­sa­ge zu einer Beschwer­de zu machen, die bud­dhis­ti­sche Mön­che hin­sicht­lich sei­ner Kurz­ge­schich­te ein­ge­reicht hat­ten. Er wur­de unter Para­graf 3(1) des IPb­pR-Geset­zes und Para­graf 291(B) des sri­lan­ki­schen Straf­ge­setz­buchs ange­klagt. Die­se Para­gra­fen las­sen eine Frei­las­sung gegen Kau­ti­on sei­tens regu­lä­rer Amts­ge­rich­te nicht zu. Des­halb befand sich Shakt­hi­ka Sath­ku­ma­ra fast vier Mona­te lang in Haft. Sei­ne nächs­te Anhö­rung soll am 30. Sep­tem­ber vor dem Obers­ten Gerichts­hof statt­fin­den. / Shakt­hi­ka Sath­ku­ma­ras lite­ra­ri­sche Arbeit ist von meh­re­ren Orga­ni­sa­tio­nen, dar­un­ter auch dem Minis­te­ri­um für kul­tu­rel­le Ange­le­gen­hei­ten und der Kul­tur­ab­tei­lung des Minis­ter­prä­si­den­ten der Nord­west­pro­vinz, für Aus­zeich­nun­gen vor­ge­schla­gen wor­den. Para­graf 3(1) des IPb­pR-Geset­zes und Para­graf 291 des Straf­ge­setz­buchs kri­mi­na­li­sie­ren das Pro­pa­gie­ren von ras­sis­ti­schem und reli­giö­sem Hass, der Dis­kri­mi­nie­rung, Feind­se­lig­keit und Gewalt schürt./ Die Fest­nah­me von Shakt­hi­ka Sath­ku­ma­ra ist Teil einer beun­ru­hi­gen­den Ten­denz, das IPb­pR-Gesetz dazu zu nut­zen, fried­li­chen Aktivist_innen und Autor_innen in Sri Lan­ka die Rech­te auf freie Mei­nungs­äu­ße­rung und Gedanken‑, Gewis­sens- und Reli­gi­ons­frei­heit abzu­spre­chen. Die­se Rech­te sind jedoch im Inter­na­tio­na­len Pakt über bür­ger­li­che und poli­ti­sche Rech­te fest­ge­schrie­ben. Im Mai 2019 wur­de eine Frau namens M. R. Mazahi­ma unter dem IPb­pR-Gesetz fest­ge­nom­men, weil sie eine Blu­se mit dem Auf­druck eines Schiffsteu­er­ra­des getra­gen hat­te. Als Begrün­dung wur­de von den anzei­gen­den Per­so­nen fälsch­li­cher­wei­se ange­ge­ben, dass dies ein bud­dhis­ti­sches Sym­bol sei. Sie wur­de mehr als drei Wochen lang in Gewahr­sam gehal­ten, bis ihr end­lich Kau­ti­on gewährt wur­de. Im Juni 2019 wur­de dem Kolum­nis­ten Kusal Perera unter dem IPb­pR-Gesetz mit der Fest­nah­me gedroht, weil er über den zuneh­men­den extre­mis­ti­schen Sin­ha­la-Bud­dhis­mus in Sri Lan­ka geschrie­ben hat­te. / Der will­kür­li­che Ein­satz des IPb­pR-Geset­zes – das Men­schen­rech­te schüt­zen und nicht gegen sie ver­sto­ßen soll – hat zu einem schwie­ri­gen Kli­ma im Land geführt. In Sri Lan­ka reagie­ren die Behör­den extrem sen­si­bel auf ver­meint­li­che Ver­un­glimp­fun­gen des Bud­dhis­mus und wer­den direkt von bestimm­ten Grup­pen bud­dhis­ti­scher Mön­che beein­flusst, die die Fest­nah­me und Straf­ver­fol­gung von Per­so­nen ver­lan­gen, von der sie mei­nen, dass sie die Reli­gi­on ver­un­glimpft haben./ Gemäß dem IPb­pR, an des­sen Umset­zung Sri Lan­ka gebun­den ist, darf das Recht auf freie Mei­nungs­äu­ße­rung und die Gedanken‑, Gewis­sens- und Reli­gi­ons­frei­heit nur in einem engen, klar defi­nier­ten Rah­men ein­ge­schränkt wer­den. Ein­schrän­kun­gen die­ser Rech­te sind nur dann zuläs­sig, wenn sie nötig sind, um die Rech­te und Frei­hei­ten ande­rer oder bestimm­te öffent­li­che Inter­es­sen (wie z. B. die natio­na­le bzw. öffent­li­che Sicher­heit, die öffent­li­che Ord­nung oder die öffent­li­che Gesund­heit oder Moral) zu schüt­zen, und wenn sie für die­sen Zweck nach­weis­bar not­wen­dig sind. Indi­rek­te oder direk­te Kri­tik an einer Reli­gi­on oder einem Glau­bens­sys­tem darf nicht als Volks­ver­het­zung kri­mi­na­li­siert wer­den.“ - Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen bis spä­tes­tens zum 17.10.2019 unter > ai : urgent action
ping

///

lido santa maria elisabetta

2

tan­go : 22.06 UTC — Eine Welt ohne Auto­mo­bi­le ken­ne ich nicht. Auch eine Welt ohne Strom ist mir nicht bekannt. Nach Stun­den der Fahrt mit­tels Was­ser­bus­sen hin und her und her­um, muss ich des­halb an Land gehen, muss mei­ne Schreib­ma­schi­ne mit Strom ver­sor­gen, um arbei­ten zu kön­nen. Ich stell­te mir ein­mal vor, wie ich unter Vene­zia­ne­rin­nen und Vene­zia­nern sit­ze mit einer klap­pern­den Olym­pia­schreib­ma­schi­ne auf den Knien. Oder das Notie­ren von Hand in ein Notiz­buch auf schwan­ken­den Sitz­ge­le­gen­hei­ten der Dampf­schiff­chen rei­send. Man kann nie­mals erah­nen, in wel­che Rich­tung sich die Welt bewe­gen wird. Plötz­lich fährt die Stift­spit­ze unter der Hand sprung­haft vor­wärts oder rück­wärts, zieht eine Linie jen­seits geplan­ter Schrift­zei­chen, bil­det die Bewe­gung des Mee­res auf Notiz­pa­pie­ren nach. In der digi­ta­len Zeit wer­den ver­rück­te Zei­chen, Fol­ge der Mee­res­be­we­gung von dem Kor­rek­tur­ge­dächt­nis der elek­tri­schen Schreib­ma­schi­ne unver­züg­lich kor­ri­giert. Eine wun­der­ba­re Beob­ach­tung ist, wie ich siche­rer wer­de im Ste­hen auf dem Was­ser im Bus. Beob­ach­te­te hun­der­te Male Kno­ten­bin­dung in dem Moment, da sich das Batel­lo dem Lan­de nähert, da es anzu­le­gen wünscht, sodass es für einen kur­zen Moment selbst zu Land wird. Wie wir Men­schen dann über Brü­cken gehen, wie tan­zen. Am Abend ein­mal spür­te ich die uralte Stadt selbst unter mir schwan­ken. Da ich mich in die­sem Augen­blick dem Lido nähe­re, bemer­ke ich, dass ich die Erfin­dung der Auto­mo­bi­le bereits nach weni­gen Tagen ver­ges­sen habe. — stop
ping

///

ai : IRAN

aihead2

MENSCH IN GEFAHR: „Nach 31 Tagen im Hun­ger­streik im Evin-Gefäng­nis in Tehe­ran geht es Ate­na Dae­mi gesund­heit­lich sehr schlecht und sie benö­tigt umge­hend eine sta­tio­nä­re Behand­lung. Sie ist seit Novem­ber 2016 auf­grund ihrer men­schen­recht­li­chen Akti­vi­tä­ten zu Unrecht inhaf­tiert. / Am 8. April trat die ira­ni­sche Men­schen­rechts­ver­tei­di­ge­rin Ate­na Dae­mi im Evin-Gefäng­nis in den Hun­ger­streik. Sie pro­tes­tiert damit gegen die Ver­ur­tei­lung ihrer Schwes­tern Hanieh und Ensieh zu aus­ge­setz­ten Gefäng­nis­stra­fen wegen “Belei­di­gung von Beamt_innen im Dienst”. Bei­de wur­den am 13. März 2017 von einem Straf­ge­richt in Tehe­ran zu aus­ge­setz­ten Gefäng­nis­stra­fen von drei Mona­ten und einem Tag ver­ur­teilt. Laut der Fami­lie von Ate­na Dae­mi hat sich ihr Gesund­heits­zu­stand sehr ver­schlech­tert. Sie soll etwa 12 kg Gewicht ver­lo­ren haben. Sie lei­det an stän­di­gem Schwin­del, Erbre­chen, Blut­druck­schwan­kun­gen und gro­ßen Nie­ren­schmer­zen. Am 2. Mai ver­lor sie kurz­zei­tig das Bewusst­sein. Sie wur­de am 8. Mai für kur­ze Zeit in ein Kran­ken­haus außer­halb des Gefäng­nis­ses gebracht, in dem eini­ge medi­zi­ni­sche Unter­su­chun­gen durch­ge­führt wur­den. Man brach­te sie jedoch ins Gefäng­nis zurück, noch ehe die Unter­su­chungs­er­geb­nis­se vor­la­gen. Ärzt_innen haben war­nend erklärt, dass ihre Nie­ren­ent­zün­dung einen kri­ti­schen Zustand erreicht habe und sie sofort sta­tio­när behan­delt wer­den müs­se. / Die Gefängnisbeamt_innen gewäh­ren ihr jedoch kei­ne ange­mes­se­ne medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung. Am 29. April erzähl­te Ate­na Dae­mi ihrer Fami­lie, dass die Gefängnisärzt_innen in ihren Berich­ten wei­ter­hin schrei­ben, dass ihr Gesund­heits­zu­stand nor­mal sei und sie ihre Erkran­kung nur “vor­täuscht”. Ende April wur­de sie in die Gefäng­nis­kli­nik gebracht, um ein EKG zu erstel­len, doch der Kran­ken­pfle­ger wei­ger­te sich, die Unter­su­chung durch­zu­füh­ren. Er recht­fer­tig­te sei­ne Wei­ge­rung damit, dass es für männ­li­ches medi­zi­ni­sches Per­so­nal “unan­ge­mes­sen” sei, die­se Unter­su­chung an Pati­en­tin­nen durch­zu­füh­ren, da sie dabei ihre Brust ent­blö­ßen müs­sen. Weib­li­che poli­ti­sche Gefan­ge­ne sehen sich häu­fig zusätz­li­chen For­men geschlechts­spe­zi­fi­scher Dis­kri­mi­nie­rung gegen­über, wenn sie Zugang zu medi­zi­ni­scher Behand­lung suchen. Weib­li­chen Gefan­ge­nen mit abend­li­chen oder nächt­li­chen Herz­pro­ble­men wur­den bereits bei meh­re­ren Gele­gen­hei­ten Not­fall-EKGs ver­wei­gert, da die Gefäng­nis­be­hör­den dar­auf bestan­den, dass die­se Tests von weib­li­chem Per­so­nal durch­ge­führt wer­den, da die Pati­en­tin­nen für die Unter­su­chung ihre Brust ent­blö­ßen müs­sen. / Ate­na Dae­mi und der Rechts­bei­stand ihrer Schwes­tern war­ten der­zeit auf die Über­prü­fung der Schuld­sprü­che und Straf­ma­ße durch das Beru­fungs­ge­richt. Der Rechts­bei­stand befürch­tet, dass die Rechts­mit­tel zurück­ge­wie­sen wer­den könn­ten. Amnes­ty Inter­na­tio­nal betrach­tet das Ver­fah­ren, das zu ihrer Ver­ur­tei­lung führ­te, als unfair und wür­de Hanieh und Ensieh Dae­mi bei einer Inhaf­tie­rung als gewalt­lo­se poli­ti­sche Gefan­ge­ne ein­stu­fen, die nur des­halb zur Ziel­schei­be wur­den, weil sie mit Ate­na Dae­mi ver­wandt sind.“ — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und nicht über den 20. Juni 2017 hin­aus, unter > ai : urgent action

ping

///

nach darjeeling

9

papa : 12.15 UTC — Ich habe zur Stun­de eine Fra­ge, die zu beant­wor­ten ver­mut­lich nicht  leicht sein wird. In weni­gen Minu­ten wer­de ich näm­lich für einen alten Freund eine Schreib­ma­schi­ne erwer­ben, eine mecha­ni­sche Rei­se­schreib­ma­schi­ne des Typs Olym­pia Sple­ndid 66 in roter Far­be, ein wun­der­schö­nes Stück aus dem Jahr 1959, ich wür­de sie im Grun­de gern selbst besit­zen. Mein Freund wird bald ver­rei­sen, ich neh­me an, nicht ohne sei­ne neue Schreib­ma­schi­ne mit sich zu neh­men, eine Rei­se, die ihn durch Indi­en mit der Eisen­bahn von Mum­bai nach Dar­jee­ling füh­ren wird. Als ich mei­nen Freund Lud­wig zum letz­ten Mal sah, arbei­te­te er auf einem Note­book schrei­bend in einem Café an einer Geschich­te über Algo­rith­men lie­be­vol­ler Selbst­be­fra­gung. Sein Note­book war zu die­sem Zeit­punkt bereits eini­ge Jah­re alt, jene Orte des Gehäu­ses, da es Ton und Bild­auf­nah­men sei­ner nächs­ten Umge­bung anfer­ti­gen konn­te, waren mehr­fach mit selbst­kle­ben­dem Gewe­be abge­deckt, sodass weder Ton noch Licht in die Schreib­ma­schi­ne gelan­gen konn­ten, um von dort aus mög­li­cher­wei­se unbe­merkt an einen gehei­men Ort in der digi­ta­len Sphä­re gesen­det zu wer­den. Ich will nicht sagen, dass Lud­wig sich in irgend­ei­ner Wei­se ver­folgt füh­len wür­de, er erwähn­te aber bei Gele­gen­heit, er kön­ne schon seit lan­ger Zeit nicht mehr dafür garan­tie­ren, dass sei­ne elek­tro­ni­sche Schreib­ma­schi­ne, sein Note­book, sich tat­säch­lich loy­al ver­hal­ten wür­de. Er wünsch­te sich, sei­ne Zei­chen wie­der ein­mal unmit­tel­bar auf Papier zu set­zen, bedin­gungs­lo­ses Ver­trau­en haben zu kön­nen. Ich wer­de ihm sei­nen Wunsch erfül­len. Nun stellt sich, wie berich­tet, die Fra­ge, was hat mein Freund Lud­wig auf den Papie­ren noch vor, wie lan­ge Zeit bleibt ihm noch? Wie vie­le Farb­bän­der soll­te ich für Lud­wig in Sicher­heit brin­gen? Sie sind rar gewor­den, sie wer­den ver­schwin­den. — stop
ping

///

kalkutta

9

nord­pol : 0.15 UTC – Es ist an die­sem Abend selt­sam mit mei­ner Schreib­ma­schi­ne. Ich wür­de gern einen Text for­mu­lie­ren, der von mei­ner Erwar­tung der Stadt Kal­kut­ta erzählt, aber es schreibt immer wie­der etwas ande­res auf den Bild­schirm: Make Euro­pe gre­at again! Eigent­lich will ich die­sen Satz nicht notie­ren, weil er mich an einen Satz erin­nert, der aus dem Mund eines Man­nes kommt, über den ich mög­lichst gar kein Wort ver­lie­ren möch­te, wenn er doch nur nicht so gefähr­lich wäre, oder genau­er gesagt, jene Per­so­nen gefähr­lich wären, die ihn umge­ben, die ihm zuflüs­tern, wenn sie Gele­gen­heit haben, ihn doch für eini­ge Minu­ten von sei­nem Fern­seh­welt­ge­rät zu lösen. Alle raten zur Gelas­sen­heit. Gelas­sen­heit ist immer gut. Auf nach Kal­kut­ta. — stop

///

ANFANG === bEKOl6nBFkbLw4UCQdhQBw === ENDE

2

alpha : 5.15 — Der Feed-Atom eines klei­nen Tex­tes, den ich im Juni des Jah­res 2013 an die­ser Stel­le ver­schlüs­selt sen­de­te, wur­de bis­her 16205 Mal ange­for­dert. Ich bin nun bei­na­he sicher, dass es sich bei mei­nem Text um die Lek­tü­re einer Maschi­ne han­delt, die sich rhyth­misch ver­ge­wis­sert, ob der mög­li­cher­wei­se gefähr­li­che Text noch exis­tiert auf dem Par­tic­les-Ser­ver. Die­se mir nicht bekann­te, rou­ti­niert arbei­ten­de Maschi­ne scheint noch immer nicht in der Lage zu sein, einen Code zu erken­nen, der im letz­ten Satz des Tex­tes selbst für sei­ne umge­hen­de Ent­schlüs­se­lung prä­pa­riert wur­de. Eine skur­ri­le Ange­le­gen­heit, nicht wahr! Ver­such No. 3: ANFANG === a 4 n Z Q c Z c V 5 2 E p 5 0 P B S a l A B Y l g e 0 E Z M a N Q M D U F f a 5 g a F X 0 r j W u G h y B C V u v f L 7 U r D z s 9 y V 7 Q x I Q R E m I L c I 9 c n c D p t x g / y G r p M e k z a x 3 s O f c H / E e Q s 2 X 0 8 6 6 U h i M J 3 G 5 0 r m A f j Q j h k 3 f f 7 5 m r W + i R O f F H R d b m 1 n q i v 8 B Y 5 P m b q J 6 W J 8 Z t j o F h u J V Z T r W V 8 h + I 3 Y k g / P j L 0 S 5 p B j 8 J t / B 1 8 p + O O h k l 5 f n i z q e H J s s e g P W 9 m F n c L n / 6 Y C 8 n L p v / G H x m n K / D I 5 v d F u 8 u 8 M l 5 A m / V Y p g Q === ENDE / code­wort : bir­dy­bir­dy — stop

ping

123


ping

ping