echo : 0.25 UTC — Einmal wollte ich nach Kalkutta reisen. Ich dachte, das ist jetzt eine beschlossene Sache. Ich machte mich unverzüglich an die Vorbereitung meiner Reise: Koffer, Regenschirm, Ausweis, Apotheke, Impfungen, Notizbücher, Schreibmaschine, Fotoapparate, Flug hin und zurück, Hotelzimmer, Stadtplan, Literatur, Sonnenhut. Wenige Tage später erreichte mich ein erstes Paket des Dokumentarfilms Phantom Indien von Louis Malle. Ich las, der Film habe insgesamt eine Spielzeit von 6 Stunden und 3 Minuten. Solange Zeit, stellte ich mir vor, könnte eine Fahrt quer durch Kalkutta mit dem Taxi dauern. Es ist nun überhaupt die Frage, wie lange Zeit sollte ich mich mit der Vorbereitung meiner Reise nach Kalkutta beschäftigen? — Lange Zeit in der vergangenen Nacht das nordamerikanische Fernsehen beobachtet. Wie man sich in den Worten, wenn man sie spürt, finden kann, kann man sich im Rauschen rasender Worte verlieren. — stop
Aus der Wörtersammlung: indien
hongkong : nacht
ai : INDIEN
MENSCH IN GEFAHR: „Am 2. April wurde Gokarakonda Naga Saibaba von den Gefängnisbehörden zu einem Krankenhaustermin gebracht. Seine Frau erhielt jedoch keine Informationen über den Termin. Zuvor wurde ihr bereits der Zugang zu ihrem Mann und seinem Arzt verwehrt. Am 27. März hatte sie bei der Nationalen Menschenrechtskommission die Untersuchung seines Gesundheitszustandes sowie den Transfer in ein Gefängnis in einer anderen Stadt beantragt, die über besser ausgestattete Krankenhäusern verfügt und in der er durch seine Familienangehörigen unterstützt werden kann. / Am 7. März 2017 wurde Gokarakonda Naga Saibaba unter anderem der „rechtswidrigen Aktivitäten“, „Verabredung zu terroristischen Handlungen“ und „Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation“ schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Urteil basierte hauptsächlich auf Unterlagen und Videoaufnahmen, die das Gericht als Beweis für seine Mitgliedschaft in einer Organisation der verbotenen Kommunistischen Partei Indiens (Maoisten) ansah. Amnesty International ist der Ansicht, dass die Anklagen gegen Gokarakonda Naga Saibaba konstruiert sind und dass sein Prozess nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entsprach. / Seine beiden Beine sind infolge von Kinderlähmung gelähmt und er sitzt im Rollstuhl. Zudem ist bei ihm eine akute Pankreatitis diagnostiziert worden. Aufgrund dieser Erkrankung hat er Schwierigkeiten mit seiner linken Schulter und der linken Hand. Er leidet außerdem an einer Herzerkrankung sowie Bluthochdruck. Nach seiner Festnahme und seiner Inhaftierung im Zentralgefängnis von Nagpur in Maharashtra verschlechterte sich sein Zustand erheblich. Seine Frau berichtete, er habe starke Schmerzen und habe seit seiner Verurteilung bereits dreimal das Bewusstsein in seiner Zelle verloren. In einem Brief teilte er vor kurzem mit, er habe Schmerzen im Bauch und in seiner linken Hand und leide unter Kopfschmerzen. Er schrieb zudem, es sei ihm nicht möglich, grundlegende Körperfunktionen wie das Urinieren ohne starke Schmerzen durchzuführen. Auch das Schreiben des Briefes würde schmerzen und fiele ihm sehr schwer. / Obwohl Gokarakonda Naga Saibabas Familie wiederholt wichtige Informationen über seinen Gesundheitszustand angefordert hat, gaben die Gefängnisbehörden diese Informationen nicht heraus. Im vergangenen Jahr wurde ein Antrag gestellt, ihn aufgrund seines Gesundheitszustands bis zum Rechtsmittelverfahren auf Kaution freizulassen. Die Anhörung zu diesem Antrag soll kommende Woche stattfinden.“ - Hintergrundinformationen sowie empfohlene schriftliche Aktionen bis spätestens zum 16.5.2018 unter > ai : urgent action
indien
alpha : 8.52 UTC – Einmal plante ich, nach Indien zu reisen. Ich forschte nach Kleidung, die wochenlang nicht gewechselt werden muss, Hemden, Hosen, Schuhe, die alles das von sich weisen, was sie von innen oder außen her verschmutzen könnte. Dann noch ein ebenso reinlicher Rucksack auf dem Rücken, eine Schreibmaschine, allerlei Kärtchen, eine Zahnbürste. Ich würde gern mit einem Zug nach Indien fahren. — stop
monsun
sierra : 12.01 UTC — Bald einmal ist dringend eine Sammlung von Beobachtungen anzulegen, von Ereignissen, die ich mit meinem persönlichen Leben nicht unmittelbar in Verbindung setzen kann, die jedoch zentrale Erfahrungen ungezählter Menschen sind, die vor meinen Augen auf Fernsehbildschirmen erscheinen, auf Titelseiten papierener oder elektrischer Zeitungen. Kann ich mir Hunger vorstellen? Ich meine, nicht vorsätzlichen Hunger der Fastenzeit, vielmehr tatsächlichen Hunger, Hunger, der einen menschlichen Körper beschädigt oder zerstört. Wie fühlt es sich an, in Brooklyn ohne Ausweispapiere zu existieren? Oder die Furcht einer Frau, in einem Außenbezirk der Stadt Delhi nach einer Spätschicht einen Bus zu besteigen. L., der ich leibhaftig begegnete, erzählte Folgendes: Ich bin in Mumbai geboren, ich liebe mein Land. Ich liebe mein Land zu jeder Jahreszeit. In Indien bedeutet das Wort Regenzeit Monsun oder Barsaat. In Kalkutta wirst Du Monsunregen erleben, der vom Himmel kommt, auch außerdem eine Art Monsun, der aus dem Boden steigt. — stop
nach darjeeling
papa : 12.15 UTC — Ich habe zur Stunde eine Frage, die zu beantworten vermutlich nicht leicht sein wird. In wenigen Minuten werde ich nämlich für einen alten Freund eine Schreibmaschine erwerben, eine mechanische Reiseschreibmaschine des Typs Olympia Splendid 66 in roter Farbe, ein wunderschönes Stück aus dem Jahr 1959, ich würde sie im Grunde gern selbst besitzen. Mein Freund wird bald verreisen, ich nehme an, nicht ohne seine neue Schreibmaschine mit sich zu nehmen, eine Reise, die ihn durch Indien mit der Eisenbahn von Mumbai nach Darjeeling führen wird. Als ich meinen Freund Ludwig zum letzten Mal sah, arbeitete er auf einem Notebook schreibend in einem Café an einer Geschichte über Algorithmen liebevoller Selbstbefragung. Sein Notebook war zu diesem Zeitpunkt bereits einige Jahre alt, jene Orte des Gehäuses, da es Ton und Bildaufnahmen seiner nächsten Umgebung anfertigen konnte, waren mehrfach mit selbstklebendem Gewebe abgedeckt, sodass weder Ton noch Licht in die Schreibmaschine gelangen konnten, um von dort aus möglicherweise unbemerkt an einen geheimen Ort in der digitalen Sphäre gesendet zu werden. Ich will nicht sagen, dass Ludwig sich in irgendeiner Weise verfolgt fühlen würde, er erwähnte aber bei Gelegenheit, er könne schon seit langer Zeit nicht mehr dafür garantieren, dass seine elektronische Schreibmaschine, sein Notebook, sich tatsächlich loyal verhalten würde. Er wünschte sich, seine Zeichen wieder einmal unmittelbar auf Papier zu setzen, bedingungsloses Vertrauen haben zu können. Ich werde ihm seinen Wunsch erfüllen. Nun stellt sich, wie berichtet, die Frage, was hat mein Freund Ludwig auf den Papieren noch vor, wie lange Zeit bleibt ihm noch? Wie viele Farbbänder sollte ich für Ludwig in Sicherheit bringen? Sie sind rar geworden, sie werden verschwinden. — stop
indien
echo : 20.12 UTC — Eine Berliner Freundin erzählte unlängst, sie habe während ihrer letzten Indienreise beobachtet, wie Menschen Kühe in einer Weise bemalten, dass sie vollkommen bunt gewesen seien, selbst ihre Wimpern, die Spitzen ihrer Schwänze, Hufe und Lippen leuchteten in grellem Blau oder Rot oder Gelb. Ich fragte mich, inwiefern sich jene farbigen Kühe noch als Kühe erkannt haben mochten, ob sie sich nicht vielleicht fürchteten vor jenen bunten Wesen, die einerseits vor ihren Augen so fremd sein mochten, aber doch einen sehr vertrauten Geruch verströmten? — Neun Impfungen, so wird berichtet, sind für Indien Reisende zu überlegen zum Schutz vor Diphtherie, Hepatitis A, saisonaler Grippe, Typhus, Cholera, Meningitis, japanischer Enzephalitis, Hepatitis B bei längeren Aufenthalten oder engem Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung, sowie Tollwut. Was ist unter einem engen Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung zu verstehen? Wie sollte oder könnte ich in Kalkutta spazierend je einen engen Kontakt zur Bevölkerung vermeiden? — Gestern, während ich halb schlafend telefonierte, habe ich versehentlich meinen Fußboden fotografiert, auch eine Fotografie wiederum Colette’s wie sie im Bett oder auf ihrem Sofa sitzt und schreibt. — stop
namen
delta : 1.05 — Vor einigen Wochen hatte ich einen Luftpostbrief an Mr. Sini Shapiro nach Manhattan geschickt. Ich notierte ihm von einem weiteren Schreiben, das ich an ihn persönlich vor einiger Zeit nach Kalkutta (Indien) sendete. Der Brief war zurückgekommen, er trug Hinweise auf seiner Anschriftseite, die von mehrfachen vergeblichen Zustellversuchen zeugen, ein Kunstwerk, würde ich sagen, ein Dokument sorgfältiger Arbeit. Heute antwortete Mr. Shapiro. Er schrieb in einer E‑Mailnachricht, er habe sich gefreut, weil ich seinen Namen verwendete, um eine Briefsonde nach Kalkutta zu schicken. Außerdem freue er sich über meine Frage hinsichtlich bevorzugter Lektüren. Er übermittelte eine Namensliste jener Persönlichkeiten, deren Bücher Mr. Shapiro bald einmal lesen, deren Leben er bevorzugt studieren würde. — Es ist merkwürdig, ich habe nicht damit gerechnet, dass Mr. Sini Shapiro über eine E‑Mail-Adresse verfügen könnte. Es ist nun doch wahrscheinlich, dass Mr. Shapiro außerdem über eine Computerschreibmaschine verfügen wird, die der digitalen Sphäre verbunden ist. — stop
von turku nach kalkutta
nordpol : 5.38 — In der vorletzten Nacht habe ich ein Versprechen eingelöst, das ich mir selbst vor einigen Monaten gegeben habe: Du solltest jeden Text, den Du an dieser oder anderer Stelle veröffentlichen wirst, lesen, Wort für Wort. Das ist, möchte man meinen, eigentlich eine Selbstverständlichkeit, nicht aber, wenn man Textpassagen von erheblichen Ausmaßen publizieren möchte, die von einer weiteren Person oder von einem Computerprogramm aufgeschrieben worden sind. Es handelt sich in diesem Fall um eine Wegbeschreibung, die Strecke führt uns von Turku nach Kalkutta über Land, und zwar zu Fuß. Um kurz nach Mitternacht nahm ich die Lektüre auf, verfolgte meine virtuelle Bewegung mit einem Finger auf meinem Globus, den Tauben nachts in aller Ruhe gern betrachten, wenn sie vor dem Fenster sitzen. Ich nehme an, sie werden die leuchtende Erdkugel für den Mond halten oder für die Sonne. Es war kurz vor Sonnenaufgang, als ich mit meiner Lektüre fertig wurde. Ich weiß nun, dass jene von der Computermaschine vorgeschlagene Strecke, nicht nur beschwerlich werden könnte, vielmehr auch gefährlich sein würde. Lesen Sie selbst: zu Fuß 7.960 km, 1.599 Std.Turku, Finnland nach Kalkutta, Westbengalen, Indien /// Turku Finnland: > Nach Südwesten Richtung Universitetsgatan / Yliopistonkatu 61 Links abbiegen auf Universitetsgatan / Yliopistonkat 18 m links abbiegen auf Auragatan / Aurakatu 400 m Weiter auf Aurabron/ Auransilta 110 m Weiter auf Kaskenkatu / Kaskisgatan 800 m Weiter auf Kaskentie / Kaskisvägen 1,0 km Weiter auf Nylandsgatan / Nylandsvägen / Uudenmaantie / Route 110 Weiter auf Route 110 10,2 km step by step >
indien
olimambo : 6.58 — Ein Freund rief an, er legte sofort los, erzählte dies und das, von einem Eichhörnchen beispielsweise, das in seinem Garten lebt, von einer Cousine, die sich das Bein brach im Gebirge, von der Hitze des Sommers, die seinen Kühlschrank killte, während er in Indien weilte. Eine Stunde lang berichtete mein Freund von seiner indischen Reise, von hölzernen Zügen, von offenen Feuern in der Landschaft, von Farben, die nur in Indien wirklich zu Hause sein würden. Plötzlich wusste er nicht weiter. Er fragte, wie er auf Indien eigentlich gekommen sei, er konnte sich an die Weiche, die ihn erzählend nach Indien führte, nicht erinnern. Er machte eine Pause, vielleicht weil er schweigend konzentrierter nachdenken konnte, dann legte er grußlos auf. Nach einer halben Stunde meldete er sich wieder zurück: Es war der Kühlschrank! Sofort reisten wir weiter fort in Richtung Darjeeling. Es war spät geworden und es regnete. — stop