Aus der Wörtersammlung: etage

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von vögeln

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sier­ra : 22.08 UTC — Klei­ne oder hand­li­che flie­gen­de Foto­ap­pa­ra­te sind zunächst zu klei­nen flie­gen­den Film­ka­me­ras gewor­den. Man kann sie mit Hil­fe eines Mobil­te­le­fons und zwei­er Dau­men steu­ern. Die­se flie­gen­den, fil­men­den auf­merk­sa­men Augen schei­nen Objek­te der Vogel­welt gewor­den zu sein. Man könn­te nun wei­te­ren durch­blu­te­ten Vögeln in der Luft begeg­nen. Man könn­te ihnen fol­gen. Man könn­te gleich­wohl Men­schen besu­chen, die in höhe­ren Eta­gen städ­ti­scher Wohn­häu­ser leben. Man könn­te Men­schen betrach­ten aus dem Dun­kel her­aus, ohne viel­leicht selbst gese­hen zur wer­den. Man kann, das ist beob­ach­tet, nun seit bald zwei Jah­ren Spreng­stof­fe laden und aus grö­ße­rer Höhe zur Erde hin stür­zen. Beob­ach­ten­de Vögel sind zu Raub­vö­geln gewor­den, sie rau­ben Bil­der und töten. Die Vor­stel­lung heu­te, spa­zie­rend im Pal­men­gar­ten, die Vor­stel­lung sehr klei­ner zier­li­cher Droh­nen, die her­um­flie­gen, um da und dort in den Städ­ten und in den Wäl­dern, Pro­ben zu neh­men von Kot, aus Abfall­stof­fen der Müll­hal­den, Gewäs­sern, auch unmit­tel­bar aus den Blut­kreis­läu­fen leben­der Orga­nis­men, von Kühen und von Men­schen, denk­ba­re Wel­ten. — stop

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frau mit löffel

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india : 5.28 — Ein­mal mach­te ich einen Aus­flug zu einer Tan­te, die seit über zehn Jah­ren in einem Heim lebt, weil sie sehr alt ist und außer­dem nicht mehr den­ken kann. Der Flie­der blüh­te, die Luft duf­te­te, mei­ne Tan­te saß mit ande­ren alten Frau­en an einem Tisch und schlief oder gab vor zu schla­fen. Ihr Gesicht war schmal, ihre Augen­li­der durch­sich­tig gewor­den, Augen waren unter die­ser Haut, blau, grau, rosa, eine Gischt hel­ler Far­ben. Ich drück­te mei­ne Stirn gegen die Stirn mei­ner Tan­te und nann­te mei­nen Namen. Ich sag­te, dass ich hier sei, sie zu besu­chen und dass der Flie­der im Park blü­hen wür­de. Ich sprach sehr lei­se, um die Frau­en, die in unse­rer Nähe saßen, nicht zu stö­ren. Sie schlie­fen einer­seits, ande­re betrach­te­ten mich inter­es­siert, so wie man Vögel betrach­tet oder Blu­men. Es ist schon selt­sam, dass ich immer dann, wenn ich glau­be, dass ich nicht sicher sein kann, ob man mir zuhört, damit begin­ne, eine Geschich­te zu erzäh­len in der Hoff­nung, die Geschich­te wür­de jen­seits der Stil­le viel­leicht doch noch Gehör fin­den. Ich erzähl­te mei­ner Tan­te von einer Wan­de­rung, die ich unlängst in den Ber­gen unter­nom­men hat­te, und dass ich auf einer Bank in ein­tau­send Meter Höhe ein Tele­fon­buch der Stadt Chi­ca­go gefun­den habe, das noch les­bar gewe­sen war und wie ich den Ein­druck hat­te, dass ich aus den Wäl­dern her­aus beob­ach­tet wür­de. Ich erzähl­te von Leber­blüm­chen und vom glas­kla­ren Was­ser der Bäche und vom Schnee, der in der Son­ne knis­ter­te. Doh­len waren in der Luft, wun­der­vol­le Wol­ken­ma­le­rei am Him­mel, Sala­man­der schau­kel­ten über den schma­len Fuß­weg, der auf­wärts führ­te. So erzähl­te ich, und wäh­rend ich erzähl­te eine hal­be Stun­de lang, schien mei­ne Tan­te zu schla­fen oder zuzu­hö­ren, wie immer, wenn ich sie besu­che. Ihr Mund stand etwas offen und ich konn­te sehen wie ihr Bauch sich hob und senk­te unter ihrer Blu­se. Am Tisch gleich gegen­über war­te­te eine ande­re alte Frau, sie trug wei­ßes Haar auf dem Kopf,  Haar so weiß wie Schreib­ma­schi­nen­pa­pier. Vor ihr stand ein Tel­ler mit Erb­sen. Die alte Frau hielt einen Löf­fel in der Hand. Die­ser Löf­fel schweb­te wäh­rend der lan­gen Zeit, die ich erzähl­te, etwa einen Zen­ti­me­ter hoch in der Luft über ihrem Tel­ler. In die­ser Hal­tung schlief die alte Frau oder lausch­te. — Das Radio erzählt, man habe in der Stadt Mariu­pol zahl­rei­che Men­schen hohen Alters leb­los in ihren Woh­nun­gen ent­deckt. Sie bewohn­ten ins­be­son­de­re höhe­re Eta­gen. Die Auf­zü­ge waren defekt. — stop