kilimandscharo : 2.28 — Zwölfhundertstes Hotelzimmer – sei mir gegrüßt! Sei mir gegrüßt, mit mäßig gutem Bett, Spiegelschrank, Kommode, wackeligem Schreibtisch; mit rosa Nachttischlampe, abgeschabtem Teppich, Wasserkaraffe, Briefpapier, Kofferständer. Sei gegrüßt, Heimat seit einer halben Stunde, Heimat für zwei, drei oder vierzehn Tage -: Wirst Du mir freundlich gesinnt sein? Werde ich bei Dir ausruhen dürfen? — Ich lese Klaus Mann. Seit bald sechs Stunden lese ich in einem Buch, das seine Texte versammelt, eine Auswahl. Ich habe das Buch bereits vom ersten bis zum letzten Satz gelesen. Nun, indem ich wieder von vorn beginnen werde, zu einem Zeitpunkt, da ich nicht weiß, wie lange es dauern wird, bis ich mich wieder bewegen werden kann, habe ich beschlossen, das Buch abzuschreiben, weil das Buch abzuschreiben längere Zeit in Anspruch nehmen wird, als das Buch zu lesen. Ich muss mich nämlich beschäftigen, um meine innere Ruhe nicht zu verlieren, weil ich Grund habe, äußerst beunruhigt zu sein. Es war gegen 8 Uhr abends, gerade Dämmerung, als ich vor dem Fenster im 22. Stock eine Bewegung bemerkte. Ich hatte gerade fünf Seiten des Buches gelesen, als ich den Blick auf das Fenster richtete. Ich bemerkte eine Drohne, ein kleines Flugobjekt, das zu mir hereinspähte. Sie ist immer noch da. Sie filmt mich, wie ich hier auf meinem Sofa sitze. Ich habe den Verdacht, dass sie möglicherweise eine oder zwei Waffen auf mich richtet, weswegen ich so tue, als würde ich sie nicht sehen. Und doch traue ich mich nicht, mich zu erheben, obwohl ich sehr durstig bin und hungrig. Kaum will ich einen Fuß auf den Boden stellen, kommt die Drohne so nah an das Fenster meines Zimmers heran, dass ich meine, sie würde die Scheibe berühren. Ich weiß, dass man mich betrachtet, verdammt, wer auch immer Ihr seid, ich weiß, dass Ihr mich betrachtet. Ich sage Euch, ich erkläre hiermit, ich werde Euch keinen Gefallen tun, ich werde Euch nicht reizen, ich werde Euch keinen Anlass geben, auf mich zu feuern. Ich bin ganz ruhig, ich bin gelassen, Klaus Mann ist bei mir, ich lese, ich schreibe. Es ist kurz nach zwei Uhr. Fangen wir noch einmal von vorn an: Ich weiß nicht, wohin ich fahre. Ich fahre irgendwohin. Ich trage meinen Handkoffer, ein paar Bücher, den Regenmantel. — stop