ginkgo : 6.55 — M. ist verschwunden. Freunde suchen nach ihm. Sie rufen bei mir an und fragen, ob er vielleicht bei mir untergekommen sein könnte. Ich habe M. seit zwei Jahren weder gesehen noch von ihm gehört. Dass er untergetaucht sein könnte, wundert mich nicht. Ich erinnere mich gut an ihn. Er hatte kein Geld, war wirklich arm. Einmal erwähnt er, er habe seit einigen Jahren kein einziges Buch zu Ende gelesen. Auch sei er niemals in einer Buchhandlung gewesen. Trotzdem habe er sehr viel gelesen. Er mache das so. Er lade sich Leseproben auf sein Lesegerät aus dem Internet. Diese Proben lese er dann immer wieder, es ginge ihm um den Klang der Sprache, nicht so sehr um die Geschichten selbst. Er suche regelrecht nach Leseproben, die frei verfügbar sind. Er habe zurzeit über 6000 erste Seiten gespeichert, die sich in seinem Kopf wie Landungsbrücken verhielten. Er spaziere einige Satzmeter weit aufs Meer hinaus, dann gehe es nicht weiter, das feste Land sei entfernt und sehr viel Raum vorhanden, in welchen man sich stürzen und davonschwimmen könne. — stop