nordpol : 2.15 — Im Süden, in den Bergen, liegt ein Tal in großer Höhe, eine Hochebene, die dicht von Ahornbäumen bewachsen ist. Jedes Jahr im Herbst möchte man meinen, ein großes Feuer sei im Tal unter den Bäumen ausgebrochen, eine Feuersbrunst, die nicht nur alle die verwitterten Bäume verschlingen wollte, sondern gleich noch ein paar Berggipfel und Dörfer dazu. Aber das ist natürlich Unsinn, die Luft ist für ein wirkliches Feuer viel zu kalt und die Wiesen unter den Bäumen sind saftig und feucht. Libellen, schon langsam geworden, fliegen auf und ab. Sie ahnen den Winter, wie die Sumpfdotterblumen, die morgens nur noch außergewöhnlich aufstehen wollen. Nichts Aufregendes also in dieser Landschaftsbeschreibung. Alles das kommt vor in den Bergen, auch Schulen blutjunger Kentauern, die in der Dämmerung vergeblich nach Hasen jagen. Wenn da nicht jene seltsamen Pilze wären, die noch ohne Namen sind, weil man sich bisher nicht einigen konnte, ob sie nun tatsächlich noch Pilze oder nicht doch schon ganz andere Wesen sind. Solange das Sonnenlicht ins Tal einfallen kann, verstecken sie sich zwischen den Gräsern der Bergwiese in Gestalt der Boviste, sobald es aber dunkel geworden ist, ich kann ihnen sagen, fliegen sie los. Sie entfalten Schirme von unglaublicher Größe und leuchten in zitronengelber Farbe und schweben stundenlang und lautlos dicht über die Kronen der Ahornbäume dahin. Was haben Pilze dort oben am Himmel verloren? Und wie finden sie wieder zurück auf die Erde? Warum überhaupt kommen sie zurück? Seltsame Substanzen. Ich muss das im Auge behalten. – Es ist jetzt kurz nach 2 Uhr. Eigentlich hatte ich vor, einen kleinen Brief an Kenzaburo Oe zu schreiben, um ihm mitzuteilen, dass Mrs. Callas gestern in den frühen Morgenstunden endgültig abreisen konnte, dass sie für mich wieder zu reinen Schriftzeichen geworden ist. Für diesen Brief ist es jetzt zu spät. Werde morgen eine Depesche notieren. — stop