india : 6.15 — Die müde Stimme eines Freundes gestern Abend auf dem Anrufbeantworter. Ich hatte um einen Rückruf gebeten, der Rückruf kam bald. Er meldete, er sei gerade auf dem Land in seinem Haus und kämpfe mit Ameisen. In den darauffolgenden Minuten hatten wir mehrfach kürzere Verbindungen, die je nur Sekundenzeit dauerten. Das waren Verbindungen einer Art gewesen, die man vielleicht von früher her kennt, Störgeräusche, Wortfetzen, Stimmen von sehr weit her, geheimnisvoll. Nach einigen Minuten war dann endlich eine stabile Verbindung erreicht. Ich hörte einen Bericht jener Vorgänge, die sich fern, im Rheingau, in einem kleinen Haus, das sich in der Nähe eines Waldes befindet, abspielten. Möbel wurden verrückt, in Mauerspalten geleuchtet, Dielen angehoben, um das Nest der Ameisentiere, die wieder einmal in das Haus eingewandert waren, aufzuspüren. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch immer die Vorstellung eines Kampfes, der mit den Werkzeugen der Uhrmacher gefochten wurde, Lupen, Pinzetten, dazu feinste Netze, Nadeln, Honigtropfen. Rasch wurde deutlich, dass ich mich in Dimensionen der Vorstellung bewegte, die mit der Wirklichkeit meines Freundes nichts zu tun hatten, mein Freund kämpfte mit Schaufeln, mit Besen, mit Giften, mit Feuer, mit Wasser. Er sagte, er habe einzelne Tiere bereits vor Wochen wahrgenommen, sie aber zunächst nicht ernst genommen. Ich stellte mir vor, wie sie nun überall sind, ein Haus, das von Ameisen geflutet wird, ein Haus, das eine Haut von Ameisenkörpern trägt. Sie sollen als Staatswesen ohne besondere Intelligenz sein. Sie bemerken nicht, dass man sie bekämpft, sie werden weniger, aber sie hören nicht auf, sie flüchten nicht, gerade deshalb sind sie vielleicht nicht zu bezwingen. Und wieder die Frage, nehmen wir einmal an, ein Volk von Wanderameisen näherte sich, was würde ich hören? Vielleicht ein gut sichtbares Geräusch? — stop