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ein koffer

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del­ta : 16.12 UTC — Ich weiß nicht, wohin die Vögel schla­fen gehen, stellt Hil­de Domin ein­mal fest. Sie erzählt, wie sie ihrem gelieb­ten Mann begeg­ne­te, dass sie wun­der­ba­re Gesprä­che führ­ten, dass sie sicher ein Jahr brauch­ten, um sich zum ers­ten Mal zu küs­sen. Wir waren sehr förm­lich. In der 45. Minu­te des wun­der­vol­len Films Ich will Dich — Begeg­nun­gen mit Hil­de Domin von Anna Dit­ges will die jun­ge Fil­me­ma­che­rin wis­sen, ob Hil­de Domin’s Ehe­mann ein guter Lieb­ha­ber gewe­sen sei. Hil­de Domin ant­wor­tet mit tro­cke­ner Stim­me: Ich hat­te kei­nen ande­ren. Ich kann das nicht beur­tei­len. Ich find, ja. Sie macht eine län­ge­re Pau­se. Dann fährt sie fort: Ich habe auch vor ihm nie­man­den geküsst. Das war damals nicht üblich, dass man so zurück­hal­tend war wie ich. Mei­ne Freun­din­nen waren alle anders. Anna Dit­ges: Er war der ein­zi­ge Mann, den Du je gekannt hast? Hil­de Domin ant­wor­tet: Ja! Anna Dit­ges: Wür­dest Du sagen, dass Erwin heu­te immer noch Dei­ne gro­ße Lie­be ist? — Hil­de Domin: Jeden­falls habe ich kei­ne ande­re. Weißt Du, der leben­di­ge Mensch ist der leben­di­ge Mensch. Und der Mensch, der nur noch in mei­ner Vor­stel­lung ist, das ist nicht das­sel­be. — In die­sem Augen­blick erin­ne­re ich mich an eine Foto­grafie, die mich neben mei­nem ster­benden Vater zeigt. Ich sit­ze auf einem Stuhl, mein Vater liegt in einem Bett. Es ist ein Bild, das ich zunächst kaum anzu­sehen wag­te. Ich habe tatsäch­lich eine Hand vor Augen gehal­ten und zwi­schen mei­nen Fin­gern her­vor gespäht. Spä­ter wur­de mir warm, wenn ich das Bild betrach­te­te. Die Foto­grafie zeigt einen fried­li­chen Moment mei­nes Lebens. Etwas geschieht, wovor ich mich lan­ge Zeit fürch­te­te. Wei­nen und Lachen fal­ten sich, wie Hän­de sich fal­ten. Mut­ter irr­te wochen­lang zwi­schen Haus und Fried­hof hin und her, als wür­de sie unsicht­bare Ware in gleich­falls unsicht­baren Kof­fern tra­gen. Sie geht noch immer, Jah­re sind ver­gan­gen, so umher. – stop

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