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im zug

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marim­ba : 2.32 — Am Abend spät betrat ein jun­ger Mann einen Zug der Schnell­bahn­li­nie, wel­che die Stadt mit dem Flug­ha­fen ver­bin­det. Er schlepp­te ein Fahr­rad hin­ter sich her, das so schwer bepackt gewe­sen war, dass er sich, genau genom­men, nicht auf das Fahr­rad set­zen konn­te, es war kein Platz für sei­nen schma­len Kör­per. Auf der Spit­ze des Gepäck­ber­ges von Taschen und Tüten, ruh­te ein Körb­chen, dort schlief eine Kat­ze. Es war still, der Zug an die­sem Abend bei­na­he leer, ein Zug, der über Gepäck­ab­tei­le oder Nischen für Fahr­rä­der, Kin­der­wa­gen und sehr gro­ße Kof­fer ver­füg­te. An kei­ner die­ser geeig­ne­ten Stel­len war der jun­ge Mann mit sei­nem Fahr­rad und sei­ner Kat­ze jedoch ein­ge­stie­gen, viel­mehr in ein Abteil, in wel­chem sich aus­schließ­lich Sitz­plät­ze befan­den. Nun geschah fol­gen­des: Eine Stim­me in deut­scher Spra­che ersuch­te den jun­gen Mann an der nächs­ten Hal­te­stel­le, aus­zu­stei­gen und sich in ein Abteil zu bege­ben, das für ihn und sein Fahr­rad vor­ge­se­hen war. Da der jun­ge Mann nicht reagier­te, wie­der­hol­te die Stim­me ihr Anlie­gen in eben der deut­schen Spra­che. Auch die­se zwei­te Auf­for­de­rung blieb ohne Erfolg, wes­halb kurz dar­auf eine Anspra­che zunächst in eng­li­scher, dann in fran­zö­si­scher, schließ­lich in spa­ni­scher, zuletzt in por­tu­gie­si­scher Spra­che zu ver­neh­men war. Es han­del­te sich je um Ton­kon­ser­ven, die ver­mut­lich alle genau den­sel­ben Text ent­hiel­ten, die­sel­be Bot­schaft oder Bit­te, den Hin­weis dar­auf, dass Fahr­rä­der nur in den dafür vor­ge­se­he­nen Abtei­len beför­dert wer­den dür­fen. Die Stim­men waren freund­lich in ihrem Klang, ange­neh­me Stim­men, sie wickel­ten sich ab in einem Zeit­raum von drei oder vier Minu­ten. Es war ver­geb­lich, der jun­ge Mann beweg­te sich nicht. Nach einer kur­zen Pha­se der Stil­le, erhob sich die Stim­me des Fah­rers erneut. Er for­mu­lier­te nun in chi­ne­si­scher Spra­che, ich neh­me an, die­sel­be Bot­schaft wie zuvor, ein bemer­kens­wer­ter Vor­gang, ein Bei­spiel von Beharr­lich­keit. Als der Zug kurz dar­auf in einem klei­nen Bahn­hof stopp­te, erschien ein zier­li­cher Mann im Abteil. Er trug eine blaue Uni­form­ho­se und ein wei­ßes Hemd, es han­del­te sich um einen Mann chi­ne­si­scher Her­kunft. Er schien sehr auf­ge­bracht zu sein. Er näher­te sich dem jun­gen Mann, ges­ti­ku­lier­te hef­tig, deu­te­te mal auf den Besit­zer des Fahr­ra­des, dann auf das Fahr­rad selbst, hob die Hän­de zum Him­mel, um bald wie­der zu ver­schwin­den. Dann setz­te der Zug sich wie­der in Bewe­gung. Vor den Zug­fens­tern schim­mer­te Schnee in den Bäu­men. Ein Gespräch unter Rei­sen­den war zu hören. Die Kat­ze in ihrem Körb­chen hat­te für einen Moment die Augen geöff­net. — stop
polaroidmonroe

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