Aus der Wörtersammlung: meeresboulevard

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von teefliegen

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kili­man­dscha­ro : 22.58 UTC — Und wie­der die Fra­ge, wie ist das mit der Wirk­lich­keit oder der Wahr­heit in mei­nem schrei­ben­den Leben? Jah­re­lang wohn­te eine Schne­cke in mei­ner Woh­nung, außer­dem ein Lich­ten­berg­fal­ter, Spring­spin­nen, Libel­len, ein Puma und Tee­flie­gen, immer wie­der Tee­flie­gen. Ich habe sie mit eige­nen Augen alle gese­hen oder mit mei­nen erfin­den­den Augen, die in mei­nem Kopf ver­wei­len. Ich könn­te des­halb sagen, nicht jeder mei­ner Trom­pe­ten­kä­fer wäre vor­zeig­bar, aber doch vor­stell­bar. Ein­mal ich eine wei­te­re deut­li­che Spur gelegt hin zur Arbeits­be­schrei­bung, Radar war zu lesen unter jedem mei­ner Par­tic­les — Tex­te, ein Hyper­link, der auf einen Text ver­wies, wel­cher mei­ne Arbeit beschreibt. Die­ser Text exis­tiert seit 15 Jah­ren, ich hat­te jene Text­pas­sa­ge, die Wirk­lich­keit und Erfin­dung bedeu­tet, zunächst unter­stri­chen, dann, weni­ge Minu­ten spä­ter in kur­si­ve Zei­chen gesetzt. Das muss­te genü­gen, und genügt immer noch. — Das Radio erzählt von einem schwer erkrank­ten Kind, das in einem Kel­ler der Stadt Mariu­pol nahe des Mee­res­bou­le­vards, solan­ge lei­se gesun­gen haben soll, bis sei­ne Stim­me für immer ver­stumm­te. — stop

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linie 16

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india : 4.32 UTC —  Mit der ers­ten Fahrt der Stra­ßen­bahn mor­gens kommt der Tag in die Nacht, Vögel stei­gen aus, hocken sich in Bäu­me und sin­gen, wäh­rend Flie­gen und Fal­ter aus mei­ner Woh­nung flüch­ten, um ein­zu­stei­gen und schnell auf und davon­zu­fah­ren. Ich soll­te ein­mal mor­gens auf die Stra­ße tre­ten und zur Hal­te­stel­le gehen. Wenn nun die ers­te Fahrt der Linie 16 ein­tref­fen wird, der Fah­rer von Nacht­fal­tern bedeckt, Sit­ze und Lam­pen und auch die Arbei­ter und Arbei­te­rin­nen der Früh­schicht. Dich­te, bit­te­re, stau­bi­ge Luft, ein sono­res Sum­men tau­sen­der Flü­gel. Klei­ne, har­te Käfer­kör­per, Ver­irr­te, stür­men durch den wei­chen, flie­gen­den Fal­ter­wald. Abends kommt man dann wie­der zurück, steigt aus, mit der letz­ten Fahrt, hell­graue Geis­ter. Bald Herbst. Das Radio erzählt von Lud­mil­la N., die am 12. März in Mariu­pol vor ihrem Haus am Mee­res­bou­le­vard durch ein Schrapnell getö­tet wor­den sein. Ihr Herz wur­de unmit­tel­bar getrof­fen. — stop

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schreibmaschine

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lima : 22.12 UTC — Eine merk­wür­di­ge Per­son könn­te ein­mal erfun­den wor­den sein, ein Mann, der vor einer schwe­ren, mecha­ni­schen Schreib­ma­schi­ne sitzt. Er notiert, ohne ein Farb­band ein­ge­legt zu haben. Dann nimmt er das Papier aus der Maschi­ne und macht den Ein­druck der Zei­chen­sät­ze sicht­bar, in dem er mit einem Blei­stift das Papier ver­dun­kelt. — Das Radio erzähl­te, im 9. Stock eines Hau­ses am Mee­res­bou­le­vard der Stadt Mariu­pol soll ein leb­lo­ses Ehe­paar vor­ge­fun­den wor­den sein. Das Ehe­paar sei im März gemein­sam ver­durs­tet. Die Frau wur­de 92, der Mann 91 Jah­re alt. — stop



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