echo : 20.55 — Im vergangenen Jahr noch, Mitte Dezember, wurde mir von einem jungen Moslem, dem ich gewogen bin, weil wir über seinen und über meinen Glauben sprechen können, ohne beleidigend oder abwertend sein zu müssen, ein Geschenk überreicht, ein kleines Buch, verbunden mit der dringenden Empfehlung zur Lektüre. Das Büchlein soll viel Licht enthalten, Weisheit, Wahrheit, Freiheit und auch Glück, weil es mir, so der Schenkende, beweisen werde, dass ich, der Autor dieser Zeilen, nicht von den Affen abstammen könne. Das Werk ist 18 cm hoch, 12 cm breit und 68 Seiten stark. Seit Wochen, eine Drohung, liegt es ungeöffnet auf meinem Schreibtisch. Und auch heute Nacht wird das nichts werden mit der Lektüre, weil ich Schneeflocken zählen, John Coltrane lauschen und über Geschichten nachdenken werde, die mir eine junge Indianerin erzählte, deren Schwester seit langer Zeit in den Wäldern Guatemalas verschwunden ist. Wie ihr das Wort Guerilla leicht von der Zunge fliegt, vielleicht weil das Wort schon immer zu ihrem Leben gehört. – Am 24. Dezember 2009 in Peking wurde der Schriftsteller Liu Xiaobo zu 11 Jahren Haft verurteilt, da er die Gewährleistung der Menschenrechte in China eingefordert hatte. — stop
Aus der Wörtersammlung: liu xiaobo
liu xiaobo und liu xia
delta : 0.02 – Mitternacht vorüber. Gleich, in wenigen Minuten, werde ich das Haus verlassen und ein wenig spazieren gehen, rüber zu den Wächtern, die vor dem Frankfurter Messeturm Stände antiquarischer Bücher umsorgen. Vielleicht haben sie schon offenes Feuer in einer Tonne entzündet. — Wie gut die Luft heut riecht! — Gebratene Tauben segeln durch die Nacht und die Straßenbahnen fahren jenseits der Gleise, wie sie wollen. Es schneit, aber es schneit rückwärts, der Schnee fällt zum Himmel hinauf. Eine gute Stunde ist das, Schritt für Schritt im Kreis herumzulaufen und an jene Menschen zu denken, die nicht anwesend sind, weil sie nicht anwesend sein können, weil sie verhaftet oder weil sie in ihren Häusern arretiert worden sind. — stop