Aus der Wörtersammlung: nachtschatten

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von blüten

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india : 5.08 — In einer expe­ri­men­tel­len Abtei­lung der Aka­de­mie bil­den­der Küns­te zu Man­aus wur­de ges­tern Abend gegen 18 Uhr eine Haut­zwerg­tul­pe auf die lin­ke Schul­ter einer jun­gen Künst­le­rin ver­pflanzt. Dort­hin wur­den bereits am Sonn­tag wäh­rend einer mehr­stün­di­gen Ope­ra­ti­on wei­te­re Haut­ge­wäch­se trans­por­tiert, ein Leber­blüm­chen, eine Nacht­schat­te­ni­ris, sowie zwei Sil­ber­dis­teln, die unver­züg­lich blüh­ten. Ein Wun­der, möch­te man mei­nen. — stop

mikroskop6

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manhattan transfer : ein wölkchen asche

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ulys­ses : 23.57 — Am spä­ten Abend, die Luft war von selt­sa­mer Mil­de, auf dem Pro­me­na­den­deck des Fähr­schiffs Spi­rit of Ame­ri­ca der ers­ten See­be­stat­tung mei­nes Lebens bei­gewohnt. Ein heim­li­cher Vor­gang, des­sen Beob­ach­tung nur des­halb mög­lich gewe­sen war, weil mich der jun­ge Mann und die jun­ge Frau, die vom Bug des Schif­fes her gekom­men waren, in den Nacht­schat­ten nicht wahr­ge­nom­men hat­ten. Sie stan­den für eini­ge Minu­ten still in mei­ner Nähe, sahen auf das Was­ser her­ab, das dun­kel gewe­sen war, hiel­ten sich an den Hän­den und spra­chen sehr lei­se. Sie spra­chen so, als wür­den sie beten. Ein hel­les Wölk­chen von Asche stieg in der Luft. Die jun­ge Frau fass­te in ihre Man­tel­ta­sche, sie warf ein Stück Papier in die Tie­fe, dann Blu­men, Blü­ten, eine hand­voll Blü­ten die jun­ge Frau, und eine hand­voll Blü­ten der jun­ge Mann. Dann gin­gen sie lang­sam fort in die Rich­tung, aus der sie gekom­men waren. — stop 

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sekundenzeit

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india : 10.01 — Ich hab eine lus­ti­ge Geschich­te mit mir selbst erlebt. Ich stand in einem Gar­ten am spä­ten Abend und ver­such­te, indem ich mich kon­zen­trier­te, die Umris­se mei­nes Kör­pers wahr­zu­neh­men, nicht die Umris­se einer bestimm­ten, einer aus­ge­wähl­ten Regi­on mei­nes Kör­pers, son­dern die Umris­se mei­nes Kör­pers ins­ge­samt. Plötz­lich mein­te ich, mich in einem Film zu befin­den, einem Film, der sich sehr lang­sam beweg­te, mit einem Bild pro Jahr­hun­dert sagen wir, so dass ich mich nicht erin­nern konn­te, über­haupt schon ein­mal in Bewe­gung gewe­sen zu sein. Auch der wol­ken­lo­se Him­mel über mir hat­te sich noch nie zuvor bewegt, und die gefro­re­nen Blät­ter der Bäu­me und ihre Nacht­schat­ten. Wie ich in die­ser Wei­se ver­harr­te und mich in die Vor­stel­lung der Bewe­gungs­lo­sig­keit ver­tief­te, für einen Moment der Ein­druck, Minu­ten­zeit wahr­neh­men zu kön­nen. — stop

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