Aus der Wörtersammlung: hummertiere

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nachtbild

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char­lie : 2.02 — Noch dun­kel, aber doch soviel Licht, dass ich eine Hand ent­de­cke, die sich genau­so bewegt, als wür­de sie malen. Der Mensch, zu dem die­se malen­de Hand gehört, schläft, ver­mut­lich ereig­nen sich im Augen­blick mei­ner Beob­ach­tung Träu­me, die die Hand bewe­gen. Ich ver­su­che in der Beob­ach­tung her­aus­zu­fin­den, das heißt, vor­zu­stel­len, was die­se Hand gera­de malen oder zeich­nen könn­te. Dar­über schla­fe ich ein. Als Mor­gen gewor­den ist, sage ich fröh­lich: Du hast heut Nacht viel­leicht im Schlaf gemalt! Kannst Du Dich erin­nern, an wel­chem Bild Du gear­bei­tet haben könn­test? — Es ist die Zeit der Hum­mer­ern­te. Ers­te kal­te Win­de flie­ßen über die gro­ßen Seen süd­ost­wärts. Ecke Wil­low St. pas­siert ein Legu­an die Cran­ber­ry St., ein Poli­zist, der sich freut, regelt den Ver­kehr. Plötz­lich eine Fra­ge wie eine bren­nen­de Lun­te, eine Fra­ge, die ich in einer frem­den Spra­che vor­sich­tig notie­re, ob sich Hum­mer­tie­re an mensch­li­chen Kör­pern ver­grei­fen? Beun­ru­hi­gend, wie damals, Ende des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts, die Fra­ge nach den Vor­lie­ben der Vik­to­ria­see­bar­sche? — stop
ping

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chinatown : kandierte enten

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nord­pol : 2.06 — Über die Brook­lyn Bridge nach Man­hat­tan. Wun­der­ba­res Licht, klar und sanft. Da ist ein Wind, der aus dem Lan­des­in­ne­ren kommt, ein bestän­di­ger, kal­ter Strom, gegen den sich Möwen in einer Wei­se stem­men, dass sie in der Luft zu ste­hen schei­nen. Hel­le Augen, grau, blau, gelb, das Gefie­der dicht und fein wie Pelz. Ich fol­ge kurz dar­auf einem alten chi­ne­si­schen Mann durch Chi­na­town. Tack, tack, tack, das Geräusch sei­nes Stocks auf dem Boden, ein Faden von Zeit über enge Stra­ßen. Links und rechts des Weges, schma­le Läden in roten, in gol­de­nen Far­ben, Waren, die Har­mo­nie bedeu­ten, Bän­der, Fächer, lächeln­de Mas­ken. Ich rie­che heu­te nichts, oder die Gerü­che, wenn sie noch exis­tie­ren, bewe­gen sich dicht über den Boden hin, Mor­chel­ber­ge, getrock­ne­te Schwäm­me, Muscheln, Nüs­se, Algen­we­del, Krab­ben, zwei Hum­mer­tie­re, sie leben noch, sind für 20 Dol­lar zu haben. Im Restau­rant nahe der Mott­street, eine mil­de Enten­sup­pe gegen den Abend zu. Mes­ser der Köche, die vor mei­nen spei­sen­den Augen laut­los durch hal­be Schwei­ne flit­zen. Gebra­te­ne Enten­kör­per, glän­zend, als wären sie von der Art kan­dier­ter Früch­te, bau­meln in den Fens­tern. Dann Däm­me­rung und Wär­me im Bauch und das Schwin­gen der Brü­cke noch in den Bei­nen. – stop