Aus der Wörtersammlung: arbeitswelt

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india : 16.28 UTC — Ein­mal, ich habe vor zwei Jah­ren bereits davon erzählt, arbei­te­te ich im Pal­men­gar­ten abends bei leich­tem Regen auf einer Bank. Neben mir saß ein Mann, der mich nicht sehen, aber hören konn­te. Ich bemerk­te nicht sofort, dass er blind war, weil ich unter einem Regen­schirm saß, auch der Mann hat­te einen Regen­schirm über sich auf­ge­spannt. Kaum hat­te ich Platz genom­men, notier­te ich zunächst eine Lis­te von Büchern in mein Note­book, die sich mit der Arbeits­welt der Men­schen beschäf­ti­gen. Sie schrei­ben schnell, sag­te der Mann plötz­lich, sie sind wohl geübt. Sie haben viel­leicht etwas im Kopf, das sie los­wer­den wol­len. Als ich mich dem Mann zuwen­de­te, bemerk­te ich, dass er den Regen­schirm in eine lang­sa­me Dre­hung ver­setzt hat­te, sein Gesicht konn­te ich nicht erken­nen. Wenn das mei­ne Schreib­ma­schi­ne wäre, könn­te ich Ihnen genau sagen, was sie gera­de geschrie­ben haben. Ich kann hören, was mei­ne Schreib­ma­schi­ne schreibt. Der Mann mach­te eine kur­ze Pau­se. Was haben sie denn auf­ge­schrie­ben, woll­te er dann wis­sen. Ich ant­wor­te: Eini­ge Namen, Namen, die sie viel­leicht schon ein­mal gele­sen haben. Mel­ville. Bukow­ski. Upt­on Sin­clair. Max von der Grün. – Gele­sen nicht, ant­wor­te­te der Mann, aber gehört habe ich zwei der Namen. Upt­on Sinclair’s Dschun­gel­buch exis­tiert in eng­li­scher Spra­che als Hör­buch für Blin­de oder für Men­schen, die nicht lesen wol­len. Ich wür­de ger­ne lesen, aber das geht ja nicht so leicht, wenn man nichts sieht. Der Mann lach­te. Ich höre dem Regen ger­ne zu, aus mei­ner Sicht der Din­ge ist das so, als wür­de der Regen schrei­ben, hören Sie, wie es reg­net, wie es schreibt. Ist das nicht wun­der­bar! – Ich frag­te den Mann, ob er denn lesen oder hören kön­ne, was der Regen genau notie­re in die­sem Augen­blick. – Aber natür­lich, ant­wor­te­te der Mann, es ist mit jedem Regen etwas ande­res, nicht wahr, der Regen, der auf das Meer fällt, erzählt etwas ande­res, als die­ser Regen hier, der über einem klei­nen See nie­der­geht. Für einen Moment stand der Regen­schirm neben mir ganz still. Ich hör­te ein Flüs­tern: Die­ser Regen hier erzählt von Chi­ca­go. — stop

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tan­go : 6.05 — Im Pal­men­gar­ten abends bei leich­tem Regen auf einer Bank. Neben mir saß ein Mann, der mich nicht sehen, aber hören konn­te. Ich bemerk­te nicht sofort, dass er blind war, weil ich unter einem Regen­schirm saß, auch der Mann hat­te einen Regen­schirm über sich auf­ge­spannt. Kaum hat­te ich Platz genom­men, notier­te ich zunächst eine Lis­te von Büchern in mein Note­book, die sich mit der Arbeits­welt der Men­schen beschäf­ti­gen. Sie schrei­ben schnell, sag­te der Mann plötz­lich, sie sind wohl geübt. Sie haben viel­leicht etwas im Kopf, das sie los­wer­den wol­len. Als ich mich dem Mann zuwen­de­te, bemerk­te ich, dass er den Regen­schirm in eine lang­sa­me Dre­hung ver­setzt hat­te, sein Gesicht konn­te ich nicht erken­nen. Wenn das mei­ne Schreib­ma­schi­ne wäre, könn­te ich Ihnen genau sagen, was sie gera­de geschrie­ben haben. Ich kann hören, was mei­ne Schreib­ma­schi­ne schreibt. Der Mann mach­te eine kur­ze Pau­se. Was haben sie denn auf­ge­schrie­ben, woll­te er dann wis­sen. Ich ant­wor­te: Eini­ge Namen, Namen, die sie viel­leicht schon ein­mal gele­sen haben. Mel­ville. Bukow­ski. Upt­on Sin­clair. Max von der Grün. – Gele­sen nicht, ant­wor­te­te der Mann, aber gehört habe ich zwei der Namen. Upt­on Sin­clairs Dschun­gel­buch exis­tiert in eng­li­scher Spra­che als Hör­buch für Blin­de oder für Men­schen, die nicht lesen wol­len. Ich wür­de ger­ne lesen, aber das geht ja nicht so leicht, wenn man nichts sieht. Der Mann lach­te. Ich höre dem Regen ger­ne zu, aus mei­ner Sicht der Din­ge ist das so, als wür­de der Regen schrei­ben, hören Sie, wie es reg­net, wie es schreibt. Ist das nicht wun­der­bar! – Ich frag­te den Mann, ob er denn lesen oder hören kön­ne, was der Regen genau notiert in die­sem Augen­blick. – Aber natür­lich, ant­wor­te­te der Mann, es ist mit jedem Regen etwas ande­res, nicht wahr, der Regen, der auf das Meer fällt, erzählt etwas ande­res, als die­ser Regen hier, der über einem klei­nen See nie­der­geht. Für einen Moment stand der Regen­schirm neben mir ganz still. Ich hör­te ein Flüs­tern: Die­ser Regen hier erzählt von Chi­ca­go. — stop

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bamako : 3.05 — Habe in den ver­gan­ge­nen Wochen ver­schie­de­ne Wör­ter­bü­cher unter­sucht, ins­be­son­de­re jene Samm­lun­gen, die im Hin­ter­grund zahl­rei­cher Text­edi­to­ren heim­li­che Arbeit ver­rich­ten. Es ist so, dass auf der Ebe­ne der Spra­chen, Nacht­men­schen in einem Wort exis­tie­ren, aber nicht Tag­men­schen. Das Wort Tag­mensch wird sofort als nicht kor­rek­tes Wort aus­ge­wie­sen. Es scheint dem­zu­fol­ge für am Tage leben­de Men­schen mög­lich zu sein, ande­re, näm­lich Men­schen, die über­wie­gend in der Nacht­zeit exis­tie­ren, mit einem Wort zu kenn­zeich­nen, wäh­rend hin­ge­gen Nacht­men­schen nicht mög­lich ist, jene Men­schen, die die Nacht ver­schla­fen, mit einem ein­deu­ti­gen Wort zu bezeich­nen. Das ist aus mei­ner Sicht zunächst selt­sam, eine Übung, die sich ver­mut­lich bald ändern wird, indem sich Lebens­ar­ten und Arbeits­wel­ten der Men­schen immer fort ver­dich­ten. — Flug­ha­fen. Leich­ter Schnee­fall. Es ist kurz vor drei Uhr. Eine rie­si­ge Anto­now-Maschi­ne rollt über das Flug­feld. Kein Laut zu hören vom Unge­tüm, das doch flie­gen kann. Weni­gen Minu­ten zuvor erzähl­te mir Mulu­le­la, 24, Trai­nee aus Kame­run, dass sich das Leben in Deutsch­land doch sehr vom Leben in Afri­ka unter­schei­de. In ihrem Dorf, zum Bei­spiel, spa­zie­re sie ein­fach los, wenn sie an jeman­den den­ken wür­de, um die­sen Men­schen sofort zu besu­chen. In Deutsch­land müs­se man zunächst tele­fo­nie­ren, fra­gen, sich ankün­di­gen. Über­haupt müs­se man hier für alles, aber auch wirk­lich alles bezah­len, nur das Was­ser in den Trink­brun­nen schei­ne kos­ten­los zu sein und die Luft zum Atmen. Ganz sicher sei sie sich in die­ser Sache aber nicht! — stop

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