Aus der Wörtersammlung: passanten

///

madison avenue

2

ulys­ses : 7.
32 — Madi­son Ave­nue am frü­hen Mor­gen von Süd nach Nord. Tau­sen­de Tag­pas­san­ten nähern sich und ver­schwin­den. Hef­ti­ge Win­de. Blü­ten, Blät­ter, Töne wir­beln in Spi­ra­len durch die fri­sche Luft. Frau­en hal­ten ihre Röcke, Män­ner ihre Hüte fest. Berau­schen­de Glücks­ge­füh­le. Wer­de ich grö­ßer oder wer­de ich klei­ner? Irgend­et­was schep­pert lei­se im Kopf von Schritt zu Schritt. Flie­gen­leicht­ge­wich­te, trans­pa­ren­te Hum­mer­ge­stal­ten, spa­zie­ren seit­wärts über den Bild­schirm mei­ner Hand­schreib­ma­schi­ne dahin, gebeu­tel­te, zau­si­ge Her­zen. Wo waren sie in der ver­gan­ge­nen Nacht gewe­sen? In dem ich eines der Geschöp­fe auf der Schul­ter mit mir tra­ge, der Gedan­ke, dass sich bei­na­he alle Men­schen die­ser gro­ßen Stadt nicht per­sön­lich ken­nen. stop

///

mumbai — darjeeling

pic

echo : 8.55 — Das 8 jäh­ri­ge Mäd­chen Puja in dem Doku­men­tar­film Gebo­ren im Bor­dell, von dem man berich­tet, dass es in sei­nem Leben noch nie Nein gesagt haben soll. Ein düs­te­rer Ort an dem Puja lebt, oran­gen­far­be­ne, von Flie­gen umschwirr­te, rußi­ge Glüh­bir­nen, eine völ­lig über­füll­te Woh­nung, Schmutz, der Lärm der Frei­er Tag und Nacht. Und doch gibt es etwas in Pujas Leben, das ihr Freu­de berei­tet. Sie besitzt einen Foto­ap­pa­rat. Sie geht mit ihm auf die Stra­ße und foto­gra­fiert Pas­san­ten. Das sind fei­ne Auf­nah­men, die Puja macht, kein foto­gra­fier­ter Mensch wird böse, sobald sich der merk­wür­di­ge Foto­ap­pa­rat Pujas auf sie rich­tet. Da steht ein klei­ner Mensch in einem roten Kleid, des­sen Kopf sich in eine Maschi­ne mit zwei Augen ver­wan­delt. — Mit­ter­nacht. stop. Wäh­rend ich arbei­te­te an einer klei­nen Geschich­te über Bil­ly, den Ken­taur, selt­sa­me Stil­le. Kein Laut von drau­ßen, drin­nen nur das sehr lang­sa­me Klap­pern der Tas­ta­tur. Jetzt sanf­te Gedan­ken pfle­gen, Musik hören, ins Cafe gehn, dann die Vor­be­rei­tung einer Rei­se nach Indi­en irgend­wann wie­der ein­mal auf­neh­men : Mum­bai – Dar­jee­ling in Zügen.

ping

///

bagdad

pic

nord­pol : 0.05 — In Bag­dad spricht ein Repor­ter vor einer Fern­seh­ka­me­ra. Men­schen, Pas­san­ten, schau­en ihm über die Schul­ter, sie machen Vic­to­ry­hand­zei­chen in Rich­tung der Kame­ra und lachen. Im Hin­ter­grund kreuzt ein Crui­se Mis­sile eine Stra­ße. Der Flug­kör­per kommt von rechts und fliegt nach links, er fliegt genau in Ampel­hö­he und gera­de so schnell, dass er nicht zu Boden fällt. Er fliegt in einer Art und Wei­se, als wür­de er sich an Ver­kehrs­re­geln hal­ten. Kur­ze Zeit spä­ter eine Deto­na­ti­on, kaum hör­bar, aber gut sicht­bar, eine Erschüt­te­rung des Bodens, eine Erschüt­te­rung der Luft, eine Erschüt­te­rung, die auf den Kör­per des Kame­ra­man­nes ein­wirkt, die sich durch den Kör­per des Kame­ra­man­nes fort­setzt bis zur Kame­ra hin und die Sta­bi­li­tät des Bil­des beein­flusst. Auch Hori­zont und Him­mel sind erschüt­tert, wie die Men­schen und ihre Vic­to­ry­zei­chen. stop. Wür­den SIE eine 500-Pfund-Bom­be nach einem Men­schen werfen?

ping