ulysses : 22.46 MESZ — Seit einigen Jahren, ich muss das schnell erzählen, kaufe ich immer wieder einmal ein digitales Buch, obwohl ich mir vorgenommen hatte, papierenen Büchern, die ich in die Hand zu nehmen vermag, treu zu bleiben, ihren Geräuschen und ihrem Duft. Nun ist das zunächst so gewesen, dass ich Romananfänge in der digitalen Sphäre zu sammeln begann. In meiner kleinen handlichen Schreibmaschine waren bald über eintausend Leseproben versammelt. Melvilles Erzählung Bartleby war der erste digitale Text gewesen, den ich zu mir holte. Etwas später folgten Dostojewskij, Auster, DeLillo, Humboldt, John Dos Passos. Plötzlich bemerkte ich, dass mir John Dos Passos’ Buchtext Manhattan Transfer fehlen würde, ich meine, dieser wundervolle Roman als wirkliches Buch, das in meinem Bücherregal stehen würde, sichtbar sein Rücken, dieses Buch habe ich gelesen. Auch Humboldt Ansichten der Natur würde fehlen und Austers Roman 4321. Ich ertappte mich bei der Überlegung, ein Stück Holz in mein Regal zu stellen in der ungefähren Größe des originalen papierenen Buches. Ich dachte, ich könnte das Stück Holz mit einem Buchrücken versehen, einer Kopie, ich könnte demzufolge, eine Instanz des digitalen Buches kreieren, die mir anzeigt, dass ich das Buch besitze, dass ich es gelesen habe oder bald einmal lesen könnte. Oder die Instanz eines Buches, das überhaupt noch als ein papierenes Buch zu schreiben wäre: #HongKongProtests — stop
Aus der Wörtersammlung: dostojewski
Игрок
sierra : 22.58 UTC — Vor einigen Tagen hab ich mir ein Buch gewünscht in russischer Sprache, nämlich Игрок von Fjodor Dostojewski. Nun werden Sie vermutlich fragen, ob Louis, der hier schreibt, die russische Sprache zu lesen vermag. Nein, ich kann die russische Sprache nicht lesen, aber ich höre sie gern, und es wird mir eine Ehre sein, ein berühmtes Buch in russischer Sprache auf meinen Schreibtisch zu legen. Da wird es dann liegen neben einer Übersetzung in die Deutsche Sprache von Swetlana Geier. Ich könnte vielleicht sagen, dass das eine Buch, das ich zu lesen vermag, vor jedem Satz, den ich in Augenschein nehmen werde, das andere Buch, das ich nicht zu lesen vermag, befragen wird. Das ist eine gute Vorstellung. Noch heute Abend setz ich mich auf mein Fahrrad. Gewitterlicht. — stop
tokiozug
charlie : 22.25 UTC — Vor wenigen Minuten noch habe ich mit einem Bleistift in meiner rechten Hand versucht, den Namen Dostojewski’s in mein Notizbuch einzutragen. Das ist vielleicht tatsächlich eine kleine Meldung wert. Der letzte Eintrag in mein Notizbuch ist nämlich mit dem Monat April verbunden, das war, ich erinnere mich, an einem Sonntag gewesen, ein stürmischer und regnerischer Tag, die Papiere meines Notizbuches waren feucht geworden, wellten sich, wellen sich noch immer. Ich habe damals die Frage notiert, ob Fledermäuse auch bei Regen fliegen. Nun ging es heute um etwas ganz anderes, ich wollte eine Notiz zum Roman Der Spieler verzeichnen. Leider fuhr ich in diesem Augenblick meines Notierwunsches in einem Zug voller Menschen, die sich dicht aneinander drängten, weswegen ich meine Schreibmaschine nicht erreichen konnte. Also suchte in der linken Hosentasche nach meinem Notizbuch für Notfälle. Dieses Buch ist, wie ich erwähnte, von Papier, wurde mehrfach gefaltet, ebenso mehrfach feucht und wieder getrocknet, ein Heftchen, in welchem ich beizeiten mit wilder, ungeübter Schrift notiere, sodass ich manchmal nur noch erahnen kann, was ich vermerken wollte. So habe ich heute also aus der Erinnerung Variationen eines berühmten Namens notiert, mehrfach habe ich angesetzt, dann wieder nachgedacht. Ich frage mich, was würde Fjodor M. Dostojewski vielleicht gedacht haben, hätte er mich beobachtet in diesen aufregenden Minuten einer kurzen Zugreise? — Heute ist Dienstag, es ist warm, es ist Sumatra. — stop