Aus der Wörtersammlung: trommelfell

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von ohren

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alpha : 18.55 UTC — Ich glaub­te lan­ge Zeit, ein Mensch, der über sech­zehn Ohren­paa­re ver­fü­ge, müs­se eigent­lich über einen guten Gehör­sinn ver­fü­gen. Nun ist das aber so, dass jene Ohren, die auf den Ober­ar­men Jos­si Kau­ki­nens zu bewun­dern sind, über kei­ner­lei Gehör­gang ver­fü­gen, auch nicht über Trom­mel­fel­le oder Gehör­knö­chel­chen oder Ohr­trom­pe­ten. Die­se Ohren, die ich mit eige­nen Augen gese­hen habe, in einem Som­mer, da ich nach Finn­land reis­te, um Herrn Kau­ki­nen und sei­ne Ohren zu besu­chen, sind ledig­lich die Muscheln der Ohren, Schall­kör­per, die Kau­ki­nen zu züch­ten ver­mag, weil er weiß, wie das geht. Er lebt davon, dass er fri­sche Ohren gekühlt zu lie­fern in der Lage ist. Kaum ist ein Ohr auf Rei­sen gegan­gen, — sie flie­gen meist mit einem Hub­schrau­ber davon, wächst schon ein nächs­tes Ohr her­an, eine Knos­pe bil­det sich bin­nen weni­ger Stun­den an genau jener Stel­le, da zuvor ein aus­ge­wach­se­nes Ohr ent­fernt wor­den ist. Die­se Knos­pe ist zunächst nur mit­tels Mikro­sko­pien sicht­bar, aber schon drei Tage spä­ter kann man erah­nen, dass ein wei­te­res Ohr her­an­wach­sen wird, das gepflegt wird und vor dem Licht der Son­ne beschützt. Herr Kau­ki­nen schläft im Sit­zen. Er sitzt also in sei­nem Bett, von Gur­ten in Posi­ti­on gehal­ten und schläft und sieht sehr selt­sam aus im Zwie­licht, als wür­den Blu­men von Fleisch sich auf sei­nen Schul­tern nie­der­ge­las­sen haben. Klin­gelt der Wecker sehr früh, wird es ernst. Dann nähert sich Kau­ki­nens Frau mit etwas Wat­te und Werk­zeug: Mein Lieb­ling, heu­te ist wie­der solch ein Tag! — stop

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trillerpfeife

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romeo : 15.42 UTC — Ich kann mich nicht erin­nern, wann genau ich mit der Samm­lung von Wör­tern begann, die ich an die­ser Stel­le ein­mal ver­wen­de­te, Wör­ter, die mich zu beob­ach­ten schei­nen, als wären sie Lebe­we­sen, fra­gen­de Per­sön­lich­kei­ten: Bin ich an die­ser Stel­le rich­tig ange­kom­men, kann ich mich ent­fal­ten, ist zu ver­ste­hen, was ich bedeu­te, was ich zu sagen wün­sche? Wenn man in die­ser Wei­se Wör­ter sam­melt, als wür­de man Käfer­we­sen fan­gen, kommt man aus dem Stau­nen nicht her­aus, was alles so exis­tiert in der Buch­sta­ben­welt, wovon man Kennt­nis zu haben meint, sagen wir Wör­ter wie die­se: Wind­stil­le . Tril­ler­pfei­fe . Trom­mel­fell . Amei­sen­pan­ther . Lauch­stan­ge . Zun­gen­kä­fer . Stau­nen Sie doch mit mir, sobald Sie Zeit fin­den, Zap­fen­zun­gen sind HIER hin­ter in die­sem geführ­ten ZUGRIFF sofort zu fin­den. — Wei­ter­hin Regen. Es reg­net bereits so lan­ge, dass man glau­ben möch­te, die­ser April­re­gen könn­te rei­ne Erfin­dung sein. — stop

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san lorenzo de esmeraldas

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kili­man­dscha­ro : 6.55 — Am Sams­tag der ver­gan­ge­nen Woche erreich­te mich eine Waren­sen­dung, die in einem Dorf namens San Loren­zo de Esme­ral­das bereits im Juli auf­ge­ge­ben wor­den war. Die klei­ne Ort­schaft liegt nahe der Gren­ze zu Kolum­bi­en im Dschun­gel unweit der Pazi­fik­küs­te, lan­ge Näch­te, feuch­te Luft, krei­schen­de Tama­ri­ne. Das Päck­chen, ich hat­te lan­ge dar­auf gewar­tet, ent­hielt ein Käst­chen von Holz in der Grö­ße einer Zigar­ren­schach­tel, das mit­tels eines blau­en Gum­mi­rie­mens ver­schlos­sen wur­de. Ich stell­te das Käst­chen auf mei­nen Schreib­tisch ab, um es vor­sich­tig zu öff­nen. Fei­ner, hel­ler Sand wur­de sicht­bar, Sand, so fein wie gemah­le­ner Kam­pot-Pfef­fer. Bald arbei­te­te ich mich mit einem Pin­sel vor­sich­tig in die Tie­fe vor­an, bis ich auf zwei Kör­per stieß. Es han­del­te sich um Käfer­we­sen, die des­halb etwas Beson­de­res dar­stell­ten, weil sie je über zwei Köp­fe ver­füg­ten und über sechs Füh­ler, die im Moment mei­ner Besich­ti­gung nicht im Gerings­ten auf mei­ne Gegen­wart reagier­ten. Nach einer hal­ben Stun­de, ich hat­te die Käfer bis dahin lie­be­voll betrach­tet, waren end­lich Lebens­zei­chen zu erken­nen, die Füh­ler der Käfer beweg­ten sich, und ich hob sie aus ihrem Sand­bett und sie schlu­gen mit den Flü­geln, als woll­ten sie mich begrü­ßen. Ihre Kör­per waren weich, sie beb­ten, und sie ver­ström­ten einen fei­nen Duft, der mich an Man­deln erin­ner­te. Zur ers­ten Pro­be setz­te ich einen der Käfer an mein lin­kes Ohr, und der Käfer drang unver­züg­lich in mich ein, sehr behut­sam, bis ich bemerk­te, dass sei­ne Füh­ler mein Trom­mel­fell betas­te­ten. Kurz dar­auf wei­te­te sich sein Kör­per, ich hör­te ihn knis­tern, bis er mei­nen Gehör­gang voll­stän­dig füll­te. Ein Pochen war zu ver­neh­men, das mich müde wer­den ließ. Kaum hat­te ich den zwei­ten Käfer in das ande­re mei­ner Ohren gesetzt, schlief ich ein. Zwölf Stun­den lang schlief ich tief und fest, mei­ne Stirn ruh­te auf dem Schreib­tisch. Als ich erwach­te, hat­ten sich bei­de Käfer wie­der in ihr Sand­bett zurück­ge­zo­gen. Es ist jetzt frü­her Mor­gen. — stop
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