echo : 15.12 — Der Verdacht, dass meine Ohren zur Nachtzeit größer werden. — stop
Aus der Wörtersammlung: echo
lampedusa
echo : 10.25 — In der vergangenen Nacht kurz vor Europa sind 500 afrikanische Menschen mit ihren Booten für immer im Meer versunken. — Ist das eine Nachricht? — stop
minutenwartezeit
echo : 2.12 — Zwei Männer erinnert, die in Madrid zu je 30000 Jahren Haft verurteilt wurden, weil sie im März 2004 einhundert einundneunzig Menschen mittels von Ferne gezündeter Bomben getötet hatten. Eine dramatische Zeitstrafe, Ausdruck menschlicher Ohnmacht vor einem ungeheuren Verbrechen. — stop
illuminationen
echo : 15.08 — Das leise Gaspfeifen marineblauer Luftschiffskäfer, indem sie über meinem Schreibtisch steigen und sinken. — stop
null
echo : 0.02 — Ich schreibe, wenn ich denke wie es ist. — stop
lilimambo
echo : 0.08 — Die Stille zwischen zwei Wörtern.
=
echo : 5.05 — m a n d e l b u c h t
robert walser
echo : 0.05 — Vor wenigen Minuten habe ich entschieden, mir von einem hochverehrten Schriftsteller, den ersten Satz einer Geschichte zu leihen. Der Satz geht so: Es ist Mitternacht vorüber. Dieser erste Satz wurde von Robert Walser bereits im Jahre 1907 notiert, und ich dachte, ist es nicht wundervoll, dass Robert Walser und ich einmal einen ersten Satz teilen werden! — Noch zu tun heute Nacht: Einen situs inversus umkreisen. — stop
kofferzimmer
echo : 2.18 — Ich stellte mir eine Minute vor, dann eine Stunde, dann einen Tag. Ich stand auf und ging von Zimmer zu Zimmer, aß eine Banane, sah aus dem Fenster, setze mich an den Schreibtisch, stellte mir eine Woche vor, dann einen Monat, dann ein Jahr. Ich erhob mich, sah nach der Uhrzeit, dann aus dem Fenster, verließ das Haus, spazierte und kam zurück, setzte mich aufs Sofa. Eine harmlose Geschichte. Sogleich weiter gedacht. Seltsame Kerne leise in meinem Kopf hin und her bewegt, jene von den Schlafwaben zum Beispiel, von Kofferzimmern, in welchen erwerbslose Menschen dämmernd lagern. Wie ihnen schmerzlos die Zeit vergeht, wie sie, von besseren Zeiten träumend, Blutkonserven aus ihren Knochen destillieren. Kaum hatte ich aufgeschrieben und mich gewundert über das, was ich dachte, stand ich wieder in der Küche, aß eine weitere Banane und einen Pfirsich zum Nachtisch. Dann, endlich, bemerkte ich Geraldines Sommerhut, sein Schaukeln auf atlantischen Wellen. Ungeheure Stille. Absolute Stille. In dieser namenlosen Stille, ein Hut allein auf dem Meer. Kein Schiff. Kein Land. Aber einhundert Seemeilenkreise von Stille in einem Bild, das ich niemals mit Augen sehen, sondern immer wieder nur denken werde. stop. Guten Morgen!
geraldine verliert ihren sommerhut
~ : geraldine
to : louis
subject : MEIN SOMMERHUT
Es ist windig heute, Mr. Louis, aber das Meer bewegt sich nicht. Kleinste Wellen nur, als würde das Wasser frieren. Weil dazu die Sonne scheint, hatte Papa am Vormittag den Schiffsfotografen und meinen Sommerhut mitgebracht. Jetzt schwimmt mein Hut auf dem Atlantik, weil ich einen Moment nicht aufgepasst und ihn nicht festgehalten habe. Bald werde ich eine Fotografie besitzen mit einem Hut, den es nicht mehr gibt. Eine lustige Geschichte, nicht wahr? Aber was erzähle ich Ihnen da für unwichtige Dinge? Ich muss immerzu an meinen kleinen, lieben Steward denken. Seit zwei Tagen liegt er in seiner Kajüte, weil er krank geworden ist. Nichts Ernstes, nur ein Schnupfen und etwas Husten. Und natürlich darf ich nicht zu ihm, ich könnte mich infizieren mit Himmelweißwas und das würde mich umbringen, sagt der Doktor, obwohl ich das nicht glaube, weil ich doch sehr verliebt bin. In zwei Tagen darf ich vielleicht zu ihm. Bis dahin schicke ich kleine Briefe, weshalb ich eigentlich überhaupt keine Zeit habe, an Sie zu schreiben. — Ahoi, Mr. Louis, Ahoi! Ihre Geraldine auf hoher See.
notiert im Jahre 1962
an Bord der Queen Mary
aufgefangen am 22.02.2009
22.18 MEZ
GERALDINE TO LOUIS / ENDE