ulysses : 15.02 UTC — In den Archiven meiner flachen Glasschreibmaschine sind letzte Gespräche geborgen, die ich vor 6 Jahren im Sommer mit meiner Mutter führte. Sie war im Haus der alten Menschen plötzlich wieder wach geworden, so wach, dass sie in ihrem Bett sitzen und erzählen wollte. Sie trug, ich erinnere mich noch gut, eine rosafarbene Bluse, und während sie erzählte, fasste sie immer wieder nach meiner Schreibmaschine, wollte sie in Händen halten, sah die Bewegung ihrer Stimme auf dem Bildschirm, Amplituden. Plötzlich schlief sie ein. Und ich ließ das Tonbandprogramm laufen, legte meine Schreibmaschine neben Mutter ins Bett und ging ein wenig über die Flure spazieren. Als ich zurückkehrte, war meine Mutter wach geworden. Ich hörte, noch war ich auf dem Flur, wie sie sprach, wie sie der Maschine erzählte, die sie gleich neben sich liegen sah. Sie lachte, als sie mich entdeckte und erzählte weiter, ohne eine Pause zu machen. Ich habe diese Gespräche mit meiner Mutter, ihre Erzählungen, seither nicht wieder gehört, habe sie jedoch sorgfältig gesichert. Es fällt nicht leicht ihre Stimme zu erinnern so einfach so. Aber wenn ich mir vorstelle, ich würde sie anrufen, dann geht es: Sie sagt: Ja bitte? — Das Radio erzählt von einem jungen Mann, der sich in Mariupol schützend vor seine Mutter stellte. Er wurde in der Küche eines Hauses im Stadtteil Staryj Krym erschossen. Das war bereits im März gewesen. Seine Mutter überlebte. Sie erzählt im Gespräch, sie könne das Gesicht des Schützen gut erinnern. — stop
Aus der Wörtersammlung: amplitude
ja bitte?
echo : 15.02 UTC — In den Archiven meiner flachen Glasschreibmaschine sind letzte Gespräche geborgen, die ich vor zwei Jahren im Sommer mit meiner Mutter führte. Sie war im Haus der alten Menschen plötzlich wieder wach geworden, so wach, dass sie in ihrem Bett sitzen und erzählen wollte. Sie trug, ich erinnere mich noch gut, eine rosafarbene Bluse, und während sie erzählte, fasste sie immer wieder nach meiner Schreibmaschine, wollte sie in Händen halten, sah die Bewegung ihrer Stimme auf dem Bildschirm, Amplituden. Plötzlich schlief sie ein. Und ich ließ das Tonbandprogramm laufen, legte meine Schreibmaschine neben Mutter ins Bett und ging ein wenig über die Flure spazieren. Als ich zurückkehrte, war meine Mutter wach geworden. Ich hörte, noch war ich auf dem Flur, wie sie sprach, wie sie der Maschine erzählte, die sie gleich neben sich liegen sah. Sie lachte, als sie mich entdeckte und erzählte weiter, ohne eine Pause zu machen. Ich habe diese Gespräche mit meiner Mutter, ihre Erzählungen, seither nicht wieder gehört, habe sie jedoch sorgfältig gesichert. Es fällt nicht leicht ihre Stimme zu erinnern so einfach so. Aber wenn ich mir vorstelle, ich würde sie anrufen, dann geht es: Sie sagt: Ja bitte? — stop
amplitude
sierra : 8.12 — Vergangene Nacht, eine Wiederholung, habe ich sieben Stunden Schlaf aufgezeichnet. Kaum richtig wach, lade ich die Datei in mein Tonbearbeitungsprogramm. Was ist zu hören, was hat sich ereignet? Gegen 1 Uhr kommt meine Nachbarin nach Hause, sie schlägt die Tür zu, heftige Amplitude. Gegen 2 Uhr der Abdruck einer Polizeisirene, zweifach, in einem Abstand von Minuten. Immer wieder das Rascheln der Bettdecke. Drei Male scheine ich spaziert zu sein. Gegen 5 Uhr erzähle ich eine Geschichte. Ich höre meine Stimme. Ich erzähle vom Fliegen und weiteres, unverständlich. — stop
teegedanken
~ : oe som
to : louis
subject : TEEGEDANKEN
date : dec 21 12 11.05 p.m.
Einige Tage und Nächte haben wir alle gemeinsam in der Werkstatt zugebracht. Noe konnte uns hören in der Tiefe, wir hatten unsere Mikrofone nicht ausgeschaltet, um ihn teilhaben zu lassen, an unserem Leben. Jetzt, lieber Louis, jetzt, da der Heilige Abend näher kommt, wird Noe melancholisch. Er fragte wieder nach seinen Eltern, ob seine Mutter und sein Vater noch lebten. Was sollen wir antworten? Was nur, verdammt, sollen wir antworten? Nichts als die Wahrheit? Wir wissen es nicht! Und so tun wir unser Bestes, Noe aufzuheitern. Benny Goodman spielt von der Konserve: Live at Carnegiehall. Noe liebt Benny Goodman seit Kindheitstagen. Weiterhin haben wir Noe in eine leichte, beruhigende Schwingung versetzt, er pendelt jetzt unter dem Schiff mit einer Amplitude von 20 Metern nach links und nach rechts. Indessen ahnt Noe nicht, was hier oben bei uns vor sich geht. Es ist nämlich so, dass wir unserem Taucher eine Überraschung bereiten werden. Eric, unser Maschinist, hatte die Idee, einen Weihnachtsbaum für Noe zu konstruieren, die Anmutung eines Weihnachtsbaumes genauer, der geeignet ist, in die Tiefe gelassen zu werden. Wir haben uns Mühe gegeben, der Baum ist hübsch geworden, drei Meter hoch, ein Gebilde aus Metall, das über einen Stamm und Äste verfügt. Da und dort haben wir Unterwasserfackeln befestigt, die wir von der Ferne zünden werden. Ein besonderer Abend, lieber Louis, steht bevor! Ob wir das Licht erkennen werden an der Oberfläche des Meeres? Was wird Noe sagen? Und wie werden die Fische, die großen und die kleinen Raubfische reagieren? — Es ist jetzt Freitag und spät. Ein Duft von Zimt, Gewürznelken und Kaffee strömt durch das Schiff. Am Montag werden wir uns ein paar junge Süßwasserwelse braten. Es geht alles also einen guten Weg. Vor Stunden noch zitierte Taucher Noe aus dem Gedächtnis einen weisen Satz, den der Philosoph Guido Ceronetti in seinen Teegedanken notierte. Noe sagte: Wenn ich wie ein Verlierer leben könnte, wäre ich es etwas weniger. — In diesem Sinne, lieber Louis: Ahoi! Dein OE SOM
gesendet am
22.12.2012
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amplitude
tango : 18.15 — Vergangene Nacht sechs Stunden Schlaf aufgezeichnet. Seltsame Spannung, während ich die Datei in das Tonbearbeitungsprogramm lade, um nach Ausschlägen zu suchen. Zunächst das Hupen eines Automobils, eine heftige Amplitude. Nach einer weiteren Stunde der Abdruck einer Feuerwehrsirene. Kurz darauf das Rascheln der Bettdecke. Gegen 3 Uhr das Geräusch einer Tür. Kann mich nicht erinnern, spaziert zu sein. — stop