Aus der Wörtersammlung: membran

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radio

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kili­man­dscha­ro : 2.12 — Es ist jetzt kurz nach 2 Uhr. Seit einer hal­ben Stun­de schaue ich aus dem Fens­ter. Angeb­lich soll die Raum­sta­ti­on ISS gera­de eben den Him­mel über mir pas­sie­ren. Ich suche ver­geb­lich. Wol­ken ver­sper­ren die Sicht, auch ist die Stadt viel zu hell, um das For­schungs­schiff erken­nen zu kön­nen. Trotz­dem schaue ich nach oben und freue mich. Vor­hin habe ich noch einen Text notiert, der von einem alten Radio han­delt, das von einem Tisch fällt, weil es Maceo Par­ker spiel­te. Gera­de noch recht­zei­tig, ehe es den Boden erreich­te, wur­de es auf­ge­fan­gen, um kurz dar­auf auf dem Tisch fest­ge­klebt zu wer­den. Das Radio war eines gewe­sen wie ich es frü­her ein­mal hat­te, ein Radio mit einem elek­tri­schen Auge. Sobald ich auf einen Knopf drück­te, glüh­te das Auge zunächst däm­mernd, dann leuch­te­te das Auge grün wie das Was­ser eines Berg­sees und ich hör­te selt­sa­me Stim­men und Rau­schen und Pfei­fen. Das Radio war ein sehr gutes Radio. Es exis­tier­te seit dem Jah­re 1952, war also viel älter als ich selbst und muss­te nie zur Repa­ra­tur gebracht wer­den. Nur ein­mal hüpf­te eine Tas­te her­aus und das Radio sah fort­an aus, als habe es einen Zahn ver­lo­ren. An einem sehr hei­ßen Juli­tag des Jah­res 1974 saß ich gera­de vor dem Radio ohne Zahn, als gemel­det wur­de, Fall­schirm­jä­ger sei­en über Zypern abge­sprun­gen. Von einem Kon­flikt war die Rede und das Auge des Radi­os leuch­te­te dazu und die Mem­bran sei­nes Laut­spre­chers zit­ter­te. Ich erin­ne­re mich, dass ich dach­te, dass nun Krieg sei, ein wirk­li­cher Krieg, der ers­te Kriegs­be­ginn, den ich als Wel­len­emp­fän­ger mit­er­leb­te. Irgend­wann ver­schwand das alte Radio und ich bekam ein neu­es Radio. Die­ses Radio konn­te Geräu­sche spei­chern, und so spei­cher­te ich Geräu­sche, sin­gen­de Frö­sche viel­leicht, oder mei­ne Stim­me, die mich befrem­de­te, die nie mei­ne eige­ne Stim­me gewe­sen war, son­dern immer die Stim­me eines ande­ren, der ähn­li­che Din­ge sag­te. Bald mach­te ich mit einer wei­te­ren Maschi­ne Fil­me, nein, ich zeich­ne­te Fil­me auf ein Band, den Film der Stadt Bag­dad an einem Vor­kriegs­mor­gen zum Bei­spiel. Die Son­ne strahl­te vom Him­mel, und ein Vogel, der nicht zu sehen war, zwit­scher­te. Viel­leicht saß der Vogel auf einer gepan­zer­ten Kame­ra, die das Bild der leuch­ten­den Stadt zu mir hin über­trug. Die­ser Vogel war noch Radio gewe­sen. — stop
ping

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radio

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echo : 15.05 — Ich war ein­mal Besit­zer eines Radi­os mit elek­tri­schem Auge. Sobald ich auf einen Knopf drück­te, glüh­te das Auge zunächst däm­mernd, dann leuch­te­te das Auge grün wie das Was­ser eines Berg­sees und ich hör­te selt­sa­me Stim­men und Rau­schen und Pfei­fen. Das Radio war ein sehr gutes Radio. Es exis­tier­te seit dem Jah­re 1952, war also viel älter als ich selbst und muss­te nie zur Repa­ra­tur gebracht wer­den. Nur ein­mal hüpf­te eine Tas­te her­aus und das Radio sah fort­an aus, als habe es einen Zahn ver­lo­ren. An einem sehr hei­ßen Juli­tag des Jah­res 1974 saß ich gera­de vor dem Radio ohne Zahn, als gemel­det wur­de, Fall­schirm­jä­ger sei­en über Zypern abge­sprun­gen. Von einem Kon­flikt war die Rede und das Auge des Radi­os leuch­te­te dazu und die Mem­bran sei­nes Laut­spre­chers zit­ter­te. Ich erin­ne­re mich, dass ich dach­te, dass nun Krieg sei, ein wirk­li­cher Krieg, der ers­te Kriegs­be­ginn, den ich als Wel­len­emp­fän­ger mit­er­leb­te. Irgend­wann ver­schwand das alte Radio und ich bekam ein neu­es Radio. Die­ses Radio konn­te Geräu­sche spei­chern, und so spei­cher­te ich Geräu­sche, sin­gen­de Frö­sche viel­leicht, oder mei­ne Stim­me, die mich befrem­de­te, die nie mei­ne eige­ne Stim­me gewe­sen war, son­dern immer die Stim­me eines ande­ren, der ähn­li­che Din­ge sag­te. Bald mach­te ich mit einer wei­te­ren Maschi­ne Fil­me, nein, ich zeich­ne­te Fil­me auf ein Band, den Film der Stadt Bag­dad an einem Vor­kriegs­mor­gen zum Bei­spiel. Die Son­ne strahl­te vom Him­mel, und ein Vogel, der nicht zu sehen war, zwit­scher­te. Viel­leicht saß der Vogel auf einer gepan­zer­ten Kame­ra, die das Bild der leuch­ten­den Stadt zu mir hin über­trug. Die­ser Vogel war noch Radio gewe­sen. — stop

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bronx — flug

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echo : 23.
32 — In der Däm­me­rung des Abends gegen die 241 St zu, letz­te Sta­ti­on weit oben im Nor­den. Eine hal­be Stun­de Tief­flug über stei­ner­ne Land­schaf­ten der Bronx, Miet­haus­ka­ser­nen, rot, grau, rußig schwarz. Nach und nach leert sich der Zug, aber da drau­ßen, da unten hin­ter den schep­pern­den Schei­ben des Zuges, geräusch­los, stumm, Stra­ßen­zü­ge vol­ler Men­schen bis hin zum Hori­zont. Und wie sich die Licht­mem­bra­ne dann beru­hi­gen, wie wir lang­sa­mer und lang­sa­mer wer­den, der schma­le Kopf eines metal­le­nen Füh­lers, unser Bahn­steig, an den der Zug sich müde lehnt wie ein Schiff an einen mee­ri­schen Lan­dungs­steg nach lan­ger Rei­se. Wald, wild und dor­nig, jen­seits der Schie­nen, blü­hen­de Grä­ser erhe­ben sich vom brü­chi­gen Boden. Eine Bank, war­mes Holz, auf dem ich sit­ze, rot leuch­ten­de Fal­ter eilen west­wärts. Weit ent­fernt, am ande­ren Ende des schla­fen­den Zuges noch, die Gestalt einer Frau mit Besen, die sich durch die schim­mern­de Schlan­ge fädelt, eine Frau von schwar­zer Haut­far­be. Sie trägt kräf­ti­ge Schu­he und einen Over­all. Als sie bei mir ankommt, zögert sie kurz, will wis­sen, was ich hier tue, sel­te­ne Erschei­nung, for­mu­liert so rasend schnell, dass ich ihr kaum fol­gen kann. Bald geht sie wei­ter, schleift ihren Besen hin­ter sich her, macht den Zug zu Ende, kommt wie­der zurück, setzt sich neben mich, spricht wie in Zeit­lu­pe  mit leicht erho­be­ner Stim­me: I — s — - t – h — a — t — - s — l – o — w — - e – n — o — u – g – h ?
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