romeo : 17.52 — Das Geräusch der Grillen auf dem Gianicolo abends. Ich kann sie wieder hören. 82 Meter über dem Meeresspiegel, unten die Stadt, Trastevere, Gassen wie goldene Adern, Kuppelhaubenlichter. Abendsegler huschen durch Fliegentürme, schlagen sich die Mägen voll. Es ist kurz vor zehn Uhr, Verliebte sitzen auf den Mauern vor dem Abgrund, manche rauchen, andere küssen sich. Ein paar Kioske auf Rädern, Jahrmarktbuden, schon im Halbschlaf am Rande eines botanischen Gartens, in dem steinerne Köpfe wachsen. Es ist nicht sehr hell in Rom am Abend, die Stadt eher spärlich beleuchtet. Es scheint so zu sein, dass das künstliche Licht derart sparsam eingesetzt wird, weil das grelle Licht Häusern, Menschen, Tieren zusetzen, sie auflösen könnte, darum ein bescheidenes Licht, nicht weiß, sondern von einer warmen, gelblichen Substanz. Ingeborg Bachmann war hier gewesen, sie notierte am 18. Februar 1955 in eine ihrer römischen Reportagen: Sieht man vom Gianicolo auf Rom hinunter, vermerkt man, daß kein Fabrikschornstein das Stadtbild stört. Rom ist die einzige Hauptstadt der westlichen Welt ohne Industrie. Und doch sind in Rom in den letzten Jahren Unternehmen entstanden, die eine Großmacht im Lande bilden. Es ist die Schwarz-Weiß-Industrie des Films in der Cinecittà, die sich am Stadtrand von Rom ausbreitet und heute in der Filmindustrie des Westens nach Hollywood den zweiten Platz einnimmt. — An diesem Abend ist von dem Hügel aus, auf dem ich stehe, von der Stadt gespeicherten Lichts nichts zu erkennen. Es ist beinahe dunkel und in diesem Dunkel beleuchtete Inseln, eine Art Dunkel wie im Kino, jenem Dunkel das Grautöne enthält, faszinierend, ein Dunkel, das mittels Lichtes aus der Filmmaschine kommt. — stop
Aus der Wörtersammlung: ader
rom : antennenbild
nordpol : 2.28 — Dämmerung. Die Kuppel der Petersbasilika plötzlich in Sicht wie ich um eine Häuserecke komme. Seltsam blaues Leuchten, als würde sich das abwandernde Licht des Himmels auf den Kupferblechen des Daches spiegeln. Dann ist’s stockfinster geworden und die Kuppel schimmert noch immer blautürkise wie zuvor. Sehr kleine Menschen spazieren über Bernini’s Platz, sitzen in der warmen Abendluft auf Brunnenrändern und Treppenstufen, die unter Kolonnaden den Platz umarmen. Ziemliche Stille. Kaum Tauben. Keine Katzen, nicht einmal schläfrige Augenlichter. Ein paar Männer arbeiten sich pfeifend durch Türme von Stühlen. Sobald sie einen Stuhl von einem der Gebäude heben, wird es etwas kleiner, bildet eine Reihe aus wie einen Arm, der sich an einer Schnur entlang ausrichtet, tausende wartende Objekte, auf welchen bald Menschen sitzen werden, die beten oder schreien oder ihre Stühle besteigen, weil auch andere bereits auf Stühlen stehen. Das ist der Moment, da man als Pilger oder Beobachter vielleicht seinen Namen heimlich in einen der Stühle ritzen möchte oder eine Figur zeichnen, die Ähnlichkeit zur eigenen Person aufzeigen wird, sodass man etwas zurücklässt auf dem Platz, ein Antennenbild um späterhin päpstlichen Segen aus der Ferne einfangen zu können. Michelangelo heimlich, eine Vorstellung, die möglich ist in der Nacht im sanften Laternenlicht nahe des Maderno-Brunnens, wie er sich nach Jahrhunderten wundert über das Blau dieser Kuppel, das er so nicht angeordnet haben mag. — stop
libelle
tango : 0.02 — Wie zerbrechlich unsere Leben sind. Der Hauch einer Ader, verschlossen, geborsten im Kopf, und schon ist Ende oder die Welt eine andere geworden. stop. Das Geschenk eines glücklichen, eines gelebten Tages. stop
zwitschern
india : 22.10 — Seltsame Spur, die Twitter auf meinem Computer schreibt. Meldungen, Sekunden nur oder Minuten voneinander entfernt: > mw — boston : Just saw a mouse in the apartment! EEEEK!!!!!! Im getting a barn owl./ ky — teheran : unconfirmed — 150 people killed last week/ mv — absudistan : Ich glaube, mein Blick sagt gerade Vorm-Schlafengehen-möchte-ich-Blut-fließen-sehen./ sb — zürich : ich werde von menschen regiert, mit denen ich nicht mal reden würde./ ft — teheran : Crackdown on Journalists: Journalists are reportedly arrested in Boushehr, Mashad and Rasht/ mb — berlin : könnt ihr mal ähm feedback geben, ob der feedreader wieder funktioniert für mein blog?/ ft — teheran : Allah Akbar and Death to Dictator cry out over Iran tonight, as in other nights/ ts — münchen : “Was sollen das für Sprachen sein, die sich von Ihnen beherrschen lassen” Kurt Tucholsky/ cb — georgia : today is a good day to die say the cheyene/ pk — hamburg : ich habe einen WakeUp-Tweet in die Köpfe meiner schlafenden Timeline gesendet/ sl — nordsee : More videos coming in from Tehran. A man down and a bus in flames./ ft — teheran : foreign embassies in Tehran opened their doors to the wounded & Injured/ cnn — everywhere : moussavi to protesters: ‘The country belongs to you. The revolution and the system is your heritage.’/ kiwi — teheran : We have a few moments to tweet with you — our friends — from a DSL connection.
perugia
MELDUNG. Seltsame Dinge geschehen in den winterlichen Gärten zu Perugia. 722 Segelfalter der Gattung Iphiclides 5K haben sich zu Gruppen versammelt, fliegen in Formationen, bilden Kugeln, Quader und weitere geometrische Körper. Bei Regen, so heute Morgen geschehen, stellt man exakt gezirkelte Türme in die Luft. Die Stadt wird unter Quarantäne gestellt. — stop