Aus der Wörtersammlung: südafrika

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sekundenglück

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romeo : 17.10 UTC — Ade­le, die in Süd­afri­ka gebo­ren wur­de, in Johan­nes­burg genau­er, in Sove­to, sitzt auf einer Bank der Cen­tral­sta­ti­on. Sie soll­te eigent­lich längst auf dem Weg zur Arbeit sein, es ist kurz nach zehn Uhr, statt­des­sen sitzt sie hier unter wei­te­ren Men­schen auf einer Bank und weint. Sie sagt, sie habe ihre Bril­le ver­ges­sen, ohne Bril­le kön­ne sie nicht arbei­ten, wenn sie heu­te nicht arbei­ten wür­de, wer­de das sehr schlim­me Fol­gen haben, man wür­de ihren Ver­trag nicht ver­län­gern, ohne Arbeit sei ihre Auf­ent­halts­ge­neh­mi­gung bald ver­wirkt, sie müs­se dann zurück nach Süd­afri­ka, ich könn­te mir gar nicht vor­stel­len, was das für sie bedeu­ten wür­de, des­halb wei­ne sie, des­halb sei sie ganz am Ende, nein, dass Lese­bril­len exis­tie­ren, die nicht ein­mal soviel kos­ten wie eine Wochen­zei­tung, das wuss­te sie nicht, das ist jetzt doch eine Über­ra­schung, die wun­der­bar ist, Bril­len gleich hier um die Ecke, Bril­len die stark sind, nein wirk­lich! Wie sie jetzt auf­springt, wie sie zunächst auf die Uhr blickt, dann auf die klei­ne Skiz­ze, die sie aus den Wör­tern pflück­te, die ich ihr erzähl­te, wie sie auf knall­ro­ten Turn­schu­hen los­rennt, wie sie mit einem Lächeln zurück in der Men­schen­men­ge ver­schwin­det, so viel Glück, dass die Luft zu knis­tern beginnt, soviel Glück. — stop

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ai : SÜDAFRIKA

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MENSCHEN IN GEFAHR : “Im März wur­de der süd­afri­ka­ni­sche Land­rechts­ak­ti­vist und Vor­sit­zen­de des Ama­di­ba Cri­sis Com­mit­tee (ACC), Sik­ho­si­phi Rha­de­be, erschos­sen. Kurz vor sei­nem Tod hat­te er erfah­ren, dass sein Name sowie die Namen zwei­er wei­te­rer Sprecher_innen des ACC auf einer “Abschuss­lis­te” ste­hen. Es gibt Zwei­fel an der Gründ­lich­keit der Unter­su­chun­gen der Tötung. Zudem besteht Sor­ge um die Sicher­heit der bei­den ACC-Spre­cher_in­nen sowie wei­te­rer Aktivist_innen, die in Xolo­be­ni gegen ein Berg­bau­pro­jekt kämp­fen. Sik­ho­si­phi “Bazoo­ka” Rha­de­be wur­de am 22. März 2016 von zwei Män­nern erschos­sen, die ihn bei sich zuhau­se in Lur­hol­we­ni in der Pro­vinz Ost­kap auf­such­ten und sich als Poli­zis­ten aus­ga­ben. Sein min­der­jäh­ri­ger Sohn war bei dem Vor­fall anwe­send. Weni­ge Stun­den vor sei­nem Tod hat­te Sik­ho­si­phi Rha­de­be erfah­ren, dass sein Name auf einer “Abschuss­lis­te” stand. Auf die­ser Lis­te befin­den sich zudem die Namen zwei­er wei­te­rer ACC-Mit­glie­der, Mza­mo Dla­mi­ni und Nonhle Mbut­hu­ma. Sik­ho­si­phi Rha­de­be war Lei­ter des ACC, einer Gemein­schafts­in­itia­ti­ve gegen den Abbau von Titan und ande­ren Schwer­me­tal­len in einem Tage­bau auf Gemein­schafts­land in Xolo­be­ni durch ein loka­les Toch­ter­un­ter­neh­men des aus­tra­li­schen Kon­zerns Mine­ral Com­mo­di­ties Limi­t­ed (MRC). Das ACC befürch­tet, dass infol­ge des Berg­bau­pro­jekts Hun­der­te Ange­hö­ri­ge der Gemein­schaft der Umgun­gund­l­o­vu von ihrem ange­stamm­ten Land ver­trie­ben wer­den, und dass durch Umwelt­schä­den wie z. B. Was­ser­ver­schmut­zung ihr Recht auf einen ange­mes­se­nen Lebens­stan­dard (ein­schließ­lich Zugang zu sau­be­rem Trink­was­ser) ver­letzt wird. Das ACC besteht aus etwa 3.000 Mit­glie­dern und kämpft seit zehn Jah­ren für die Rech­te der Anwohner_innen, die im Fall einer Berg­bau­li­zenz für die MRC-Toch­ter­ge­sell­schaft gefähr­det wären. ACC-Mit­glie­der sind wegen ihrer Arbeit bedroht und ange­grif­fen wor­den, unter ande­rem auch von Anwohner_innen, die das Berg­bau­pro­jekt unter­stüt­zen. Die Orga­ni­sa­ti­on hat die­se Angrif­fe bei der Poli­zei ange­zeigt, die jedoch größ­ten­teils untä­tig geblie­ben ist. Nach der Tötung von Sik­ho­si­phi Rha­de­be sind füh­ren­de ACC-Mit­glie­der äußerst besorgt um ihre Sicher­heit. Kurz nach dem Vor­fall über­gab die ört­li­che Poli­zei die Unter­su­chung der Tötung an die Ein­heit zur Unter­su­chung schwe­rer Straf­ta­ten (Direc­to­ra­te for Prio­ri­ty Cri­mes Inves­ti­ga­ti­on — DCPI) des natio­na­len Poli­zei­diens­tes. Doch die Ermitt­lun­gen wei­sen eini­ge Män­gel auf, was Zwei­fel dar­an auf­kom­men lässt, ob die Fami­lie von Sik­ho­si­phi Rha­de­be Gerech­tig­keit erfah­ren wird.” — Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen sowie emp­foh­le­ne schrift­li­che Aktio­nen, mög­lichst unver­züg­lich und nicht über den 6. Juli 2016 hin­aus, unter > ai : urgent action

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von hölzernen büchern

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echo : 5.08 — Ein Freund, der vie­le Jah­re lang Notiz­zet­tel sam­mel­te, berich­te­te, er wol­le eine Biblio­thek grün­den, in der sich aus­schließ­lich Bücher befin­den wer­den, die nie geschrie­ben oder nie zu Ende geschrie­ben wor­den sind, Bücher, die nur in den Gehir­nen der Schrift­stel­le­rin­nen und Schrift­stel­ler exis­tier­ten, Bücher, die viel­leicht bedeu­ten­de Bücher gewe­sen wären, aber nicht geschrie­ben wur­den, weil ihre Autoren zu früh ver­star­ben, oder weil sie zu arm waren und andau­ernd arbei­ten muss­ten, wes­we­gen ihre Bücher nur aus­ge­dacht wur­den, gewünscht, erhofft. Er habe ein­mal einen Bücher­tisch gese­hen, auf dem wirk­li­che Bücher lagen, in wel­chen man blät­tern konn­te, und in nächs­ter Nähe ruh­ten Buch­kör­per von Holz, das waren jene aus­ge­dach­ten Bücher, wie Platz­hal­ter im Raum, Mah­nung, Erin­ne­rung. Von die­ser Art höl­zer­ner Bücher soll­te sei­ne Biblio­thek gebil­det sein, er habe zahl­rei­che Brie­fe in die­ser Sache ver­schickt, nach Island zum Bei­spiel, nach Öster­reich, nach Nord­ame­ri­ka, Vene­zue­la, Kolum­bi­en, den Sene­gal, Süd­afri­ka, nach Tas­ma­ni­en. — stop

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