Aus der Wörtersammlung: griechin

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australien

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oli­mam­bo : 3.26 — Im ana­to­mi­schen Insti­tut, unter dem Prä­pa­rier­saal, befin­den sich Arbeits­räu­me für Prä­pa­ra­to­ren, das sind klei­ne­re Zim­mer, in wel­chen metal­le­ne Tische ste­hen, hel­les Licht, sehr hel­les Licht, Lupen­leuch­ten, Pin­zet­ten, Skal­pel­le, Gefä­ße aller Art. Ich besuch­te dort meh­re­re Male einen älte­ren Herrn, durf­te ihm gegen­über Platz neh­men, beob­ach­te­te ihn bei der Arbeit an einem Herz, das vor uns auf dem Tisch ruh­te. Ich erin­ne­re mich noch gut an sei­ne hel­len, fein­glied­ri­gen Hän­de, wie sie rasend schnell Gewe­be vom Herz­kör­per zupf­ten. Der alte Mann war sehr erfah­ren in der Prä­pa­ra­ti­on, und er war schweig­sam, also spra­chen wir wenig. Ges­tern Abend habe ich an ihn gedacht, weil ich nach einem Tele­fon­ge­spräch eine Fra­ge ent­deck­te, die ich nun ger­ne sofort an ihn rich­ten wür­de, wenn ich nur wüss­te, ob er noch exis­tiert. Ich wür­de näm­lich ger­ne erfah­ren, wie es mög­lich sein kann, das Ske­lett eines Men­schen, der gera­de erst gestor­ben ist, sei­nem Kör­per zu ent­neh­men und auf dem Luft­post­weg von Aus­tra­li­en nach Euro­pa zu sen­den. Genau das ist näm­lich vor nicht ein­mal einem hal­ben Jahr­hun­dert gesche­hen. Eine Freun­din, die in Grie­chen­land auf­ge­wach­sen war, eine Grie­chin also, erzähl­te mir ges­tern, sie habe in ihrer Schul­zeit ein mensch­li­ches Ske­lett vor Augen gehabt, von dem sie wuss­te, dass es echt gewe­sen war, dass es zu einem Bür­ger der Stadt, in der sie leb­te, gehör­te. Die­ser Mann war nach Aus­tra­li­en aus­ge­wan­dert, um vor der Armut und Hoff­nungs­lo­sig­keit, in der er leb­te, zu flüch­ten. Kaum in Aus­tra­li­en ange­kom­men, starb der Mann. Und weil er nichts wei­ter zu ver­schen­ken hat­te, ver­mach­te er sein Ske­lett der Schu­le sei­ner Stadt. Der Mann hieß mit Vor­na­men Teofa­nis, wes­halb auch das Ske­lett die­sen Namen trug. Teofa­nis kehr­te also an den Ort zurück, an dem er gebo­ren wor­den war, genau­er sogar in das Klas­sen­zim­mer, in dem er sei­ne Matu­ra abge­legt hat­te, um dort dau­er­haft zu ver­wei­len in einer fei­nen Geschich­te, deren eigent­li­ches Ende in der Zeit noch nicht abzu­se­hen ist. — stop

polaroidtraumbild

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PRÄPARIERSAAL — so haben wir angefangen

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del­ta : 22.20 — Sobald ich mein Ton­band­ge­rät betrach­te, wenn ich beob­ach­te, wie sich zier­li­che Räd­chen hin­ter einer Schei­be bewe­gen, Lust, die klei­ne Maschi­ne aus­ein­an­der­zu­neh­men, alles zu betrach­ten und dann wie­der zusam­men­zu­set­zen, auch wenn viel­leicht Jah­re ver­ge­hen, bis die Zusam­men­hän­ge der Maschi­ne wie­der feh­ler­los her­ge­stellt sein wer­den. An die­sem Abend, da im Hin­ter­grund eine wei­te­re, eine digi­ta­le Ton­band­ma­schi­ne Joshua Red­man wie­der­holt, ist alles noch in Ord­nung, unbe­rührt, sagen wir. Tom erzählt: > Man geht also vor­sich­tig los, man kommt durch eine Klapp­tür in den Saal und sieht sofort, dass da sehr vie­le Men­schen sind. Ich hat­te zunächst ein paar Pro­ble­me damit, die Knöp­fe mei­nes Kit­tels in die Fin­ger zu bekom­men, weil ich einen Atlas unter den Arm geklemmt hat­te und ein Paar Latex­hand­schu­he in der einen Hand und in der ande­ren mei­nen Werk­zeug­kas­ten, eine höl­zer­ne Schach­tel mit Pin­zet­ten und Skal­pel­len. Ich habe mir gedacht, du musst jetzt nicht beson­ders sou­ve­rän sein, mein Jun­ge, son­dern zunächst ein­mal dei­nen Tisch fin­den und dei­ne Leu­te und dann wirst Du ganz ein­fach anfan­gen. Also bin ich gleich nach links gelau­fen, weil ich wuss­te, dass ich in einer Abtei­lung arbei­ten wer­de, die links liegt, wenn man das von der Tür aus betrach­tet. Aber dann hat­ten wir natür­lich kei­ne Ahnung, wie wir anfan­gen soll­ten. Wir stan­den um einen Tisch her­um und haben zunächst ein­mal abge­war­tet. Wir waren acht Leu­te. Weil wir uns noch nicht alle kann­ten, haben wir uns erst ein­mal vor­ge­stellt. Viel­leicht bekomm ich sie grad schnell zusam­men. Da war, zum Bei­spiel, Mika, eine Nor­we­ge­rin, und Micha­el, der mir am Tisch gleich gegen­über arbei­te­te, und Sus­an, die sich ein Tuch um ihren Kopf gebun­den hat­te, damit das Haar ihr nicht ins Gesicht fal­len konn­te. Und da waren Zue natür­lich, eine Afri­ka­ne­rin von der Elfen­bein­küs­te, die uns nicht immer ver­ste­hen konn­te, weil sie die eng­li­sche und fran­zö­si­sche Spra­che bes­ser spre­chen konn­te als die deut­sche Spra­che, und Isme­ne, eine Grie­chin, die uns sofort erzählt hat­te, dass sie Chir­ur­gin wer­den wol­le. Ich erin­ne­re mich, Ihre Augen waren stark gerö­tet, viel­leicht weil ein schar­fer Geruch in der Luft hing, irgend­et­was, das die Augen reiz­te. Ich konn­te die­sen Geruch bereits auf der Stras­se wahr­neh­men, und spä­ter, am Abend, zu Hau­se, hat­te ich ihn an den Hän­den. Kurz­um, wir haben dann also gewar­tet. Ich kann nicht genau sagen, wie lan­ge wir so gewar­tet haben. Das war eine selt­sa­me Situa­ti­on. Wir haben uns immer wie­der ange­lä­chelt. Ich glau­be, wir waren alle sehr ver­le­gen und stan­den zu die­sem Zeit­punkt unter einer gro­ßen Span­nung. Der Tisch hat­te die Num­mer 4/12. Eine rote Pla­ne war über die­sen Tisch aus­ge­brei­tet und wir konn­ten eine Kon­tur erken­nen, eine Erhe­bung. Wir wuss­ten, dass da ein Kör­per lag und dass die­ser Kör­per eher klein sein muss­te, zier­lich, sagen wir. Ich hat­te die Vor­stel­lung, dass dort unter der Decke eine Frau lie­gen könn­te. Und ich erin­ne­re mich, dass ich in die­sem Moment über­leg­te, ob das Geschlecht des Kör­pers, den ich in den kom­men­den Wochen aus­ein­an­der neh­men wür­de, eine Bedeu­tung für mich haben wür­de oder nicht. Und dann ging alles sehr schnell. Unser Coas­sis­tent kam zu uns an den Tisch und erkun­dig­te sich, ob alles ok sei. Er hat­te die Arme vor der Brust ver­schränkt und schau­te jeden ein­zel­nen von uns an und lach­te sehr freund­lich. Wir haben dann damit begon­nen, das rote Tuch vom Tisch zu neh­men. So haben wir angefangen.
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