Aus der Wörtersammlung: australien

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ein millionstel gramm wort

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echo : 16.25 UTC — Ich ver­fü­ge über eine wei­te­re, über eine 5. Schreib­ma­schi­ne. Das ist so, weil ich sie mir gekauft habe. Leicht ist sie und flach. Wenn mei­ne neue Schreib­ma­schi­ne in der Hit­ze der Tag- oder Abend­luft atmet, um sich zu küh­len, ist von ihren Atem­ge­räu­schen selbst dann, wenn ich ein Ohr an ihr Gehäu­se lege, nichts zu hören. Ich könn­te sie unter mei­nem Hemd ver­ber­gen, weil sie so flach ist, nie­mand wür­de sie bemer­ken. Ein­mal notier­te ich: Wenn das so wei­ter geht mit dem Leich­ter­wer­den der Schreib­ma­schi­nen, wer­de ich bald Schreib­wer­ke zur Ver­fü­gung haben, die von gerin­ge­rer Schwe­re sind als die Papie­re, die ich mit ihren Zei­chen fül­le. — Wie viel genau wiegt eigent­lich die­ses elek­tri­sche Wort, das gera­de vor mir auf dem Bild­schirm erscheint? S i e r r a. Wie vie­le Male wird das Wort S i e r r a heu­te oder mor­gen auf wei­te­ren Bild­schir­men auf­ge­ru­fen wer­den, wie lan­ge Zeit jeweils sicht­bar sein? Es ist denk­bar, dass das Wort S i e r r a , das in Euro­pa vor weni­gen Minu­ten ver­zeich­net wur­de, schwe­rer wiegt, sobald es in Aus­tra­li­en auf einem Bild­schirm erscheint, als das sel­be Wort, wenn wir es in Euro­pa lesen, 1 Mil­li­ons­tel Gramm schwe­rer, sagen wir, um 1 Mil­li­ons­tel Gramm Koh­le schwe­rer und um den Bruch­teil einer Sekun­de. Sams­tag. — stop. 12° Cel­si­us bei wol­ken­lo­sem Him­mel. stop. Wer könn­te nun bewei­sen, dass die­ser Text nicht bereits von einer Maschi­ne geschrie­ben wur­de, die über künst­li­che Intel­li­genz ver­fügt? — stop /  tags: machi­ne lear­ning . ten­sor­flow . text mining . natu­ral lan­guage pro­ces­sing . code­path . turing test. 

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japan

2

romeo : 18.22 UTC — Boh­u­mil Hra­bal notiert in sei­nen Arbeits­hef­ten, er sei mit allem, was sich vor sei­nen Augen abspie­le, unver­züg­lich durch einen fes­ten Schlauch ver­bun­den, wie das Kind durch die Nabel­schnur mit dem Leib sei­ner Mut­ter. — Auch mei­ne Schreib­ma­schi­ne scheint, wäh­rend ich notie­re, der elek­tri­schen Welt mit­tels hun­der­ter Ping — Fäden ver­bun­den zu sein. Ihre heim­li­chen Bli­cke. Oder heim­li­che Bli­cke zu ihr hin. Um 18 Uhr 15 MEZ mel­det mein Netz­werk­mo­ni­tor 1180 akti­ve Ver­bin­dun­gen in alle Welt: Nach Chi­na, in die Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka, nach Aus­tra­li­en, Schwe­den, Däne­mark, Argen­ti­ni­en, Kana­da, Irland, Ita­li­en, Rumä­ni­en, Ruß­land, Japan. stop —  Beun­ru­hi­gen­de Geschich­te. — stop
ping

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ein millionstel gramm wort

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sier­ra : 15.38 UTC — Ich ver­fü­ge jetzt über eine wei­te­re Schreib­ma­schi­ne. Das ist so, weil ich sie mir gekauft habe. Leicht ist sie und flach. Wenn mei­ne neue Schreib­ma­schi­ne in der Hit­ze der Tag- oder Abend­luft atmet, um sich zu küh­len, ist von ihren Atem­ge­räu­schen nichts zu hören. Selbst dann, wenn ich ein Ohr an ihr Gehäu­se lege: Stil­le. Ich könn­te sie unter mei­nem Hemd ver­ber­gen, weil sie so flach ist, nie­mand wür­de sie bemer­ken. Ein­mal notier­te ich: Wenn das so wei­ter geht mit dem Leich­ter­wer­den der Schreib­ma­schi­nen, wer­de ich bald Schreib­wer­ke zur Ver­fü­gung haben, die von gerin­ge­rer Schwe­re sind als die Papie­re, die ich mit ihren Zei­chen fül­le. — Wie viel genau wiegt eigent­lich die­ses elek­tri­sche Wort, das gera­de vor mir auf dem Bild­schirm erscheint? S i e r r a. Wie vie­le Male wird das Wort S i e r r a heu­te oder mor­gen auf wei­te­ren Bild­schir­men auf­ge­ru­fen wer­den, wie lan­ge Zeit jeweils sicht­bar sein? Es ist denk­bar, dass das Wort S i e r r a , das in Euro­pa vor weni­gen Minu­ten ver­zeich­net wur­de, schwe­rer wiegt, sobald es in Aus­tra­li­en auf einem Bild­schirm erscheint, als das sel­be Wort, wenn wir es in Euro­pa lesen, 1 Mil­li­ons­tel Gramm schwe­rer, sagen wir, um 1 Mil­li­ons­tel Gramm Koh­le schwe­rer und um den Bruch­teil einer Sekun­de. — stop

ping

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buenos aires

9

sier­ra : 6.15 — Eine spin­del­dür­re Frau kommt auf dem Flug­ha­fen­bahn­steig an mir vor­über. Es ist kurz vor halb sechs Uhr. Die Frau trägt ein Som­mer­kleid, obwohl Win­ter ist. Ich den­ke noch, viel­leicht ist sie gera­de aus Süd­ame­ri­ka ange­kom­men oder aus Aus­tra­li­en. Da dreht sie um und kehrt zurück. Sie steht unge­fähr drei Meter von mir ent­fernt und schaut mich neu­gie­rig an wie ein Kind. Beson­ders auf­merk­sam betrach­tet sie mei­ne klei­ne, fla­che Schreib­ma­schi­ne. Ich habe die Schreib­ma­schi­ne auf­ge­klappt und notie­re gera­de über einen Film, den ich vor Kur­zem beob­ach­tet hat­te. Der Film han­delt von zwei Lon­do­ner Ärz­tin­nen, die in das syri­sche Bür­ger­kriegs­ge­biet rei­sen. Sie kau­ern in einem Taxi und wis­sen nicht, wie sie sich bewe­gen sol­len, weil sie schwe­re, gepan­zer­te Wes­ten tra­gen. Die jün­ge­re der bei­den Frau­en berich­tet, dass das ein sehr selt­sa­mes Gefühl sei hier im Auto mit die­ser Wes­te, man kön­ne nicht atmen, aber man sei sicher. Kurz drauf waren Schüs­se zu hören. Auf dem Bahn­steig hebt die spin­del­dür­re Frau ein Bein in die Luft, wäh­rend sie auf dem ande­ren balan­ciert. Kei­ne Tasche weit und breit, kein Kof­fer. Plötz­lich eine hel­le Stim­me. Die Frau zeigt lächelnd auf mei­ne Schreib­ma­schi­ne: Ob da wirk­lich etwas wich­ti­ges drin ist, sagt sie. Wie ein Storch steht sie vor mir. Ihre Haut ist so weiß, als wäre sie noch nie mit dem Licht der Son­ne in Berüh­rung gekom­men. stop — Nichts wei­ter. — stop
ping

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australien

2

oli­mam­bo : 3.26 — Im ana­to­mi­schen Insti­tut, unter dem Prä­pa­rier­saal, befin­den sich Arbeits­räu­me für Prä­pa­ra­to­ren, das sind klei­ne­re Zim­mer, in wel­chen metal­le­ne Tische ste­hen, hel­les Licht, sehr hel­les Licht, Lupen­leuch­ten, Pin­zet­ten, Skal­pel­le, Gefä­ße aller Art. Ich besuch­te dort meh­re­re Male einen älte­ren Herrn, durf­te ihm gegen­über Platz neh­men, beob­ach­te­te ihn bei der Arbeit an einem Herz, das vor uns auf dem Tisch ruh­te. Ich erin­ne­re mich noch gut an sei­ne hel­len, fein­glied­ri­gen Hän­de, wie sie rasend schnell Gewe­be vom Herz­kör­per zupf­ten. Der alte Mann war sehr erfah­ren in der Prä­pa­ra­ti­on, und er war schweig­sam, also spra­chen wir wenig. Ges­tern Abend habe ich an ihn gedacht, weil ich nach einem Tele­fon­ge­spräch eine Fra­ge ent­deck­te, die ich nun ger­ne sofort an ihn rich­ten wür­de, wenn ich nur wüss­te, ob er noch exis­tiert. Ich wür­de näm­lich ger­ne erfah­ren, wie es mög­lich sein kann, das Ske­lett eines Men­schen, der gera­de erst gestor­ben ist, sei­nem Kör­per zu ent­neh­men und auf dem Luft­post­weg von Aus­tra­li­en nach Euro­pa zu sen­den. Genau das ist näm­lich vor nicht ein­mal einem hal­ben Jahr­hun­dert gesche­hen. Eine Freun­din, die in Grie­chen­land auf­ge­wach­sen war, eine Grie­chin also, erzähl­te mir ges­tern, sie habe in ihrer Schul­zeit ein mensch­li­ches Ske­lett vor Augen gehabt, von dem sie wuss­te, dass es echt gewe­sen war, dass es zu einem Bür­ger der Stadt, in der sie leb­te, gehör­te. Die­ser Mann war nach Aus­tra­li­en aus­ge­wan­dert, um vor der Armut und Hoff­nungs­lo­sig­keit, in der er leb­te, zu flüch­ten. Kaum in Aus­tra­li­en ange­kom­men, starb der Mann. Und weil er nichts wei­ter zu ver­schen­ken hat­te, ver­mach­te er sein Ske­lett der Schu­le sei­ner Stadt. Der Mann hieß mit Vor­na­men Teofa­nis, wes­halb auch das Ske­lett die­sen Namen trug. Teofa­nis kehr­te also an den Ort zurück, an dem er gebo­ren wor­den war, genau­er sogar in das Klas­sen­zim­mer, in dem er sei­ne Matu­ra abge­legt hat­te, um dort dau­er­haft zu ver­wei­len in einer fei­nen Geschich­te, deren eigent­li­ches Ende in der Zeit noch nicht abzu­se­hen ist. — stop

polaroidtraumbild

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ein Millionstel Gramm Wort

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tan­go : 16.22 — Mei­ne neue Schreib­ma­schi­ne ist leicht und flach, ihr Atem geht lei­se. So fein ist sie gebaut, dass ich sie unter mei­nem Hemd ver­ber­gen könn­te, nie­mand wür­de sie bemer­ken. Wenn das so wei­ter geht mit dem Leich­ter­wer­den der Maschi­nen, wer­de ich bald Schreib­wer­ke zur Ver­fü­gung haben, die von gerin­ge­rer Schwe­re sind als die Papie­re, die ich mit ihren Zei­chen fül­le. — Wie viel genau wiegt eigent­lich die­ses elek­tri­sche Wort, das gera­de vor mir auf dem Bild­schirm erscheint? L i m a. Wie vie­le Male wird es heu­te oder mor­gen auf wei­te­ren Bild­schir­men auf­ge­ru­fen, wie lan­ge Zeit jeweils sicht­bar sein? Es ist denk­bar, dass das Wort L i m a, das in Euro­pa vor weni­gen Minu­ten ver­zeich­net wur­de, schwe­rer wiegt, sobald es in Aus­tra­li­en auf einem Bild­schirm erscheint, als das sel­be Wort, wenn wir es in Euro­pa lesen, 1 Mil­li­ons­tel Gramm schwe­rer, sagen wir, um 1 Mil­li­ons­tel Gramm Koh­le schwe­rer und um den Bruch­teil einer Sekun­de. — stop
ping