Aus der Wörtersammlung: geschenk

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nehmen wir einmal an …

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fox­trott : 7.28 — Neh­men wir ein­mal an, ich wür­de gefragt, ob ich viel­leicht über ein wei­te­res Auge ver­fü­gen möch­te, ein wirk­li­ches drit­tes Auge, ein Auge für sich, ein Auge, mit dem ich in die Welt hin­aus­schau­en könn­te, was wäre zu tun? – Ruhe bewah­ren! – Nach­den­ken! – Ant­wor­ten! – Sehr bald ant­wor­ten, jawohl ja, das wäre ein fei­nes Geschenk, die­ses Auge wür­de ich sehr ger­ne und sofort ent­ge­gen­neh­men. Natür­lich wür­de das nicht so leicht sein, ich mei­ne, die Über­ga­be eines wei­te­ren Auges an mei­nen bereits exis­tie­ren­den Kör­per, wie man sich das viel­leicht vor­stel­len mag, nein, nein, das wäre sicher eine außer­or­dent­lich kom­pli­zier­te Geschich­te. Ein geeig­ne­ter Ort wür­de zu fin­den sein, an dem das brand­neue Sin­nes­or­gan an mei­nem Kör­per oder in mei­nem Kör­per mon­tiert wer­den könn­te, und ich müss­te mich viel­leicht zunächst ent­schei­den, wel­cher Art das Auge sein soll­te, ein gro­ßes, strah­len­des Schmuck­au­ge bei­spiels­wei­se, oder ein eher klei­nes, kaum sicht­ba­res Auge, ein gehei­mes Auge, sagen wir, um unbe­merkt die Welt um mich her­um unter­su­chen zu kön­nen. An die­sem schö­nen Nebel­mor­gen nun, ich bin noch nicht ganz wach gewor­den, wür­de ich Fol­gen­des fra­gen: Ist es even­tu­ell mög­lich, das Auge rech­ter Hand in den mitt­le­ren Fin­ger­knö­chel nahe dem Hand­rü­cken ein­zu­set­zen? Wann könn­ten wir damit begin­nen? Sind Sie noch bei Ver­stand, oder wie oder was? — Ja, so wür­de ich wohl spre­chen, genau die­se Bestel­lung wür­de ich auf­ge­ben. Stellt sich nun die Fra­ge, was wür­de ein Auge die­ser Art mit mei­nem Gehirn unter­neh­men? Wür­de es wach­sen? Und wohin wür­de es wach­sen? — Ich muss das nicht heu­te ent­schei­den! — stop

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nadja einzmann : zeit vergeht

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tan­go : 8.25 — Ein war­mer Wind weh­te ges­tern Abend Laub von der Stra­ße her ins Café. Lausch­te einer ange­neh­men Stim­me. Hör­te eine Geschich­te, die ein­mal mei­ne Geschich­te gewe­sen war und noch immer zu mir gehört und doch eine aus­ge­wan­der­te, eine geschenk­te Geschich­te ist. Die­se Geschich­te schil­dert eine ers­te Wahr­neh­mung der Zeit. Als ich sie vor zwei oder drei Jah­ren an genau jenem Tisch erzähl­te, an dem sie nun aus einem Buch vor­ge­le­sen wur­de, hat­te ich nicht die Erwar­tung, sie ein­mal kunst­voll zwei Sät­zen ein­ge­schrie­ben und gedruckt zu sehen: Sei­ne viel­leicht ers­te Erin­ne­rung, dass er unter dem Weih­nachts­baum liegt und sich in einer roten Weih­nachts­ku­gel spie­gelt. Als er sich im fol­gen­den Jahr wie­der so gespie­gelt vor­fin­det, denkt er zurück und weiß auf ein­mal, dass Zeit ver­gan­gen ist, dass Zeit ver­geht. Nad­ja Einzmann

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que sera, sera, whatever will be, will be …

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tan­go : 8.52 — Immer schon hab ich geträumt. Als Jun­ge saß ich auf Bäu­men, mein­te, hoch auf einem Schiff zu schau­keln, bis ich bemerk­te, dass die Zeit der Phy­sik­stun­de bereits hin­ter mir lag. Dann war ich Astro­naut oder Tau­cher, ich träum­te Glüh­bir­nen, wie man sie macht, war ein Ent­de­cker in luf­ti­gen Räu­men. Eines Tages begann ich, mei­ne Träu­me auf­zu­zeich­nen, um sie fort­set­zen zu kön­nen. Nun hat­te das Träu­men etwas mit Erfin­dung zu tun, weil die geträum­te Zeit und ihre Geschich­ten der wirk­li­chen Welt ein­ge­schrie­ben, ja ein­ver­leibt wer­den konn­ten, einer Welt auf dem Papier, wo sie sich behaup­ten soll­ten. Von die­sem Moment an sam­mel­te ich Träu­me, Ent­de­ckun­gen, Nacht­zep­pe­li­ne, konn­te zei­gen, was ich erfand, konn­te tei­len mit ande­ren Men­schen, eine span­nen­de Auf­ga­be, nie ist mir seit­her lang­wei­lig gewor­den. Oft steh’ ich mor­gens in mei­nem Zim­mer und schon wird geträumt, noch wäh­rend ich mich wasche begin­ne ich mei­ne Arbeit, suche, bin auf­merk­sam, lau­sche. Ja, ich arbei­te, wenn ich lau­sche, wenn ich träu­me, ohne zu schla­fen. Manch­mal träu­me ich auf der Stra­ße, wäh­rend ich spa­zie­re, das ist natür­lich sehr gefähr­lich, weil ich Ampeln ver­ges­se, weil ich mich ver­lau­fe oder in ver­kehr­te Stra­ßen­bah­nen stei­ge. Ges­tern Nach­mit­tag beleuch­te­te ich einen Frosch, der die mensch­li­che Spra­che zu imi­tie­ren ver­mag. Zwei Stun­den lang arbei­te­te ich, ging Ein­kau­fen, fort­wäh­rend träu­mend, erfin­dend, küm­mer­te mich in der Küche um eine Enten­brust, ein­mal tele­fo­nier­te ich, ohne je mei­ne Gedan­ken an den klei­nen, spre­chen­den Frosch auf­zu­ge­ben. Ein Geschenk die­ses Erzäh­len, die­se Art und Wei­se zu leben, gera­de in schwie­ri­gen Zei­ten. — stop

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kolibri

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3.01 — Ich wur­de, noch nicht lang her, gefragt, wor­in denn die Vor­zü­ge eines Lebens auf Bäu­men zu sehen sei­en. Hört zu, habe ich geant­wor­tet, kei­ne Zei­tung, kein TV. Ruhe. Fast Stil­le. Etwas Pfei­fen, etwas Schnat­tern. Käfer. Amei­sen­tie­re. Und Affen, grö­ße­re Grup­pen fre­cher Affen. Tama­ri­ne. Die Ker­le dro­hen mit längst ver­go­re­nen Früch­ten, die sie für Geschen­ke hal­ten. Mos­ki­tos. Fau­chen­de Scha­ben. Kein Besteck, kei­ne Waf­fen, kei­ne Tele­fo­ne. Abend­seg­ler. Leich­te­re Flie­gen. Flie­gen in Blau, in Rot, in Schwarz. Schnel­le Spin­nen. Abwar­ten­de Spin­nen. Regen. War­mes Was­ser. Die Stäm­me der Bäu­me, die so hoch auf­ra­gen, dass man ihre Kro­nen nicht mit Bli­cken errei­chen kann, auf und ab, auf und ab, Schiffs­mas­ten im Hafen vor Sturm. Des­halb See­krank­heit, des­halb Höhen­angst. Aber Vögel, sehr klei­ne Vögel. Flü­gel. Unschär­fen der Luft. Öff­net man vor­sich­tig den Mund, wird man für eine Blü­te gehal­ten. — stop

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