Aus der Wörtersammlung: walfischorchester

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vom walfischorchester

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india : 20.33 UTC — Manch­mal erfin­de ich eine Geschich­te. Kurz dar­auf ver­ges­se ich die Geschich­te oder ver­lie­re sie wie­der aus den Augen. Wenn ich die Geschich­te nach Wochen oder Jah­ren wie­der bemer­ke, scheint sie zu einer wirk­li­chen Geschich­te gewor­den zu sein, das ist selt­sam. Auch weil Geschich­ten, die ein­mal erfun­den wor­den sind, sich Lebe­we­sen ähn­lich ver­hal­ten, sie machen sich immer wie­der bemerk­bar, wie die Geschich­te von Lou­is Kekkola’s Eis­buch Das Wal­fisch­or­ches­ter. Es war damals kurz nach vier Uhr gewe­sen, Däm­me­rung. Ich trug Hand­schu­he. Ich schal­te­te mein Ton­band­ge­rät an und sprach lei­se, in dem ich das zer­brech­li­che Buch­we­sen in Hän­den hielt. Kaum war eine Sei­te des Buches von mei­nen Augen abge­tas­tet, schloß ich den Kühl­schrank, ging in der Woh­nung spa­zie­ren und ließ mir alles, was ich gele­sen hat­te, durch den Kopf gehen. Dann keh­rte ich zurück und las mit damp­fen­dem Atem vor dem Kühl­schrank sit­zend wei­ter. Es war die nächs­te Sei­te, die ich vor­sich­tig unter mei­ne Augen­lu­pe nahm, auch sie war sehr ver­traut, sie war wie erlebt, ver­mut­lich des­halb, weil ich sie erin­nern konn­te. Manch­mal muss nur eine Nacht ver­ge­hen, manch­mal ein Jahr. — stop

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pocket george

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tan­go : 2.58 — Geor­ge schrieb vor weni­gen Tagen einen hand­schrift­li­chen Brief. Er wen­de sich mit einer drin­gen­den Bit­te an mich, er benö­ti­ge etwas Geld, weil er im Moment zu wenig davon habe. Sei­ne Tele­fon­rech­nung sei ihm über den Kopf gewach­sen, außer­dem habe er sich bei einem Auf­trag für den Druck eines Buches ver­tippt, er habe anstatt 200 Exem­pla­ren 20000 Exem­pla­re sei­ner Geschich­te vom Wal­fisch­or­ches­ter bestellt. Die­se wun­der­ba­re Auf­la­ge sei prompt und ohne jede Nach­fra­ge gelie­fert wor­den. Wäh­rend er sich noch wun­der­te, wie ein Paket nach dem ande­ren Paket von drei oder vier Män­nern in sei­ne Woh­nung ver­frach­tet wur­de, war bereits ein erheb­li­cher Betrag von sei­nem Kon­to abge­bucht, so dass er jetzt kaum noch die Mög­lich­keit habe, sich Brot, Käse oder Was­ser zu besor­gen, er sei ver­schul­det bis über bei­de Ohren hin­aus bereits seit drei Mona­ten. Natür­lich habe er gehofft, aber sein Hof­fen habe nicht gewirkt, nun sei­en nicht nur er selbst, son­dern auch sei­ne Archi­ve bedroht, die er in digi­ta­ler Sphä­re auf Posi­ti­on POCKET gesam­melt habe. Ihm sei damit gedroht, bei wei­te­rem Zah­lungs­ver­zug, sein pro­fes­sio­nel­les Kon­to unver­züg­lich in ein nicht pro­fes­sio­nel­les Kon­to zu ver­wan­deln, sei­ne Daten wür­den ver­lo­ren gehen, wes­we­gen er nun sehr ver­zwei­felt sei, nicht nur ver­zwei­felt, son­dern müde, er zöge­re, sei­nen Com­pu­ter über­haupt noch mit dem Inter­net zu ver­bin­den, weil das Inter­net dann sei­ne Daten sogleich aus sei­nen Spei­chern zurück­ho­len wür­de, er habe nicht geahnt, dass er ein­mal in eine der­art ver­zwei­fel­te Lage kom­men, dass sich das Inter­net als ein der­art gefrä­ßi­ges Tier dar­stel­len wür­de, wel­ches sei­nen Com­pu­ter, sei­ne Samm­lung aus dem Web ver­schwun­de­ner Sei­ten an sich rei­ßen wür­de, man kann mit die­sen Raub­tie­ren nicht ein­mal tele­fo­nie­ren, schrieb Geor­ge vor weni­gen Tagen.- stop

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kekkola im eisfach

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ulys­ses : 0.05 — Seit eini­gen Stun­den bereits lese ich Berich­te der New York Times, die Kor­re­spon­den­ten kurz vor dem Ein­tref­fen des Wir­bel­sturms San­dy in einem Web­log notier­ten. Bald wer­de ich mei­ne Lek­tü­re unter­bre­chen. Das ist näm­lich so, dass ich mir für die kom­men­den Stun­den vor­ge­nom­men habe, eine Nacht des Jah­res 2012 zu wie­der­ho­len, sagen wir zur Fei­er des Tages. In weni­gen Minu­ten wer­de ich also vor mei­nen Kühl­schrank tre­ten, um in Lou­is Kekkola’s Eis­buch Das Wal­fisch­or­ches­ter wei­ter­zu­le­sen. Ich wer­de die Baum­woll­hand­schu­he der Archi­va­re tra­gen wie vor Jah­ren, wer­de mein Ton­band­ge­rät ein­schal­ten und lei­se spre­chen, in dem ich das zer­brech­li­che Buch­we­sen vor­sich­tig in Hän­den hal­te. Sobald eine Sei­te des Buches abge­tas­tet sein wird, wer­de ich das Eis­fach schlie­ßen und in der Woh­nung spa­zie­ren, ein Gramm Wal­fisch­or­ches­ter im Kopf für ein Jahr.  — Eliza­bot ist zurück. — stop

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möwen

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echo : 4.12 — Lese in Lou­is Kekkola’s Eis­buch Das Wal­fisch­or­ches­ter. Es ist jetzt kurz nach vier Uhr, Däm­me­rung, Vögel pfei­fen. In die­sem Moment tra­ge ich Hand­schu­he. Ich habe mein Ton­band­ge­rät ange­schal­tet und spre­che lei­se, in dem ich das zer­brech­li­che Buch­we­sen in Hän­den hal­te. Kaum habe ich eine Sei­te abge­tas­tet, schlie­ße ich den Kühl­schrank, gehe in der Woh­nung spa­zie­ren und las­se mir alles durch den Kopf gehen. Dann keh­re ich zurück und lese mit damp­fen­dem Atem wei­ter. Höre in die­sen Minu­ten das Ticken des Weckers, der mir 15 Sekun­den Zeit erteilt, um das Buch der unge­stü­men war­men Luft mei­ner Woh­nung aus­zu­set­zen. Auf Sei­te 87 ent­de­cke ich Lou­is Kekkola’s Notiz über das Leben der Möwen an nor­di­schen Strän­den. Er habe, schreibt er, in sei­nem Leben noch nie eine Möwe berührt. Das ist erstaun­lich, ich glau­be, es exis­tie­ren nur weni­ge Men­schen, die je eine Möwe mit ihren Hän­den berühr­ten. Auch ich habe noch nie eine Möwe mit mei­nen Hän­den berührt. Ich könn­te das ändern, ich soll­te ans Meer fah­ren. — stop
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südpol

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nord­pol : 22.50 — Ges­tern, abends kurz nach Acht, wur­de mir das ers­te Eis­buch mei­nes Lebens zuge­stellt. Fol­gen­des, beglei­tend, war notiert: Das Wal­fisch­or­ches­ter. Eine Novel­le von Lou­is Kek­ko­la. 102 Sei­ten. 22.85 £. Halt­bar bei minus 5° C bis Dezem­ber 2012. Hoch­ach­tungs­voll ∼ Marks & Com­pa­ny, 84. Cha­ring Cross Road. Lon­don. / Zwei Stun­den lang, ein Tiger, vor dem Kühl­schrank auf und ab.

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