whiskey : 0.22 UTC — b I r k e n h a u t
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Aus der Wörtersammlung: utc
going to sleep
nordpol : 0.18 UTC — Einmal, während ich einen Text über Hände und Finger notierte, beobachtete ich meine eigenen, arbeitenden Hände und Finger, wie sie die Tastatur der Maschine bedienten, ohne dass ich ihnen bewusst Anweisung erteilte. Bald konnte ich nicht weiter, deshalb machte ich eine kleine Pause und betrachtete zunächst meine linke, dann meine rechte Hand. Sie ruhten Seite an Seite auf der Tastatur der Maschine und warteten. Sie warteten darauf, dass eine Stimme in meinem Kopf diktieren würde, was aufzuschreiben ist. Ich könnte jetzt vielleicht sagen, dass meine Hände darauf warteten, mein Gedächtnis entlasten zu dürfen, weil ich alle Sätze, die ich mit meinen Händen in die Tastatur der Maschine schreibe, nie lernen, nie speichern muss, weil ich bereits vor der Niederschrift weiß, dass ich bald wiederkommen und lesen könnte, was ich notiere und notierte. Ich betrachtete also meine Hände, und weil ich sehr lange Zeit nicht weiterwusste in meinem Text, habe ich in Nathalie Sarraute’s wunderbarem Buch Kindheit gelesen. Nach einer Stunde schaltete sich mein Computer aus und ich konnte auf dem Bildschirm folgende Zeile lesen: no signal. going to sleep. — stop

time
echo : 0.14 UTC — In einem Notizbuch, das ich vor 22 Jahren führte, entdeckte ich den Satz: Lesen lernen! — Seltsame Sache. — Auch das Wort: Birkenhaut, das ich eigentlich in zunächst drei Tagen aufschreiben wollte. — stop

von sammlern
echo : 22.01 UTC — Weil ich mich nun für 12 Monate (oder längere Zeit) mit der Beobachtung von berühmten Käfersammlern beschäftigen werde, mit Ernst Jünger, zum Beispiel, oder Carl von Linné, nach ihrem Wesen, ihren Sammlermotiven, ihrer Leidenschaft fragen, erinnerte ich mich an einen Brief, den ich vor langer Zeit einmal an Jean-Henri Fabre in der Hoffnung sendete, er würde doch irgendwie in der Lage sein, ihn wahrzunehmen. Ich notierte: Mein lieber Monsieur Fabre, an diesem wunderschönen, eiskalten Dezembertag gegen Zehn, habe ich entlang Ihrer feinen Zeichenkette die Besteigung des Mont Ventoux in Angriff genommen. Nun bin ich wieder einmal begeistert von hinreißender Landschaft, von der dünner werdenden Luft, von Ihren geliebten Wespen, die ich noch nie in meinem Leben mit eigenen Augen wahrgenommen habe. Heute Morgen sehr früh, als ich vor dem Fenster saß und meine Polarspinne beobachtete, wie sie sich freute, nach einer sehr langen Zeit im Eisfach endlich unter der freien, kalten Luft die Sterne betrachten zu können, hatte ich die Genauigkeit Ihres Sehens erinnert, die Geduld Ihrer Augen, und sofort in Ihr kleines, bedeutendes Buch von der Poesie der Insekten geschaut. Man kann das Atmen vergessen. Wie lange Zeit werden Sie wohl eine grabende Sandwespe betrachtet haben, ehe Sie einen ersten Satz formulierten? Und was, zum Teufel, hatten Sie unter der Lupe, als Nadar Sie fotografierte? — Ihr Louis, mit besten Grüßen. — stop

funk
sierra : 16.01 UTC — Gestern Abend meinte ich wieder zum dritten Einmal, ein Geräusch wahrgenommen zu haben, in etwa hörte sich das so an, als würde man ein Ohr an ein Bambusrohr legen, durch welches Kieselsteine fallen. Zunächst meldete sich das Geräusch links oben unter der Decke, wo sich Bücher befinden, die ich bisher nicht gelesen habe, wartende Bücher, sagen wir, Mahnende. Kurz darauf wanderte das Geräusch in die Mitte des Regals, Christoph Ransmayr klimperte, John Berger, Janet Frame, Antonio Tabucchi. Ich hatte für einige Minuten den Eindruck, das Geräusch oder seine Ursache könnte sich vervielfältigt haben. Wenn nun folgendes geschehen wäre, dass sich die Bücher meines Regals in Funkbücher verwandelten, in Bücher, die nur vorgeben, Bücher von Papier zu sein, in Bücher also, die über Seiten verfügen, die eigentlich Bildschirme sind, die man umblättern kann. Dann wäre denkbar, dass ich jenes typische Geräusch vernommen habe, das in genau dem Moment entsteht, da der Autor eines Buches mittels Funkwellen eine erneuerte Fassung seines Werkes in die Zimmer der Welt entsendet. Ich muss darüber nachdenken, was die Möglichkeit oder die Existenz der Funkbücher bedeuten würde für das Schreiben, für das Aufhören können, für Anfang und Ende einer Geschichte. Und wenn nun Jean Pauls Komet in meinem Zimmer rascheln würde, oder Federspiels Typhoid Mary, Ponge? – Noch zu tun: Winterwörter erfinden. — stop

von wortgeräuschen
india : 15.28 UTC — Noch zu tun in den letzten Stunden dieses Tages: Lärmwörter erfinden. Folgende Wörter sind bereits bekannt: LÄRMEN LÄRMBLÄSER LÄRMECKE LÄRMENBLASEN LÄRMENSCHLAGEN LÄRMENTE LÄRMER LÄRMFACKEL LÄRMFEUER LÄRMFROH LÄRMGASSE LÄRMGLOCKE LÄRMIG LÄRMKANONE LÄRMMACHER LÄRMPLATZ LÄRMSCHUSZ LÄRMSPIEL LÄRMSTANGE LÄRMSTÜCK LÄRMWORT LÄRMZEICHEN. Sammlung nach dem Wörterbuch der Gebrüder Grimm. Eine Lärmente, das ist eine Schnatterente. — stop

im schnee


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olimambo : 8.28 UTC — Im Traum war Winter. Eichhörnchen hüpften durch den Schnee, manchmal waren sie kaum zu erkennen, nur eine Bewegung, eine kleine Wolke von Kristallen, etwas Fell. Wenn sie sich dann näherten, waren sie zutraulich, natürlich etwas scheu und nervös, aber dann doch derart zutraulich, dass ich sie in die Hände nehmen und mein Ohr auf ihren Bauch legen konnte. Ich hörte ihr Herz schlagen und etwas Musik, Swing, was war das doch für Musik gewesen? Musik, die ich nur von Schallplatten her kannte. All jene Eichhörnchen, die mir begegneten, waren von Musik erfüllt. Wie sie das machten? — stop

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kilimandscharo : 15.22 UTC — h i r n k l a p p e

ein millionstel gramm wort
echo : 16.25 UTC — Ich verfüge über eine weitere, über eine 5. Schreibmaschine. Das ist so, weil ich sie mir gekauft habe. Leicht ist sie und flach. Wenn meine neue Schreibmaschine in der Hitze der Tag- oder Abendluft atmet, um sich zu kühlen, ist von ihren Atemgeräuschen selbst dann, wenn ich ein Ohr an ihr Gehäuse lege, nichts zu hören. Ich könnte sie unter meinem Hemd verbergen, weil sie so flach ist, niemand würde sie bemerken. Einmal notierte ich: Wenn das so weiter geht mit dem Leichterwerden der Schreibmaschinen, werde ich bald Schreibwerke zur Verfügung haben, die von geringerer Schwere sind als die Papiere, die ich mit ihren Zeichen fülle. — Wie viel genau wiegt eigentlich dieses elektrische Wort, das gerade vor mir auf dem Bildschirm erscheint? S i e r r a. Wie viele Male wird das Wort S i e r r a heute oder morgen auf weiteren Bildschirmen aufgerufen werden, wie lange Zeit jeweils sichtbar sein? Es ist denkbar, dass das Wort S i e r r a , das in Europa vor wenigen Minuten verzeichnet wurde, schwerer wiegt, sobald es in Australien auf einem Bildschirm erscheint, als dasselbe Wort, wenn wir es in Europa lesen, 1 Millionstel Gramm schwerer, sagen wir, um 1 Millionstel Gramm Kohle schwerer und um den Bruchteil einer Sekunde. Samstag. — stop. 12° Celsius bei wolkenlosem Himmel. stop. Wer könnte nun beweisen, dass dieser Text nicht bereits von einer Maschine geschrieben wurde, die über künstliche Intelligenz verfügt? — stop / tags: machine learning . tensorflow . text mining . natural language processing . codepath . turing test.

m a r i m b o l o
whiskey : 2.42 UTC — Wenn ich die Stadt New York erfinde oder wiederfinde, gehe ich spazieren. Ich setze mich in meiner Vorstellung auf eine Bank im Tompkins Square Park und dann laufe ich irgendwann los mit den Wörtern, notiere, was ich erinnere, es ist Frühling, heute folgte ich der Avenue A nordwärts. Aber ich bin nicht weit gekommen, da war plötzlich eine Art Loch, ich konnte mich an den Namen eines Perückenladens nicht erinnern. Gestern war der Laden in meiner Erinnerung überhaupt nicht existent, deshalb konnte ich an ihm vorbeispazieren. Und heute blieb ich dort hängen. Das ist schon sehr seltsam. — stop



