Aus der Wörtersammlung: hemingway

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prozedur

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kili­man­dscha­ro : 20.02 UTC — 1 Mal im Jahr, stel­le ich mir vor, wird Mr. Heming­way (Name erfun­den) sei­ne Schreib­ma­schi­ne zer­le­gen, um jedes ihrer Ein­zel­tei­le zunächst zu säu­bern, zu betrach­ten und in fei­ne Maschi­nen­öle zu tau­chen. Eine zeit­auf­wän­di­ge Pro­ze­dur, größ­te Sorg­falt wird gebo­ten sein, denn die Schreib­ma­schi­ne ist kost­bar. Schon der Groß­va­ter, ein äußerst gebil­de­ter Mann, soll auf ihr notiert haben, wes­halb sie sozu­sa­gen mit­tels der Zei­chen, die sie auf aller­lei Papie­re drück­te, weit in der Welt her­um gekom­men war. Wie nun prä­zi­se, fra­ge ich, wird Mr. Heming­way sei­ne Schreib­ma­schi­ne in ihre Ein­zel­tei­le zer­le­gen, wie wird er vor­ge­hen? Viel­leicht, indem er zunächst einen Plan ent­wi­ckeln wird, der ein­zel­ne Schrit­te der Zer­le­gung (Demon­ta­ge) der­art ver­zeich­net, dass sie spä­ter ein­mal in rück­wir­ken­der Art und Wei­se nach­voll­zo­gen wer­den könn­ten (Mon­ta­ge). Sehr vie­le Schräub­chen, Tas­ten, Zahn­rä­der wer­den zu berück­sich­ti­gen sein, 328 Tei­le ins­ge­samt. Wür­de nur eines die­ser Schräub­chen, Tas­ten oder Zahn­rä­der, zu Boden fal­len und ver­schwin­den, wäre es um die Schreib­ma­schi­ne gesche­hen, aus und vor­bei. Eine ris­kan­te Geschich­te. — stop

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regenzeit

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alpha : 20.15 UTC — Tief­see­tauch­bü­cher, von der NASA zur Prü­fung astro­nau­tisch Rei­sen­der ent­wi­ckelt, wer­den ab sofort als Regen­bü­cher gehan­delt. Sie sol­len sich in tro­pi­schen Gegen­den sehr gut ver­kau­fen. Haben Sie schon ein­mal mit E.E.Cummings Sel­ec­ted Poems geba­det, mit Heming­ways Fies­ta oder Doro­thy Par­kers The por­ta­ble? Wei­te­re Wer­ke wer­den fol­gen: Homer, Beckett, Carson McCul­lers. — stop

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von der freiheit der maria

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vic­tor : 6.28 — Jeden Sams­tag kam Maria ins Café Gazet­te. Wenn Mitt­woch war konn­te man sie im Heming­ways besu­chen, einem her­un­ter­ge­kom­me­nen Laden in der Nähe des Haupt­bahn­ho­fes. Mon­tags saß sie in der Bar-Celo­na. An Diens­ta­gen und Frei­ta­gen war sie mal da und mal dort, und am Don­ners­tag ging sie ins Kino. Es war immer das­sel­be, die klei­ne Frau, deren Alter nie­mand zu bestim­men wuss­te, kam her­ein, setz­te sich an irgend­ei­nen frei­en Tisch, oder war­te­te so lan­ge im Ste­hen bis ein Tisch frei­ge­wor­den war, um sofort mit ihrer Arbeit zu begin­nen. Sie bedeck­te den Tisch, an dem sie Platz genom­men hat­te, mit wei­ßen Papie­ren in unter­schied­li­chen Grö­ßen, hol­te aus einem Kof­fer­wa­gen, der ihr stän­di­ger Beglei­ter war, kräf­ti­ge Filz­stif­te und begann zu malen. Wer sie ein­mal genau beob­ach­tet hat­te, wird viel­leicht bemerkt haben, dass sie bei Ein­tritt in das Café oder die Bar, mit einem scheu­en Blick alle anwe­sen­den Men­schen wahr­ge­nom­men oder in sich auf­ge­nom­men hat­te, um sie nun zu por­trä­tie­ren, einen Men­schen nach dem ande­ren Men­schen, auch dann, wenn sie den Ort längst ver­las­sen hat­ten. Maria mal­te lang­sam, sie mal­te wie ein Kind, manch­mal biss sie sich auf die Zun­ge. Sie war eine sehr stil­le, eine stum­me Frau, und ihr Gesicht vom Leben ohne Obdach gezeich­net. Sie hat­te einen Buckel, der mit den Jah­ren zu wach­sen schien und sie immer wei­ter gegen den Boden dräng­te. Vie­le Men­schen kann­ten sie. Viel­leicht kann man sagen, dass es sich bei Maria um eine Iko­ne der Stadt han­del­te, sie lach­te nie­mals, aber alle Men­schen auf ihren Bil­dern lach­ten. Alle sahen sie aus wie Maria, ihre Gesich­ter genau genom­men, Augen, Nase, Mund, aber die Haa­re waren ande­re Haa­re, auch die Far­ben der Hem­den, Pull­over, Kra­wat­ten, Blu­sen, waren genau jener Sekun­den­wirk­lich­keit ent­nom­men, da Maria von der Stra­ße her­ein­ge­kom­men war. Ja, sie mal­te lang­sam, und wenn es ein­mal sehr still war, konn­te man die Geräu­sche ihrer Werk­zeu­ge deut­lich hören. Sobald Maria alle Men­schen por­trai­tiert hat­te, erhob sie sich und ging von Tisch zu Tisch, um ihre klei­nen, wert­vol­len Male­rei­en zu ver­kau­fen. Sie ver­lang­te nie mehr als 1 Deut­sche Mark. Im Lau­fe der Jah­re kauf­te ich immer wie­der ein­mal eines ihrer Bil­der, also mich und Maria, mal mit kur­zen, mal mit län­ge­ren Haa­ren. Da war der Som­mer der wei­ßen Hem­den und dort der Som­mer der blau­en Hem­den. Ein­mal, es war Win­ter gewe­sen, tru­gen wir einen Hut. – stop

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seide

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alpha : 6.55 — Ges­tern Abend um 22 Uhr und 8 Minu­ten fol­gen­de Email: „Und? Hat Nabo­kov schon geant­wor­tet? N.“ Seit­her war­te ich. Als ob ich in den ver­gan­ge­nen Wochen nicht genug gewar­tet hät­te. Auf Schnee, zum Bei­spiel. Heming­way, vor zwei Jah­ren, ant­wor­te­te gar nicht, Lowry nach drei Mona­ten und in einer Wei­se, die ich bis heu­te nicht ent­rät­selt habe. Aber Dju­na Bar­nes, um Him­mels wil­len, Dju­na Bar­nes, als hät­te sie mei­ne Zei­len erwar­tet, ant­wor­te­te noch in der Stun­de mei­nes Schrei­bens. stop. Ich muss das suchen. stop. Geräu­schwort für 750 Tau­send vor­wärts schla­gen­de Her­zen noch nicht ent­deckt. stop Regen. stop. Sei­dig. stop. Als wür­de der Erd­bo­den schwit­zen. stop. 

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hemingway

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7.05 — Unter einem Ahorn­baum eine Hüt­te. Räu­me, so nied­rig, dass ich mich, als ich ein­tre­ten will, bücken muss. Ein Tisch, auf dem ein Glas Milch steht, das dampft. Eine Kat­ze schläft auf dem Tisch neben einer Grup­pe scharf ange­spitz­ter Blei­stif­te von gel­bem Holz. Ernest Heming­way, kaum höher als 150 cm, betritt den Raum. Er setzt sich an den Tisch und beginnt mit einem der Blei­stif­te in die Luft zu schrei­ben: Das merk­wür­di­ge Leuch­ten, das die Son­ne, jetzt da sie höher steht, im Was­ser her­vor­ruft, und auch die For­men der Wol­ken über dem Fest­land bedeu­ten gutes Wet­ter. Aber der Vogel ist jetzt nahe­zu außer Sicht und nichts zeigt sich auf der Ober­flä­che des Was­sers außer eini­gen Stel­len von gel­bem, son­nen­ge­bleich­ten Sara­gos­sa­tang und die vio­let­te, fest­ge­form­te, schil­lern­de, gal­lert­ar­ti­ge Bla­se einer Por­tu­gie­si­schen Galee­re, die dicht neben den Boot treibt. Sie legt sich auf die Sei­te und rich­te­te sich dann auf. Sie treibt mun­ter wie eine Luft­bla­se dahin mit ihren lan­gen, töd­li­chen, vio­let­ten Nes­sel­fä­den, die bei­na­he einen Meter hin­ter ihr im Was­ser nach­schlep­pen. - Leich­ter Regen.

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