Aus der Wörtersammlung: nachricht

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nachtmensch

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romeo : 0.08 – Man­che Men­schen, zum Bei­spiel, wenn ich ihnen nachts auf der Stra­ße begeg­ne, grü­ßen mich, als wür­den wir uns gera­de im Hoch­ge­bir­ge oder in einer ande­ren Wild­nis befin­den. Wir set­zen uns dann auf die nächs­te Bank, tau­schen ein wenig Pro­vi­ant und die letz­ten Nach­rich­ten aus, und füh­len ein­an­der ver­bun­den, sagen wir, durch den Man­gel an Licht. Ande­re Men­schen wie­der­um fürch­ten sich vor mir, wie jene uralte Dame mit ihrem noch älte­ren Hund, sie fletscht die Zäh­ne, sobald sie mich sieht gegen drei Uhr auf dem Ador­no­platz. Viel­leicht gehört sie bereits in den her­an­rü­cken­den Mor­gen, ist Tag­mensch, nicht Nacht­mensch, hält mich für licht­scheu­es Gesin­del. Obwohl ich ihr längst in mei­ner gan­zen Harm­lo­sig­keit bekannt sein müss­te, doch stets die­sel­be urmensch­lich dro­hen­de Hal­tung. Viel­leicht ist sie halb­wegs schon blind gewor­den. Oder aber ich wer­de ver­ges­sen, immer wie­der ver­ges­sen, ein­mal um die eige­ne Ach­se gedreht, und schon bin ich zu wei­te­rem tau­fri­schen Schre­cken geworden.
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coco chanel

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1.18 — Ein­mal, in den Mona­ten der Vogel­grip­pe, kam mir bei klei­ne­ren Tur­bu­len­zen im Gang eines Flug­zeu­ges eine uralte Lady ent­ge­gen, deren Gesichts­zü­ge mich sofort an Coco Cha­nel erin­ner­ten. Sie war von zier­li­cher Gestalt, trug einen dunk­len Man­tel, sport­li­che Schu­he und mach­te Schrit­te wie ein Matro­se auf hoher See. Vor allem ihr schloh­wei­ßes Haar und ihr äußerst wil­lens­star­ker Blick sind nah geblie­ben, auch ihr hell­rot geschmink­ter Mund, der min­des­tens acht­zig Jah­re alt gewe­sen sein muss­te und doch bei­na­he wirk­te wie der Mund einer jun­gen Frau. Eines Abends, wäh­rend ich einer Nach­rich­ten­sen­dung folg­te, erin­ner­te ich mich an die­se selt­sa­me Frau, und ich stell­te mir vor, wie sie aus der drit­ten Eta­ge eines Miets­hau­ses in den Kel­ler steigt, um ein Roll­wä­gel­chen zu suchen, das sie dort — für immer — abge­stellt hat­te, nach­dem sie beim Ein­kau­fen um ein Haar gestürzt war. Es ist also frü­her Mor­gen, es ist Win­ter und noch dun­kel, als die alte Dame das Haus ver­lässt. Ich sehe sie mit vor­sich­ti­gen Schrit­ten in ihrem dunk­len Man­tel und Win­ter­stie­feln über die Stra­ße gehen. An der ers­ten Ampel biegt sie nach links ab, über­quert einen Platz, folgt einer wei­te­ren schma­len Stra­ße, jetzt ist sie vor einem Super­markt ange­kom­men. Sie stellt ihr Roll­wä­gel­chen in der Nähe der Kas­se ab, geht in die Geträn­ke­ab­tei­lung und nimmt eine Fla­sche Was­ser aus dem Regal. Sie trägt die Fla­sche zu ihrem Wägel­chen, kehrt zurück, nimmt sich die nächs­te Was­ser­fla­sche aus dem Regal und so geht das fort, bis das Wägel­chen gut gefüllt ist und ein wenig pfeift, wie es auf dem Heim­weg über die Stra­ße gezo­gen wird. — Jetzt ist die alte Frau vor der Tür ihres Hau­ses ange­kom­men. — Jetzt stellt sie das Wägel­chen neben die Trep­pe, die zur Haus­tü­re führt. — Jetzt ist sie mit einer der Fla­schen im Haus ver­schwun­den. — Zehn Minu­ten ver­ge­hen. Dann erscheint sie wie­der auf der Stra­ße. Sie hat ihren Man­tel aus­ge­zo­gen, trägt eine graue Jacke und Sport­schu­he. Kurz, für zwei oder drei Sekun­den, hält sie sich am Gelän­der der Trep­pe fest. — stop

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kapstadt

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2.26 — Mail von S. aus Kap­stadt. Der jun­ge Arzt berich­tet aus einem klei­nen Hos­pi­tal [ 200 Bet­ten ] nahe einem Town­ship. Er habe, wie immer, wenn Zahl­tag sei, sehr schwie­ri­ge Näch­te hin­ter sich. Zeit der Dro­gen, Zeit der Waf­fen­käu­fe, Zeit offe­ner Rech­nun­gen. Er ste­he von 20.00 bis 8.00 Uhr im OP wie an einem Fließ­band und lege Tho­rax­drai­na­gen, ver­nä­he Stich­wun­den, hole Mes­ser­spit­zen und Pro­jek­ti­le aus den Kör­pern, all die­se übli­chen Din­ge in der Nähe des Krie­ges. Wäh­rend ich sei­ne Nach­richt lese, erin­ne­re ich mich an eine Foto­gra­fie, die einen alten ita­lie­ni­schen Chir­ur­gen zeigt, der im Moment der Auf­nah­me eine Ope­ra­ti­on im eige­nen Bauch­raum unter­nimmt. Unver­züg­lich mache ich mich im Papp­schach­tel­turm auf die Suche.

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Wie­der ein Oszil­lie­ren zwi­schen Stau­nen und Unru­he. Heu­te Nacht damp­fen die Stra­ßen. Leich­ter See­gang. — Viel­leicht ist das Schrei­ben ein Vor­gang des Nähens, eine Arbeit der Repa­ra­tur. — Und Gros­ny? — stop

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panthergeschichte

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18.15 – Da ist mir doch tat­säch­lich ein jun­ger Pan­ther zuge­laufen, ein zier­li­ches Wesen, das mühe­los vom Boden her auf mei­ne Schul­ter sprin­gen kann, ohne dabei auch nur den gerings­ten Anlauf neh­men zu müs­sen. Sei­ne Zun­ge ist rau, sei­ne Zäh­ne kühl, ich bin stark, auch im Gesicht, gezeich­net von sei­nen wil­den Gefüh­len. Der Pan­ther schläft, unter­dessen ich arbei­te. So glück­lich sieht er dort aus, auf der Decke unter der Lam­pe lie­gend, dass ich selbst ein wenig schläf­rig wer­de, auch wenn ich nur an ihn den­ke, an das Licht sei­ner Augen, das gelb ist, wie er zu mir her­über­schaut bis in den Kopf. Spät­abends, wenn es lan­ge schon dun­kel gewor­den ist, gehen wir spa­zie­ren. Ich lege mein Ohr an die Tür und lau­sche, das ist das Zei­chen. Gleich neben mir hat er sich aufge­richtet, schärft an der Wand sei­ne Kral­len, dann fegt er hin­aus über die Stra­ße, um einen vom Nacht­licht schon müden Vögel zu ver­spei­sen. Dar­an sind wir gewöhnt, an das lei­se Kra­chen der Gebei­ne, an schau­kelnde Federn in der Luft. Dann wei­ter die heim­liche Rou­te unter der Stern­warte hin­durch in den Palmen­garten. Es ist ein gro­ßes Glück, ihm beim Jagen zuhö­ren zu dür­fen. Ich sit­ze, die Bei­ne über­ein­ander geschla­gen, auf einer Bank am See, schaue gegen die Ster­ne, und ver­neh­me die Wande­rung des Jägers ent­lang der Ufer­strecke. Ein Rascheln, ein Kräch­zen, ein Schlag ins Was­ser. Wenn er genug hat, gehn wir nach Hau­se. — Don­ners­tag. 24. Janu­ar 2008. Kurz nach­dem ich die­se klei­ne Geschich­te mit Ver­gnü­gen erfun­den habe, die Nach­richt, die kom­plet­te DNA eines Bak­te­ri­ums sei zum ers­ten Mal von Men­schen­hand wie­der­holt, das heißt mon­tiert wor­den ist. — stop

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winterkäfer

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14.10 — Habe über einen Win­ter­kä­fer nach­ge­dacht. Aber dann ist mir ein ganz ande­rer Käfer ein­ge­fal­len, ein Wesen, für das ich noch kei­nen Namen habe. Die­ser namen­lo­se Käfer soll­te ohne Aus­nah­me paar­wei­se erschei­nen, weich sein wie eine Schne­cke und von der Kör­per­tem­pe­ra­tur der Men­schen und genau­so groß, dass er sich in die Augen­höh­le eines Schla­fen­den ein­zu­schmie­gen ver­mag. Man möch­te nun mei­nen, der Käfer wür­de sich mit sei­ner Wir­kung als Nacht­schirm begnü­gen, statt­des­sen wird er ein wenig flie­ßen und da er in die­ser Wei­se in Bewe­gung ist, sehr ent­span­nen­de Polar­licht­spie­le von mil­der, beru­hi­gen­der Lumi­nes­zenz erzeu­gen. — Wäh­rend ich die­se Zei­len über­tra­ge, die Nach­richt, dass Bena­zir Bhut­to von einem Selbst­mord­at­ten­tä­ter getö­tet wor­den sein soll. — stop

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