Aus der Wörtersammlung: schnabel

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leuchtfeuer

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echo : 8.01 — Die Wie­der­ho­lung einer Nacht­zeit vor weni­gen Stun­den noch. Regen. Das Geräusch des Was­sers, ein Geräusch des Bodens, der Stäm­me, der Dächer, der Regen­rin­nen. Viel­leicht, weil in ihm Zeit ent­hal­ten ist, Trop­fen für Trop­fen zu einer regel­mä­ßi­gen Bewe­gung, höre ich die­ses Geräusch als ein beru­hi­gen­des Geräusch. Oder auch des­halb, weil ich das Wesen der Kie­men­men­schen in mir tra­ge, weil ich von Men­schen­woh­nun­gen erzäh­le, die unter Was­ser ste­hen. An die­sem küh­len Mor­gen ist etwas Wesent­li­ches fest­zu­hal­ten, ein ange­neh­mes Wort, das Wort Leucht­feu­er. Und dass ich von Kra­ni­chen träum­te, ja träum­te, selbst ein Kra­nich unter Kra­ni­chen zu sein. Wir flo­gen eine Küs­te ent­lang. Ich erin­ne­re mich, dass ich durs­tig gewe­sen war, weil viel Son­ne vom Him­mel brann­te. Die Kra­ni­che bemerk­ten bald, dass mich die Hit­ze quäl­te. Sie such­ten nach mei­nem Schna­bel, um mich mit Was­ser zu füt­tern. Aber ich hat­te kei­nen Schna­bel, son­dern einen mensch­li­chen Mund, wes­halb sie bald auf­ga­ben, mich füt­tern zu wol­len. Statt­des­sen näher­te sich einer nach dem ande­ren, um nach­zu­se­hen, welch selt­sa­mer Vogel mit ihnen nach Nor­den flog. — stop

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nachtvogel

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nord­pol

~ : louis
to : dai­sy und vio­let hilton
sub­ject : NACHTVOGEL

Eine merk­wür­di­ge Novem­ber­nacht neigt sich dem Ende zu. Ich habe, lie­be Dai­sy, lie­be Vio­let, in den ver­gan­ge­nen Stun­den mehr­fach den Ver­such unter­nom­men, einen Vogel von blau­em Gefie­der, der ein paar Run­den durch mei­ne Woh­nung geflo­gen war, auf­zu­fan­gen, das heißt, mei­ne Hän­de in einer Wei­se dar­zu­bie­ten, dass der Vogel auf ihnen lan­den konn­te, ohne auf den Boden zu fal­len. Ich dürf­te eine kurio­se Erschei­nung gewe­sen sein, wie ich mich ver­renk­te, wie ich dem Vogel folg­te, wie ich Geräu­sche mach­te, als könn­te ich in der Spra­che der Vögel spre­chen. Und jetzt ist es bald fünf Uhr und der Vogel ist immer noch hier. Er flat­tert her­um, ein aus­dau­ern­des Geschöpf von der Grö­ße eines Ten­nis­bal­les, oran­gen­far­be­ne Augen, gel­ber Schna­bel, ein sehr beson­de­res Wesen, weil es sich um einen Vogel ohne Füße han­delt. Sicher wer­det Ihr Euch fra­gen, wie es mög­lich sein kann, dass der Vogel ohne sei­ne Füße über­le­ben konn­te, dass er nicht längst in irgend­ei­ner Ecke zer­schell­te, und über­haupt, wie es dazu gekom­men war, dass der Vogel sei­ne Füße ver­lor. Das alles liegt noch völ­lig im Dunk­len. Ich habe kei­ne Ahnung, nicht die gerings­te Vor­stel­lung, so dass ich nun war­ten muss, solan­ge war­ten, bis mir etwas ein­fällt, das noch fehlt, um voll­stän­dig wer­den zu kön­nen. Wie geht es Euch über­haupt? Denkt Ihr noch an die Fra­ge, die ich Euch unlängst stell­te? Ich woll­te wis­sen, ob Ihr dort Oben für die Ewig­keit noch immer leib­lich mit­ein­an­der ver­wach­sen seid? – Euer Lou­is, sehr herz­lich, wünscht einen guten Tag!

gesen­det am
11.11.2010
5.05 MESZ
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lou­is to dai­sy and violet »

ping

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schlafende vögel

pic

echo : 8.25 — Weil ein unter der Was­ser­ober­flä­che leben­der Vogel noch immer ein Vogel ist, weder Fisch, noch Amphi­bie, wird er sich von Zeit zu Zeit an die Gestalt der Bäu­me erin­nern, an den Luft­ge­sang sei­ner Freun­de, an den Wind, der durch sein Gefie­der streif­te, an das Vor­däm­me­rungs­licht der Son­ne, das ihm Augen und Schna­bel öff­ne­te, auch an die Far­ben der Wol­ken, an den Schnee, an den Duft der Blü­ten, an das Öl der Samen, der Nüs­se. Er wird viel­leicht auf san­di­gem Boden unter wei­te­ren Vögeln sit­zen und das Licht der Wel­len wird ihm schmei­cheln, komm zurück, komm zurück, und er wird in die­sen Momen­ten füh­len, dass etwas anders gewor­den ist, dass man als schla­fen­der Vogel auf und davon trei­ben, dass man nie­mals wis­sen kann, wo man erwa­chen wird. – Ein wun­der­bar ruhi­ger Abend, spa­zier­te ins Cafe, besuch­te L., notier­te end­lich wie­der ein paar ana­to­mi­sche Sät­ze, stu­dier­te Zug­fahr­plä­ne Mum­bai — Dar­jee­ling. Wie nach und nach die Far­ben zurück­keh­ren, Gra­vi­ta­ti­on, ein Oben, ein Unten. Und plötz­lich die­ses fei­ne Bild eines Schwarms der Unter­was­ser­vö­gel, wie sie schla­fend als Vogel­wol­ke in der Strö­mung trei­ben. Man­che schwe­ben auf dem Rücken, die Flü­gel weit geöff­net, ande­re haben ihren Kopf ins nas­se Gefie­der gesteckt, glei­ten in einer Hal­tung dahin, als wür­den sie wie immer auf dem Ast eines Bau­mes sit­zen. Das Nacht­ge­spräch der Schla­fen­den in mei­nem Kopf, ein lei­ses Sin­gen, ein Sin­gen, das schon bald zu einem Gespräch gewor­den ist.

ping

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torero

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marim­ba : 4.52 — Dich­te Flie­gen­wol­ken in der Gewit­ter­luft überm Pal­men­gar­ten­see. Man müss­te als Vogel mit auf­ge­ris­se­nem Schna­bel nur zwei oder drei­mal knapp über das Was­ser rasen, schon hät­te man sich den Magen ver­dor­ben. In genau die­sem Zusam­men­hang ver­gan­ge­ne Woche einen Fal­ter beob­ach­tet, der sich über der Was­ser­ober­flä­che wie ein Tore­ro ver­hielt. Rasan­te Flug­ma­nö­ver lock­ten einen angrei­fen­den Sper­ling immer wie­der ins Lee­re. Mit Span­nung auf den Absturz des Vogels ins Was­ser gewar­tet. Aber dann führ­te ein mini­ma­ler Wind­stoß in der fal­schen Sekun­de doch noch zum Ende des Fal­ters, der ein ver­we­ge­nes Tag­pfau­en­au­ge gewe­sen war. — Es ist jetzt 4 Uhr und noch immer Nacht, weil es dun­kel ist. Ich habe gera­de eine Notiz seziert, die ich auf einem sehr alten Zet­tel wie­der ent­deck­te. Ich kann mich an den Moment der Notiz nicht erin­nern, aber die Schrift ist mei­ne Hand­schrift, und sie ist zwan­zig Jah­re alt. Ein merk­wür­di­ger Anblick, als wür­de ich die Gedan­ken eines Frem­den betrach­ten, der mir doch ver­traut ist. Der Frem­de schrieb: Ein­mal für eine Stun­de lang über einer sehr gro­ßen Stadt unter einem Zep­pe­lin auf der Stel­le schwe­ben, für die­se eine Stun­de nur, da die Gedan­ken der Men­schen in der Stadt hör­bar wer­den, die stren­gen, die leich­ten, die erin­ner­ten, die rasen­den Gedan­ken einer Stadt. — Ein Rau­schen vielleicht.

ping