Aus der Wörtersammlung: lichtbild

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lucie

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sier­ra : 6.02 — Das sind lus­ti­ge Tage, Tage wie die­ser hier nach durch­ar­bei­te­ter Nacht. Noch immer, drin­nen wie drau­ßen, sehr war­me und feuch­te Hit­ze. In der Däm­me­rung schloss ich die Fens­ter. Auf das Bett waren leich­te Tücher gelegt, das luf­tigs­te Mate­ri­al, das zu fin­den gewe­sen ist, die Fens­ter ver­dun­kelt, alles bereit, den begin­nen­den Tag sofort zur Nacht zu machen. Ich lag bald unterm Buch, das mir den Kopf müde mach­t. Ich dach­te, dass ich nichts den­ken soll­te, schau­te nach Lich­tern, die unter den Lidern in Schlaf­au­gen wan­dern. Fast war ich weg­ge­kom­men, als eine Flie­ge auf mei­ner Schul­ter lan­de­te und sofort mit dem Munds­tem­pel nach Salz und ande­ren Din­gen zu for­schen begann. Ich sag­te, bit­te, bit­te nicht, Lucie, heu­te bit­te nicht, ich muss schla­fen. Und so erhob sich Lucie in die Luft und ich hör­te, wie sie eine lang­sa­me, trau­rig sum­men­de Run­de links­her­um durch mein Zim­mer flog. Dann schlief ich ein und träum­te zwei blaue Schne­cken. Sie waren von küh­ler Tem­pe­ra­tur und hat­ten sich wie Polar­füch­se in einer Schnee­höh­le, in mei­ne Augen­höh­len gelegt. Als ich wach wur­de, als ich zunächst wach gewor­den war, wie immer mit geschlos­se­nen Augen, hör­te ich Gewit­ter­don­ner, dann ent­deck­te ich Lucie in nächs­ter Nähe. Sie hat­te sich, wäh­rend ich träum­te, vor­sich­tig auf den Rücken mei­ner lin­ken Hand gesetzt und ihre Bei­ne ange­zo­gen, sodass sie nicht saß, viel­mehr auf mir lag. Ja, ist es denn Flie­gentieren mög­lich, die Augen zu schlie­ßen? — stop

 

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hu jia

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6.08 — Ich besit­ze eine klei­ne Fern­seh­ma­schi­ne. Sie steht auf einem Brett, unter dem sich Rol­len befin­den, sodass sich das emp­fan­ge­ne Licht­bild im Raum her­um­fah­ren lässt. Ges­tern Abend, ich saß auf dem Sofa und schau­te in das Licht die­ser klei­nen Fern­seh­ma­schi­ne, kam eine jun­ge Frau ins Bild, das heißt, genau­er, die Kame­ra­ma­schi­nen, die das Licht für mei­ne Fern­seh­ma­schi­ne ein­zu­fan­gen, beauf­tragt waren, hat­ten sich weit weg in Chi­na auf die Gestalt die­ser jun­gen Frau aus­ge­rich­tet und für einen kur­zen Zeit­raum ihres Lebens hiel­ten sie an ihr fest, an ihrem jun­gen Gesicht, das vol­ler Trau­er gewe­sen war. — Was habe ich gese­hen, was habe ich gehört? — Da war eine jun­ge Frau, eine sehr blas­se jun­ge Frau, die in der chi­ne­si­schen Spra­che spre­chend davon erzähl­te, dass ihr Mann, Hu Jia, soeben von einem Volks­ge­richt zu 3 Jah­ren und 6 Mona­ten Haft ver­ur­teilt wor­den war, weil er sein Men­schen­recht auf freie Rede aus­übend gesagt und geschrie­ben hat­te, die Olym­pi­schen Spie­le des Jah­res 2008 sei­en für die Men­schen­rech­te in sei­nem Hei­mat­land eine Kata­stro­phe. Die jun­ge Frau hielt ein Kind in ihren Armen, einen Säug­ling. Wäh­rend sie sprach, beweg­ten sich ihre Hän­de in einer selt­sa­men Art und Wei­se vor Mund und Nase, Ges­ten von tie­fer Trau­rig­keit und Ver­zweif­lung, Ges­ten, die ihr Gesicht viel­leicht vor den Licht­ma­schi­nen schüt­zen soll­ten. Ich habe gese­hen, dass ihre Hän­de beb­ten. Dann war sie wie­der weg und auch ihr Kind.  – Fünf­zehn Uhr sie­ben in Lha­sa, Tibet. — stop

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