Aus der Wörtersammlung: sorge

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coney island

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nord­pol

~ : louis
to : Mr. jona­than noe kekkola
sub­ject : CONEY ISLAND

Mein lie­ber Kek­ko­la, das müs­sen Sie wis­sen, ich bin glück­lich, füh­le mich leicht, alle Sor­gen der ver­gan­ge­nen Wochen sind von mir gefal­len, ein Mensch, der mir nahe ist, wird wei­ter­le­ben. Wie schwe­ren Zei­ten, leich­te­re Zei­ten fol­gen! Nun wie­der ange­neh­mes Arbei­ten. Bin zu atlan­ti­schen Phä­no­me­nen zurück­ge­kehrt, das Hör­ver­mö­gen der Tief­see­ele­fan­ten, natür­lich, eine unend­li­che Geschich­te. Habe dar­über nach­ge­dacht, ob es nicht viel­leicht mög­lich sein könn­te, dass Tief­see­ele­fan­ten über klei­ne, kaum noch sicht­ba­re Ohren ver­fü­gen, die an ihren Rüs­sel­spit­zen gewach­sen sind über Jahr­mil­lio­nen ihres heim­li­chen Lebens hin­weg, um hören zu kön­nen, was man spricht in der Trom­pe­ten­spra­che jen­seits des Was­sers. So könn­te ich wei­ter­kom­men in die­ser Ange­le­gen­heit. Es ist nun bei­na­he sicher, dass ihre Her­den bereits in der Mit­te des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts vor Coney Island im Staa­te New York wahr­ge­nom­men wor­den sind. Ein Herr schrieb mir von Hand, sei­ne gelieb­te Rose habe ihm, wäh­rend eines Aus­flu­ges an den Strand, von Erschei­nun­gen erzählt, die alle unse­re Ver­mu­tun­gen bestä­ti­gen. Ich füge, lie­ber Kek­ko­la, mei­nem Brief eine Foto­gra­fie hin­zu, die an genau jenem Tag der Beob­ach­tung auf­ge­nom­men wor­den sein soll. Sieht sie nicht hin­rei­ßend unsterb­lich aus, Mrs. Rose, wie sie so sitzt und sich über das Tief­see­leuch­ten ihres Kop­fes zu freu­en scheint? – Ihr Lou­is, ihr Vogel.

gesen­det am
14.11.2009
22.58 MESZ
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lou­is to jonathan
noe kekkola »

 

rose

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weitrufend

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sier­ra

~ : louis
to : Mr. jona­than noe kekkola
sub­ject : RADAR

Mein lie­ber Jona­than. Noch immer kein Zei­chen. Aber ich weiß, ich spü­re, dass Sie am Leben sind. Des­halb schrei­be ich wei­ter, über­mitt­le mei­ne Nach­rich­ten an Sie in der Hoff­nung, dass irgend­wann ein­mal eine Ant­wort ein­tref­fen wird. – Vor zwei Tagen von einer klei­nen Rei­se zurück­ge­kom­men, bin ich noch etwas müde, aber froh und vol­ler Zuver­sicht. Ich habe in einem Saal vor Men­schen aus einem Text vor­ge­le­sen, den Sie bereits ken­nen. Ich konn­te mei­ne Zuhö­rer nicht sehen, weil mein Gesicht beleuch­tet war. Und weil ich sie so wenig hören wie ich sie sehen konn­te, dach­te ich für einen Moment, dass sie viel­leicht auf­ge­hört haben zu atmen oder ganz ver­schwun­den sind, ohne dass ich ihre Flucht bemerk­te. Ich beob­ach­te­te mei­ne Stim­me, wäh­rend ich las. Sie war zunächst eine frem­de, öffent­li­che Stim­me gewe­sen, ent­fernt, aber dann, Wort für Wort, kam sie zu mir zurück. Ja, wie ich lang­sa­mer wur­de, weil mein Herz sich lang­sa­mer, ruhi­ger beweg­te. Wie jene Wör­ter, in einer wei­te­ren Zei­le als der gera­de beschall­ten Zei­le, bereits hör­bar waren in mei­nem Kopf. Ihre besänf­ti­gen­de Gegen­wart, mein lie­ber Jona­than! Und nun bin ich also zurück und den­ke nach und schrei­be Ihnen in der Hoff­nung, dass Sie lesen wer­den, was ich für sie notie­re. Ich habe von Ihnen erzählt, wis­sen Sie! Ich habe erzählt, dass ich mich um Sie sor­ge. Und ich war stolz, von dem ers­ten Men­schen berich­ten zu kön­nen, der sich mit künst­li­chen Lun­gen ver­se­hen, in die nord­ame­ri­ka­ni­sche Wild­nis wag­te. Ja, mein lie­ber Kek­ko­la, ich weiß, dass Sie noch am Leben sind. — Ihr Louis

gesen­det am
28.10.2009
23.58 MESZ
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lou­is to jonathan
noe kekkola »

 

ping

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liu xiaobo und liu xia

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del­ta : 0.02 – Mit­ter­nacht vor­über. Gleich, in weni­gen Minu­ten, wer­de ich das Haus ver­las­sen und ein wenig spa­zie­ren gehen, rüber zu den Wäch­tern, die vor dem Frank­fur­ter Mes­se­turm Stän­de anti­qua­ri­scher Bücher umsor­gen. Viel­leicht haben sie schon offe­nes Feu­er in einer Ton­ne ent­zün­det. — Wie gut die Luft heut riecht! — Gebra­te­ne Tau­ben segeln durch die Nacht und die Stra­ßen­bah­nen fah­ren jen­seits der Glei­se, wie sie wol­len. Es schneit, aber es schneit rück­wärts, der Schnee fällt zum Him­mel hin­auf. Eine gute Stun­de ist das, Schritt für Schritt im Kreis her­um­zu­lau­fen und an jene Men­schen zu den­ken, die nicht anwe­send sind, weil sie nicht anwe­send sein kön­nen, weil sie ver­haf­tet oder weil sie in ihren Häu­sern arre­tiert wor­den sind. — stop
lliiuu

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existenz

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oli­mam­bo

~ : louis
to : Mr. jona­than noe kekkola
sub­ject : EXISTENZ

Wie weit Sie wohl gekom­men sind, mein lie­ber Kek­ko­la? Sie soll­ten New Hamp­shire längst erreicht haben. Nach wie vor erseh­ne ich eine Nach­richt, obwohl ich mir unge­zähl­te Male vor­ge­nom­men habe, nie wie­der in einem Zustand von Erwar­tung zu leben. Und doch ist das jetzt so gekom­men, dass ich mich sor­ge, weil Sie kein Zei­chen, nicht das gerings­te Lebens­zei­chen über­mit­teln. Ein Satz, mein Freund, eine lee­re E‑Mail wür­de genü­gen, ich wäre zufrie­den, weil ich doch wüss­te, dass Sie in der Lage sind, zu lesen, was ich für Sie notie­re. Stel­len Sie sich vor, in der ver­gan­ge­nen Nacht habe ich mir über­legt, ob Sie nicht viel­leicht rei­ne Erfin­dung sind und Ihre Brie­fe an mich nur aus­ge­dacht. Mein lie­ber Kek­ko­la, wo auch immer Sie sich auf­hal­ten mögen, neh­men Sie wahr, dass ich an Sie den­ke. Unlängst, das soll­ten Sie wis­sen, stell­te ich noch die Fra­ge, wie Tief­see­ele­fan­ten hören, was sie mit­ein­an­der spre­chen, da doch die Sprech­ge­räu­sche ihrer Rüs­sel sehr weit von ihren Ohren ent­fernt jen­seits der Was­ser­ober­flä­che zur Welt kom­men und rasch in alle Him­mels­rich­tun­gen ver­schwin­den. Ihr Lou­is, hoffend.

gesen­det am
10.10.2009
22.38 MESZ
1138 zeichen

lou­is to jonathan
noe kekkola »

 

ping

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korrespondenz

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echo : 0.02 — Wie­der wirk­li­che Brie­fe schrei­ben, Brie­fe, die man in die Hand neh­men kann, Brie­fe, auf kost­ba­re Papie­re notiert, Bot­schaf­ten, die in eben­so kost­ba­ren Cou­verts durch die Luft flie­gen wer­den. Fol­gen­des habe ich mir aus­ge­dacht. Ich könn­te zunächst einen Blei­stift besor­gen und ein wenig üben, mit der Hand Zei­chen auf unsicht­ba­ren Lini­en zu Wör­tern zu set­zen. Ein oder zwei Wochen der Pro­be soll­ten genü­gen. Dann nach fei­nen Brief­mar­ken suchen, nach Miros und Zep­pe­li­nen und Leucht­tür­men und ande­ren Iko­nen unse­rer Zeit. Ich ste­he in einer Kolo­ni­al­wa­ren­hand­lung und glü­he vor Begeis­te­rung, weil die Segel, die ich in Hän­den hal­te, eigent­lich nicht anwe­send sind, so leicht, so licht. — Exis­tie­ren even­tu­ell Papie­re, die Kor­re­spon­den­zen unter Kie­men­men­schen zuge­eig­net sind? — stop

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schlafen in turku

pic

echo : 8.28 — Ist Ihnen viel­leicht bekannt, dass Wale, Pott­wa­le genau­er, wenn sie schla­fen, Kopf nach oben im Was­ser schwe­ben? Lang­sam sin­ken­de Tür­me, lei­se sin­gend, lei­se knat­ternd, fried­vol­le Ver­samm­lun­gen, die mit dem Golf­strom trei­ben. Wenn Sie ein­mal wach lie­gen soll­ten, wenn Sie nicht schla­fen kön­nen, weil Sor­gen Sie bedrän­gen oder ande­re schmerz­vol­le Gedan­ken, wird es hilf­reich sein, eine Tauch­fahrt zu unter­neh­men im Kopf durchs Bild der träu­men­den Wale. Oder Sie rei­sen an die Ost­see, neh­men die nächs­te Fäh­re nach Tur­ku. Sie wer­den dann schon sehen. Bal­lo­ne, zum Bei­spiel, Bal­lo­ne wer­den Sie sehen am Hori­zont, Bal­lo­ne am dämm­ri­gen Him­mel, dort müs­sen Sie hin. Alles ist gut zu Fuß zu errei­chen, eine Stun­de oder zwei, nicht län­ger, je nach Gepäck. Man wird Sie schon erwar­ten, man wird Sie freund­lich begrü­ßen, man wird Sie fra­gen, wie lan­ge Zeit Sie zu schla­fen wün­schen, wel­cher Art die Din­ge sind, die Sie zu ver­ges­sen haben, die Sie beschwe­ren. Man wird Ihren Blick zum Him­mel len­ken und Sie wer­den erken­nen, dass unter den Bal­lo­nen Men­schen schwe­ben, auf­recht und reg­los, in Dau­nen­män­tel gehüllt, von einem leich­ten Wind hin und her geschau­kelt, hun­der­te, ja tau­sen­de Men­schen. — - Stil­le herrscht. — - Nur das Fau­chen der Feu­er­ma­schi­nen von Zeit zu Zeit. – Guten Mor­gen! Heu­te ist Diens­tag oder Mitt­woch oder Sams­tag. Auf nach Turku!

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