Aus der Wörtersammlung: stirn

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auftauchen

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alpha : 0.28 — Immer wie­der ein Bild vor Augen, ein Bild lang­sam vor­rü­cken­der Zeit. stop. Die Ober­flä­che des Atlan­ti­schen Oze­ans vor Neu­fund­land. stop. Kei­ne Bewe­gung, nicht die kleins­te Wel­le. stop. Auch am Him­mel, kei­ne Wel­len, kein Flug­zeug, kein Vogel. stop. Abso­lu­te Stil­le. stop. Minu­ten­lan­ge Stil­le. stop. Tage der Stil­le, Mona­te, Jah­re. stop. Jetzt ein Schat­ten. stop. Der Schirm der Was­ser­ober­flä­che öff­net sich. stop. Der Helm eines Tief­see­tau­chers erscheint. stop. Schwe­res Gehäu­se. stop. Trie­fen­de Muscheln. stop. Eine Hand. stop. Die Gestalt einer eiser­nen Hand, wie sie nach ros­ti­gen Schrau­ben tas­tet. stop. Wie der Helm des Tau­chers, durch die Luft fliegt. stop. Das Gesicht eines Man­nes, des­sen Haut schnee­weiß ist. stop. Eine Schne­cke ohne Gehäu­se, die auf sei­ner Stirn sitzt. stop. Sie scheint zu gra­sen. stop. Der Mann, wie er sich umsieht. stop. Wie er blin­zelt, wie er lächelt. stop. Flüs­tert. stop. stop. Obwohl ich ver­su­che, so nahe wie mög­lich her­an­zu­kom­men, ist doch kein Wort zu ver­ste­hen. stop. Jetzt winkt er. stop. stop. Ein hei­te­res Bild. stop. Ein Bild, in dem Zeit ent­hal­ten ist. stop. stop. Wer end­lich ver­haf­tet Robert Muga­be? stop. stop. 0.52 in Musi­na, süd­li­ches Afri­ka. — stop

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eisblumen

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nord­pol : 8.05 — Ich muss eine bemer­kens­wer­te Erschei­nung gewe­sen sein. Stand vor dem Schreib­tisch, hat­te mei­nen rech­ten Arm senk­recht in die Luft gestreckt, übte mit dem Zei­ge­fin­ger die krei­sen­de Bewe­gung eines Pro­pel­lers. Beob­ach­te­te das sub­ku­ta­ne Spiel der Mus­keln, bemerk­te wei­te­re Bewe­gung unter dem Hemd, krem­pel­te das Hemd bis zum Ellen­bo­gen hoch. stop. Die klei­ne uralte Nar­be am Dau­men. stop. Spur einer gro­ßen Geschich­te. stop. Der Geschmack von Honig im Mund. Das Sum­men der Bie­nen. Die nack­ten Bei­ne eines Mäd­chens. Ihre hei­ße Hand, die mei­nen schwel­len­den Dau­men unter­sucht. Atem, der kühl ist. Eine hel­le Stim­me, so vie­le Jah­re alt. Som­mer­blu­men. Wol­ken. Schlaf. Das schmel­zen­de Eis auf mei­ner Stirn. — stop

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revolver

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india : 3.26 — Das Selt­sa­me an den Nacht­bü­chern ist, dass man sie nur nachts und nur unter frei­em Him­mel lesen kann. Ich war des­halb bis kurz nach Zwei im Pal­men­gar­ten am See und hör­te den Spin­nen zu beim Sei­len, und lausch­te Pan­thern bei lei­ser Fres­se­rei und ande­ren ange­neh­men Din­gen, die man so macht, wenn man bemerkt, dass man ein Pan­ther gewor­den ist in einer Vor­som­mer­nacht. Dann ging ich nach Hau­se und leg­te das Nacht­buch, das von einer Chi­ne­sin erzählt, die sich wun­dert, dass sie eine Chi­ne­sin ist, ins Regal zu ande­ren Nacht­bü­chern zurück. Sit­ze jetzt auf dem Sofa und die Fens­ter sind geöff­net und ein Fal­ter flat­tert in einem Lam­pion­ her­um und notie­re eine klei­ne wil­de Geschich­te. Die­se Geschich­te geht so: Irgend­wann, sagen wir im Som­mer, sagen wir mor­gens. Ein Spie­ler steht am Fens­ter. Er schaut in Rich­tung des gegen­über­lie­gen­den Hau­ses. Die Sicht ist gut. Kein Nebel. Kein Dunst. Ein oder zwei Vögel, Later­nen­hö­he, auf und ab. Jetzt rich­tet der Spie­ler den Revol­ver gegen die Schlä­fe. Alle Kam­mern der Waf­fe sind muni­tio­niert. Der Spie­ler war­tet ab. Glü­hen­der Kopf. Film zurück, mal bunt, mal nicht. Bril­lan­ter Strei­fen. Ver­lässt ein Mann das Haus, schießt sich der Spie­ler eine Kugel in den Kopf. Game over. Ende. Fin. Ver­lässt eine Frau das Haus, hat der Spie­ler einen Tag gewon­nen. Es ist dann ein Tag leich­ten Genie­ßens, ein Tag aber auch von Unru­he, sobald Abend gewor­den ist. Jetzt schläft der Spie­ler. Dann wacht der Spie­ler auf. Wie­der steht er am Fens­ter, wie­der ist frü­her Mor­gen und wie­der ist Som­mer. Die Maschi­ne lässt sich nicht anhal­ten, auch die Zeit nicht, — Revol­ver gegen Stirn. Ent­weicht dem Haus eine Kat­ze, wird eine Kugel ent­nom­men. Jede wei­te­re Kat­ze ent­nimmt der Revol­ver­trom­mel eine wei­te­re Kugel. Sechs Kat­zen bedeu­ten eine Frau. Frau­en und Kat­zen brin­gen Glück. Natür­lich lässt sich das unend­lich ver­fei­nern. Eine rote Kat­ze erzwingt eine zwei­te Auf­füh­rung noch an dem­sel­ben Mor­gen. Kommt ein Nas­horn aus dem Haus, hört der Spie­ler für immer auf zu spie­len. Ein Nas­horn mit drei Hör­nern und der Spie­ler wird Pries­ter. Wir sehen, die Bedin­gun­gen des Spie­lers ein Pries­ter zu wer­den, sind ein­deu­tig defi­niert. Kein Ent­kom­men. Kein Aus­weg. Ein Lieb­ha­ber kon­zen­trier­ten Lichts. Cine­ma Paradiso. 

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take five

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10.16 — Eigen­ar­tig, wie sie vor mir sitzt, die fla­chen Schu­he gegen die Bei­ne des Stuh­les gestemmt, bei­de Hän­de auf dem Tisch, Innen­sei­ten nach oben, der­art ver­renkt, als gehör­ten die­se Hän­de nicht zu ihr, als sei­en sie vor­sätz­lich ange­brach­te Instru­men­te, Werk­zeu­ge des Fan­gens, Blü­ten. Jetzt schlie­ßen sie sich, Fin­ger für Fin­ger, Nacht wird. — ::: — Eine Foto­gra­fie kommt über den Tisch, Take Five, läs­si­ge Ges­te, als wür­de eine Kar­te aus­ge­spielt. „Was siehst Du?“, fragt sie. – ::: — „Land­schaft!“, — ant­wor­te ich, „Afri­ka. Süd­li­ches Afri­ka. Einen Affen­brot­baum und zwei Män­ner. Einen jun­gen Mann schwar­zer Haut­far­be, der einen hel­len Anzug trägt, und einen älte­ren, einen wei­ßen Mann, der einen dun­kel­grau­en Anzug trägt, einen Stroh­hut und eine Bril­le. Eine stau­bi­ge Stra­ße. Men­schen, die schwarz sind und bewaff­net. Geweh­re. Mache­ten. Har­te Schat­ten. Spu­ren von Hit­ze, infer­na­li­scher Hit­ze. Sie sehen alle so aus, als schwitz­ten sie. Jawohl, alle, die dort auf der Stra­ße ste­hen, schwit­zen.“ — ::: — „Was noch?“ -, fragt sie, — „was siehst Du noch?“ – ::: — Sie fährt sich mit ihrer rech­ten Hand über die Stirn. – ::: — „Ich sehe ein Auto. Das Auto steht rechts hin­ter dem wei­ßen Mann, eine dunk­le Limou­si­ne, ein schwe­rer Wagen. Ich sehe einen Chauf­feur, einen Chauf­feur von schwar­zer Haut, Schirm­müt­ze auf dem Kopf. Der Chauf­feur lächelt. Er schaut zu den bei­den Män­nern hin­über, die unter dem Baum im Schat­ten ste­hen. Der wei­ße Mann reicht dem schwar­zen Mann die Hand oder umge­kehrt. Sieht ganz so aus, als sei der wei­ße Mann mit dem Auto ange­kom­men und der schwar­ze Mann habe auf ihn gewar­tet. His­to­ri­scher Augen­blick, so könn­te das gewe­sen sein, ein bedeu­ten­der Moment, eine ers­te Begeg­nung oder eine letz­te. Bei­de Män­ner haben erns­te Gesich­ter auf­ge­setzt, sie ste­hen in einer Wei­se auf­recht, als woll­te der eine vor dem ande­ren noch etwas grö­ßer erschei­nen. Da ist ein merk­wür­di­ger Aus­druck in dem Gesicht des jun­gen, schwar­zen Man­nes, ein Aus­druck von Über­ra­schung, von Ver­wun­de­rung, von Erstau­nen.“ – ::: — „Das ist es!“, sie flüs­tert. „Tref­fer!“- ::: — Jetzt lacht sie, öff­net ihre Fäus­te und das Licht kehrt zurück, der gan­ze Film. “Die Kli­ma­an­la­ge. Der ver­damm­te Wagen dort unterm Baum. Der Wei­ße hat dem Schwar­zen eine küh­le Hand gereicht, Du ver­stehst, eine küh­le Hand. Der Kerl hat­te eis­kal­te Hän­de.” — stop

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holzmund

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20.05 — In einem Tram­bahn­wa­gon saßen Men­schen im Glüh­bir­nen­licht, Per­so­nen, die ihre Gesich­ter abneh­men und aus­tau­schen konn­ten, so wie es ihnen gera­de Freu­de mach­te. Eine jun­ge Per­son über­reich­te mir ein Stück war­mer Haut, mit dem sie mich kurz zuvor noch ange­lä­chelt hat­te. Da waren jetzt Wan­gen von leicht rosa­far­be­nem und eine Stirn von dunk­lem Holz, und da waren Augen, die wei­ter­hin lach­ten, und ein sehr schö­ner Mund, und auch die­ser Mund war ein höl­zer­ner Mund. — stop

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