olimambo : 18.08 UTC — Nicht einen Teelöffel voll Reis zählen, sondern eine Tasse voll Körner, die ich mir einschenkte vor zwei Wochen noch. Einmal also an einem Abend still sitzen und zählen, solange zählen, bis ich die Tasse geleert haben werde, nicht stundenweise zählen, sondern mit einem Anfang und einem vollständig ausgezähltem Ende im Morgengrauen. — stop
Aus der Wörtersammlung: teelöffel
chronik der gefühle
echo : 4.55 UTC — Spinnen hier oben in meiner Wohnung unter dem Dach sind scheu geworden. Fast möchte ich manchmal meinen, dass sie gar nicht länger existieren in meinen Zimmern, wenn ich nicht da und dort Spuren beobachten könnte, die auf ihre Existenz verweisen, Netzwerke oder ein Häufchen sehr kleiner Fliegen, welches noch vor wenigen Tagen auf dem Fensterbrett ganz sicher nicht gewesen ist. An einem Abend, ich hatte die Fenster geöffnet, spazierte plötzlich ein recht umfangreiches Spinnenexemplar über die Wand meines Arbeitszimmers, groß wie die Schale eines Teelöffels. Die Spinne bewegte sich lautlos über mehrere Wände hin, bis sie, ohne eine längere Pause eingelegt zu haben, in der Küche durch ein geöffnetes Fenster meine Wohnung wieder verließ. Kaum eine halbe Stunde war die Spinne in meiner Wohnung gewesen. Und ich dachte, vielleicht hat sie eine Spur Duftspur oder Faden verlegt, es werden weitere Spinnen kommen, hoffentlich eher kleinere Spinnen, die ich gern zu Gast haben würde, während ich die großen Spinnen doch sehr gründlich fürchte. Ich warte nun seit einigen Tagen bereits. In dieser Zeit des Wartens habe ich unheimliche und präzise erzählte Geschichten Alexander Kluges gelesen und auch gehört, sie sind wundervoll anzuhören. — stop
monroe
alpha : 6.26 — Ich wünsch mir zum Geburtstag ein kleines Tier, eine Libelle nämlich von der Größe einer Hand, sie wird mich fortan im Leben begleiten. Wenn ich morgens die Augen öffne, soll sie bereits vor mir auf einem Kissen ruhen, das ihr eigenes, ihr Nachtkissen ist. Das Summen übender Flügel, ein Blick von tausend Augen, und schon sind wir hellwach, schon auf dem Weg in die Küche. Zum Frühstück zwei frische Zwergfrösche, sie leben noch für Sekunden. Und etwas Kaffee für mich und einen Teelöffel feinsten Sumpfwassers für Monroe, das sollte jeden Morgen möglich sein im Winter wie im Sommer. Was für ein selten prächtiger Vogel, marineblau, zitronengelb, schwarz schillernde Augen, feuerrote Beine. — Guten Morgen! — stop
fingersträußchen
delta : 6.22 — Über Nacht war alles wieder nachgewachsen. Meine Hände blühten. Ich machte mich auf den Weg südwärts durch Manhattan zu den Fähren hin. Am Tresen einer Schiffskantine wartete bereits Mr. Melrose, überreichte mir einen Becher Kakao. Als er meine blühenden Hände entdeckte, fütterte er mich höchstpersönlich mittels eines Teelöffels. Schenkte ihm zum Dank einen meiner Finger, machte mich dann auf meinen täglichen Weg über das Hurrikanedeck, sprach all die wartenden Pendlermenschen freundlich an, zeigte ihnen meine Hände, die als solche nicht zu erkennen waren, weil sie Fingersträußen ähnelten. Man muss sich das vorstellen, an jeder Hand trug ich 20 bis 30 Fingerexemplare, die meisten waren Mittelfinger, Daumen waren keine darunter. Sobald ich an einem der Finger zog, löste er sich, so dass ich ihn weiterreichen konnte. Für jeden Finger bekam ich 5 Dollar. Ich erinnere mich nicht, je Schmerz empfunden oder geblutet zu haben. Vielmehr empfand ich Vergnügen, Freude, Lust. – Dieser Traum wurde so oder ähnlich geträumt kurz vor vier Uhr in der vergangenen Nacht. — stop
gebäck
ginkgo : 6.05 — War bei Harrods gewesen, ein hell ausgeleuchteter Saal. Verkäuferinnen in grünen Overalls stapelten kunstvoll menschliche Arme und Beine und Köpfe auf Tische. Klare, in den Augen schmerzende Substanz fiel von der Decke. Bald darauf Kurzstreckenfahrt im U‑Bahnwaggon. Ein feuchter menschlicher Arm ruhte auf meinen Oberschenkeln. Dieser Arm nun war in Zeitungspapier gewickelt, seidenweiße Substanz tropfte auf den Boden. Gleich gegenüber ein Mann und eine Frau. Das Gesicht des Mannes dampfte. Die Frau, die eine Melodie vor sich hinsummte, schälte mit einem Teelöffelchen grammschwere Fleischproben aus den Wangen des Mannes, um sie entweder sofort zu verzehren oder weiteren Fahrgästen darzubieten. — stop. — Montag. stop. Duke Ellington : Take the “A” Train. stop. Es ist denkbar, dass ich über das Gedächtnis eines Elefanten verfüge. — stop
salznamen
2.01 — Dass die Fische eines Schwarms keine Namen tragen. Auch die Sommerfäden eines Augusthimmels oder die Moleküle eines Wassertropfens sind kaum je beschriftet, wie der Sand einer Wüste ohne jede Bezeichnung ist, so dass man eine handvoll Sand nicht auf einen Tisch werfen könnte und sagen, dieser kleine Stein hier, das ist S‑sahara-No 537675258386. Ich sehe dich, aber ich gebe Dir keinen Namen. Stattdessen versuchen wir den Himmel. Wir sagen: Das ist Galaxie M‑23. Und dieser blaue Nebel hier verdunkelt Galaxie M‑C58. Unsere elektronischen Augen sind empfindlich. Wir könnten mit diesen Augen vielleicht einen Golfball auf dem Mond erkennen, oder eine Telefonzelle auf dem Mars, nicht aber einen Stern hinter einem Stern in einer 7 Millionen Lichtjahre entfernten Spiralgalaxie. Vielleicht sollte ich, wenn ich wieder einmal aufgeregt sein werde, weil mir der Himmel auf den Kopf zu fallen droht, einen Teelöffel Salz auf meinen Schreibtisch schütten und eine Zählung und Bezeichnung der Kristalle vornehmen. Wie lange Zeit würde ich zählen? Könnte ich je wieder aufhören? — stop