Aus der Wörtersammlung: geräusche

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taucher

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hima­la­ya : 0.12 — Men­schen, die tele­fo­nie­rend in U‑Bahnen sit­zen, machen Geräu­sche, als funk­ten sie aus einer ande­ren Zeit her­über, als wären sie Kon­ser­ve, als wür­de eine uralte Schall­plat­te abge­spielt, als wür­den sie in einem U‑Boot lang­sam sin­ken, krei­schen­de, knis­tern­de, kra­chen­de Töne aus ton­nen­schwe­rer Tie­fe, aus dem Infer­no spie­len­der Kra­ken Stim­men, die Frag­men­te flüs­tern, sodass man nur noch ver­damm­te letz­te Din­ge ant­wor­ten kann. Dann aber Stil­le. Ein wei­te­res Ende. Man steht her­um, man weiß nichts zu tun, man öff­net die Tür, Salz stürzt die Trep­pe her­auf, und Luft, eine Wel­le feuch­ter Luft, vom Was­ser gehetzt, das bereits um die Ecke don­nert. Kaum hat man einen Gedan­ken gefasst, ist alles geflu­tet, der Flur, das Bad, die Lun­ge. Jetzt trei­ben sie her­ein, schwe­ben in der Küche her­um, machen Zei­chen und Sät­ze, berich­ten von klei­nen Schreib­tisch­krie­gen, Kom­man­dan­ten der Tage. — stop

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sonarhupen

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tan­go : 0.52 — Abends see­wärts im Pal­men­gar­ten. Notier­te das Wort Venen­stern in die Maschi­ne. Ein Fal­ter setz­te sich auf den beleuch­te­ten Bild­schirm und tas­te­te mit sei­nen Füh­lern nach den Zei­chen des Wor­tes, viel­leicht des­halb, weil das leuch­ten­de Weiß des Bild­schirm­hin­ter­grun­des Luft, die Zei­chen dage­gen ein Etwas bedeu­te­ten, einen Schat­ten, mit dem kom­mu­ni­ziert wer­den konn­te. — Habe beob­ach­tet, dass ich, wenn ich mit mei­nen Ohren nach Geräu­schen suche, die nicht hör­bar sind, mei­ne Augen öff­ne so weit ich kann. — Ein­mal, für eine Stun­de nur, über das Ver­mö­gen ver­fü­gen, den Sonar­hu­pen der Abend­seg­ler lau­schen zu können. 

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pullmann

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echo : 0.02 – Im Traum im Pull­man­wa­gen durch eine selt­sa­me Land­schaft gereist. Ich stand an einem Fens­ter. War­mer Wind fuhr mir übers Gesicht, und die Luft duf­te­te nach Zimt und blaue Frö­sche schwirr­ten wie Vögel her­um. Sie waren blind, wes­halb ich hören konn­te, wenn sie in den Erd­bo­den ras­ten oder gegen den Zug, Geräu­sche, für die auch in die­ser frü­hen Mai­nacht noch kein ange­mes­se­nes Wort in mei­nem Kopf exis­tiert. Ein­mal fuhr der Zug an einem Fluss ent­lang. An den Ufern die­ses Flus­ses stan­den tau­sen­de Angel­ru­ten in den Boden ver­senkt. Maschi­nen zupf­ten die Sei­le der Ruten, pling : pling : pling. Sie schleu­der­ten Fisch um Fisch an Land, auch Men­schen, gan­ze Men­schen oder Arme oder Bei­ne von Men­schen. Die­se Men­schen zap­pel­ten, wie die Fische zap­pel­ten, und auch die Arme und Bei­ne zap­pel­ten im Sand und schnapp­ten ver­geb­lich nach Luft. — stop

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oe

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marim­ba : 1.15 — Saß früh­abends am See unter blü­hen­den Aka­zi­en­bäu­men. Viel­leicht des­halb, weil die Aka­zi­en blühn, nie­sen in die­sen Tagen und Näch­ten die Schwä­ne und auch die Rot­wan­gen­schild­krö­ten nie­sen und alle Enten. Hör sie noch aus gro­ßer Ent­fer­nung, fei­ne, hel­le Luft­ge­räu­sche, wäh­rend ich am Schreib­tisch sit­ze und Kenzabu­ro Oe’s Roman Der Stolz der Toten beob­ach­te, das geschlos­sen vor mir liegt. Gleich wer­de ich das Buch öff­nen und sei­ne Zei­chen zählen.
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marlene

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echo : 8.15 — Drei Wochen zurück notier­te ich einen Brief an Y. Ich schrieb fol­gen­den Satz : Hast Du schon ein­mal Dei­ne Hän­de aus der Luft betrach­tet? Heu­te erreicht mich sei­ne Ant­wort : Apol­lo. Apol­lo. stop. Begeis­tert etwas Zeit in Sid­ney Lumets Ver­dict ver­bracht. Ein herr­lich spie­len­der New­man. Fei­ne, knis­tern­de Glas­ge­räu­sche, als wür­de der Film in jedem nächs­ten Moment in tau­send Stü­cke zer­sprin­gen. Kurz dar­auf nähert sich Maxi­mi­li­an Schell in Paris Mar­le­ne Diet­rich. Ihre Stim­me aus dem Off, die von dort ein wenig so klingt, als wür­de sie ein Glas Cognac getrun­ken haben oder zwei. Eine sin­gen­de Stim­me. Eine Stim­me, die singt und spricht zur glei­chen Zeit. Ein­mal will Maxi­mi­li­an Schell ihr eine männ­li­che Fra­ge stel­len. Mar­le­ne Diet­rich : Was isn das? — stop

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nasa

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echo : 0.15 — Im bota­ni­schen Gar­ten spa­ziert. Das ange­nehm ras­seln­de Geräusch des Regens, die Luft hell vom Was­ser, das noch kalt und geruch­los ist. Stö­ber­te in Notiz­bü­chern. Ent­deck­te fol­gen­de Sequenz: Sonn­tag. Heu­te ist Schwes­ter Julia wie­der im Dienst. Sehe zu, wie sie Marik­ki vor­sich­tig wäscht. Behut­sa­me Bewe­gun­gen, ja, sehr fei­ne Berüh­run­gen, bei­na­he zärt­lich. Sie trägt einen Mund­schutz, der sich, wenn sie lacht, wie ein Segel bläht. Sie sagt, dass Marik­ki uns hören kön­ne, des­halb sum­me sie und des­halb hört Marik­ki gera­de etwas NASA, wäh­rend ich in ihrer Nähe sit­ze und notie­re und im Chee­ver lese, hei­te­re Gesprä­che der Apol­lo 14 Besat­zung auf dem Flug vom Mond zurück. Habe bemerkt, dass ich die Luft anhal­te, wenn ich sie betrach­te, dass ich jen­seits der ame­ri­ka­ni­schen Stim­men, die links und rechts ihres zier­li­chen Kop­fes wis­pernd durch die Häu­te der gepols­ter­ten Ohr­hö­rer drin­gen, nach wei­te­ren, beru­hi­gen­den Geräu­schen suche. 18. Juni 2006
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ludwig wittgenstein

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5.27 — Bemer­ke immer wie­der, dass ich nicht spü­ren kann, wo genau im Kopf ich den­ke. Da sind durch Wor­te gehemm­te [ Lud­wig Witt­gen­stein ] Gedan­ken, prä­zi­se ver­nehm­ba­re Geräu­sche, die in blau­en, in roten, in gel­ben Farb­tö­nen erschei­nen. – Ein­mal CNN. | stop | Nacht­fern­se­hen. | stop | New Orleans. | stop | Alte Men­schen, die aus Fens­tern, von Bal­ko­nen ihrer Woh­nun­gen her in Boo­te stei­gen. | stop | Jun­ge Män­ner in Uni­for­men der Natio­nal­gar­de, die ihnen die Hän­de rei­chen. | stop | Ges­ten, als wären sie Gon­do­lie­re. | stop | Das Gesicht eines Man­nes, — erschöpft, leer, aus­ge­zehrt, geschlos­sen. | stop | Ja, ein geschlos­se­nes, licht­lo­ses Gesicht. | stop | Nichts mehr darf hin­ein. | stop | Nichts kann her­aus. | stop | Viel­leicht die Ahnung, dass er nicht wie­der zurück­keh­ren wird? | stop | Viel­leicht reicht mein Blick, mein Kame­ra­blick, nicht aus­rei­chend tief in die Woh­nung? | stop | Ich könn­te ein Ohr fest auf den Boden legen und dem Meer lau­schen, wie es in der Woh­nung unter mei­ner Woh­nung mit den Möbeln spielt. | stop | In Schif­fen, in Städ­ten, auf Bäu­men woh­nen arme Men­schen tief oder an stei­len Erd­se­gel­hän­gen. | stop |

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