Aus der Wörtersammlung: is

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stille

Waldspaziergang

echo : 15.02 UTC — Still im Wald an einem war­men Som­mer­tag. Das Licht der Son­ne streif­te durch Blatt­dä­cher der Bäu­me, die sich kaum noch beweg­ten, viel­leicht weil die Bäu­me durs­tig waren. Da und dort ein Fal­ter weiß oder oran­ge oder gelb, die waren schon immer zu lei­se gewe­sen im Flug für mei­ne Men­schen­oh­ren. Zwei Käfer, schwarz und rund, knis­ter­ten über den Weg, Blät­ter­ra­scheln, nur eine Vor­stel­lung, unter ihren Kral­len­fü­ßen. Kei­ne Flie­gen in der Luft, nicht eine ein­zi­ge Flie­ge, aber zwei Vögel, in der ers­ten Stun­de mei­nes Spa­zier­gan­ges im stil­len Wald der eine Vogel, und in der zwei­ten Stun­de mei­nes Spa­zier­gan­ges im stil­len Wald, ein zwei­ter Vogel. Auch kei­ne Amei­sen weit und breit, kei­ne Lauf­kä­fer, kei­ne Gril­len, kei­ne Zika­den. Und die Vögel, die ich beob­ach­te­te, waren stumm, viel­leicht weil sie durs­tig oder hung­rig waren. Ich setz­te mich auf eine Bank und beob­ach­te­te das Licht der Son­ne, das nach mir such­te. Ich hol­te mei­ne fla­che Radio­schreib­ma­schi­ne aus der Tasche, such­te in der digi­ta­len Sphä­re nach Geräu­schen des Wal­des, die kürz­lich noch zu hören gewe­sen waren. Das Radio und der Wald. Eine Stil­le wie Wüs­te. — stop

Waldspaziergang

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hongkong : nacht

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Indi­en : 22.16 UTC — Wie vor Jah­ren über den Dächern von Tehe­ran sin­gen in Hong­kong Men­schen, rufen „Hong­kon­gers add oil!“. / Bild­schirm­auf­nah­me zur Siche­rung: Twit­ter – stop

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16 uhr 18

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lima : 16.18 UTC — Hör­te Fried­ri­ke May­rö­cker von Stei­nen spre­chen: Ist das Schrei­ben etwa wie das Anset­zen von Domi­no­stei­nen? — stop

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am telefon

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echo : 16.12 UTC — In Traum erzähl­te mir eine sehr alte Frau am Tele­fon, ich dür­fe, soll­te ich ein­mal zu Besuch kom­men, ihr weder Foto­gra­fien noch Film­auf­nah­men zei­gen, die ich viel­leicht ent­deckt und auf­be­wahrt haben könn­te. Sie sag­te, dass sie sich vor Foto­gra­fien fürch­te, sie habe immer sofort alles im Blick, sie kön­ne nicht ein­fach nur eine klei­ne Por­ti­on betrach­ten, einen Aus­schnitt eines Ortes, vor dem sie sich fürch­te, es wäre immer alles sofort gegen­wär­tig, die Absicht des Bil­des oder ein Zufall. Ich erin­ne­re mich in die­sem nächt­li­chen Gespräch ver­si­chert zu haben, ihr nie­mals eine Foto­gra­fie von dort zu zei­gen. Aber ich gab nicht sofort auf. Ich bemerk­te, dass es immer­hin mög­lich wäre, Foto­gra­fien in klei­ne­re Tei­le zu zer­le­gen, ich könn­te die­se Tei­le num­me­rie­ren und mit ihr gemein­sam auf einem Tisch Teil­bild für Teil­bild sehr lang­sam ergän­zen, sie könn­te sich in die­sem Fal­le also an ein lang­sam ent­ste­hen­des Bild zunächst gewöh­nen, indes­sen ich ihr erzäh­len wür­de, was auf den Teil­bil­dern bereits von der Absicht oder einem Zufall zu sehen ist. Als ich mei­ne Rede unter­brach, blieb es still da drü­ben jen­seits mei­nes Tele­fon­hö­rers, der selbst als ein voll­stän­di­ges Tele­fon bezeich­net wer­den könn­te. Dann wach­te ich auf, es war Sonn­tag. — stop

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nachts

 

sier­ra : 3.02 — Lou­is bat mich, eine Geschich­te zu erzäh­len vom Glück, als ich noch ein Kind gewe­sen war. Ich muss­te nicht lan­ge über­le­gen. Ich sag­te, dass ich abends, sobald das Licht in mei­nem Zim­mer aus­ge­schal­tet wur­de, heim­lich in mei­nen Büchern gele­sen habe. Zu die­sem Zweck hat­te ich eine Taschen­lam­pe unter mei­nem Kopf­kis­sen ver­steckt. Ich las immer im Sit­zen, die Bei­ne ver­schränkt, Jules Ver­ne zum Bei­spiel. Auf­re­gend, nicht nur die Bücher, son­dern das ver­bo­te­ne Lesen zur Nacht­zeit selbst. Wäh­rend ich Lou­is von mei­nem Glück berich­te­te, erin­ner­te ich mich, wie mein Bru­der, der in dem­sel­ben Zim­mer geschla­fen hat­te, ein­mal erzähl­te, ich, der Älte­re, habe zur Som­mer­zeit wie ein leuch­ten­der Berg aus­ge­se­hen, der sich manch­mal beweg­te. Hin und wie­der, ich erin­ne­re mich, fla­cker­te das Licht, weil die Kraft der Bat­te­rien in der klei­nen Lam­pe zur Nei­ge ging. Ich muss­te dann immer ein wenig war­ten, bis sich die Bat­te­rien wie­der erhol­ten. Oft war ich in die­ser Zeit des War­tens noch im Sit­zen ein­ge­schla­fen. Da lach­te Lou­is, ver­mut­lich, weil er sich erin­ner­te.- stop

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wildnis

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india : 8.15 UTC — Ein­mal, und in der ver­gan­ge­nen Nacht wie­der, im Traum eine Not­la­dung nach einem Flug dicht über das Was­ser hin über den Atlan­tik in einer Wild­nis vor New York. Wir wer­den eva­ku­iert, ich ver­ges­se im bren­nen­den Flug­zeug Kof­fer und Papie­re. Bin plötz­lich ein Nie­mand, einer, der in einem Bett liegt, in einem Zim­mer, in wel­chem sich Men­schen vor Bil­dern bewe­gen, die sie betrach­ten und bespre­chen. Auch ich bin ein Bild, wer­de dis­ku­tiert, darf mich nicht bewe­gen, kann Sprech­spra­chen nicht ver­ste­hen. — stop

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louise

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MELDUNG. Erfolg­reich aus 36000 Fuß Höhe über dem Pazi­fi­schen Oze­an kurz vor Mon­terey abge­wor­fen: Bono­bo­da­me Loui­se, 8 Jah­re, zwei­te Über­le­ben­de der Test­se­rie Tef­lon-G6 {Haut­we­sen}. Man ist, der Schre­cken, noch voll­stän­dig ohne Bewusst­sein. — stop

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von blüten

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lima : 15.01 UTC — Vor der Ver­kün­dung des Urteils hat sich das Gericht vor­nehm zurück­ge­zo­gen. Der Ange­klag­te sitzt auf sei­nem Platz und war­tet. Links und rechts etwas erhöht haben sich auch sei­ne Ver­tei­di­ger, zwei ange­se­he­ne Anwäl­te der Stadt, von ihren Plät­zen nicht erho­ben, man rech­net mit einer raschen Ent­schei­dung. So auch der Staats­an­walt, ein jün­ge­rer Herr, nicht ein­mal sei­ne Robe hat er abge­legt, wäh­rend­des­sen er den Ange­klag­ten glei­chen Alters in einer vor­sich­ti­gen Art und Wei­se betrach­tet, als sei er sich nicht sicher, mit sei­nem Plä­doy­er eine aus­rei­chen­de Begrün­dung für die hohe Stra­fe dar­ge­legt zu haben, die er zuletzt über den Ange­stell­ten der städ­ti­schen Biblio­the­ken zu wer­fen for­der­te. Genau so hat­te er noch gespro­chen, wer­fen, nicht ver­hän­gen sol­le man eine Stra­fe über die­sen Mann, der sich hier im Saa­le höchst unauf­fäl­lig benom­men hat­te. Wann hat­te er die ers­te Blu­me frei­ge­las­sen, wann den ers­ten Samen aus­ge­streut? War es ihm denn nicht in den Sinn gekom­men, dass er unrecht han­del­te, als er mit Vor­satz ver­such­te Urwald in der Stadt aus­zu­set­zen? Ja, wie konn­te er denn glau­ben, dass man ihn ohne Stra­fe davon kom­men las­sen wür­de, nach­dem sei­ne Laren­tiae Sinen­si­os vor dem Opern­haus das Pflas­ter spreng­ten, nach­dem man im schöns­ten der zen­tra­len Parks gera­de noch ver­hin­dern konn­te, dass der gold­ro­te Samen­staub der Lobe­lia Frasen­sis sich des Pal­men­hau­ses bemäch­tig­te? Ja wie konn­te er gestat­ten, dass man ihn rühm­te als einen guten Men­schen, da doch die von ihm vor­nehm­lich unter der Stra­ßen­bahn­fahrt in die Luft gepu­der­ten Kost­bar­kei­ten der Nemuso Lasas­tro in den Lun­gen der städ­ti­schen Bür­ger wun­der­sa­me Blü­ten zu trei­ben began­nen? Man hat­te lan­ge Zeit Mühe, sie in ihrem Wachs­tum zu begren­zen. Das Wun­der ihrer feu­er­ro­ten Kel­che drang aus den Grä­bern derer, die an den Blü­ten erstick­ten. Dort, unter den Ulmen und Kas­ta­ni­en­bäu­men, kämpf­ten die Gärt­ner einen unglei­chen Kampf, wie ihre Brü­der und Schwes­tern in den Hän­gen­den Gär­ten der glä­ser­nen Ban­ken­tür­me, die ver­geb­lich ver­such­ten, die Tar­a­xa­ca des gefrä­ßi­gen Schä­fer­korb­baums aus ihren Häu­sern zu kämp­fen. Mor­gens, wenn die herr­li­che Okto­ber­son­ne von Osten her in die rie­si­gen Atri­ien schien, sah man wohl­ge­form­ten Fall­schir­me die­ser frucht­bars­ten Pflan­zen­ge­schöp­fe in den künst­li­chen Win­den des Gebäu­des auf und nie­der­ge­hen. Es war dies die Stun­de, da man sich geschla­gen gab, um dann doch wie­der aus­zu­schwär­men, um den Not­ru­fen zu fol­gen, die von ver­zwei­fel­te Ange­stell­ten aus ihren Büros abge­setzt wor­den waren. Der jun­ge Staats­an­walt sieht durch das küh­le Licht des Saa­les zu dem Ange­klag­ten hin­über, und ein Schau­er über­läuft ihn bei dem Gedan­ken, dass gera­de jene von der Stadt bezahl­ten Stun­den des Stu­di­ums es den Biblio­the­ka­ren ermög­lich­ten, in den bio­lo­gi­schen Samm­lun­gen und Archi­ven nach den Gie­rigs­ten unter den Blu­men die­ser Welt zu for­schen. Er sieht die­sen beschei­de­nen Herrn an einem behörd­li­chen Schreib­tisch sit­zen, einem höl­zer­nen, wie er die Fächer sei­ner leder­nen Tasche mit Samen muni­tio­niert. Und dann sieht er ihn spa­zie­ren, da dort lächelnd eine Dosis Blü­ten­sa­men auf den Boden wer­fend, sodass schon bald dar­auf im Wech­sel der Duft von Kamil­le, der Duft der blau­en Anden­hya­zin­ten vom Schot­ter der Stra­ßen­bahn­ge­lei­se auf­zu­stei­gen begann. Aus der Regen­rin­ne des Poli­zei­prä­si­di­ums wuchert noch heu­te eine Com­mel­ine Cest­re him­mel­hoch über Radio­an­ten­nen hin­aus, das Bers­ten ihrer Nüs­se im Okto­ber ist noch über hun­der­te Metern hin deut­lich zu hören, es sind Schüs­se, es ist die reins­te Gefahr, die dort über den Dächern der Stadt auf den Win­ter lau­ert. Da sit­zen sie nun, ein jun­ger Herr, ein Samen­wer­fer und ein jun­ger Staats­an­walt, und war­ten auf das Urteil, das eine gerech­te Stra­fe aus­spre­chen möge. — stop



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