Aus der Wörtersammlung: tango

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fernsehmaschine

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tan­go : 22.08 — Bil­der von der Fern­seh­ma­schi­ne, die einem Alb­traum ent­kom­men. Das Meer reißt mensch­li­ches Leben an sich, eine gewal­ti­ge, flüs­si­ge Faust, die auf schwan­ken­des Land nie­der­geht. Ato­ma­re Höl­len­hit­ze in zer­brech­li­chen Gefä­ßen. Ein klei­ner Jun­ge steht unter Nadel­bäu­men, erho­be­ne Hän­de, vor einer erwach­se­nen Per­son, die einen Schutz­an­zug trägt. Der Astro­naut misst, ob das Kind gefähr­lich gewor­den ist. Uralte Men­schen ruhen in der kal­ten Luft auf Bah­ren in Decken gewi­ckelt dicht über dem Boden, Neu­ge­bo­re­ne in ihren letz­ten Lebens­ta­gen, die mit wild gewor­de­nen Augen den Him­mel betas­ten. Von Stun­de zu Stun­de zäh­len Kom­men­ta­to­ren in den Spra­chen die­ser Welt Geis­ter­zah­len, Tote, Ver­miss­te, Ver­letz­te. Da ist ein brau­sen­des Geräusch, schwar­zes Was­ser, das Autos, Schif­fe, Häu­ser durch enge Stra­ßen land­ein­wärts drückt, Hupen, ble­cher­nes Kra­chen, kei­ne mensch­li­chen Stim­men. Am Strand dann aber ein Mann, der zu einer Kame­ra spricht. Er sagt, er glau­be, sich in einem Hor­ror­film zu befin­den, er wis­se nicht, ob er träu­me. Mit einem fes­ten Griff reißt er an der Haut sei­nes Gesich­tes. Das Unsicht­ba­re schon anwe­send. Weit drau­ßen auf dem offe­nen Pazi­fi­schen Oze­an treibt ein wei­te­rer Mann. Er steht auf dem Dach sei­nes eige­nen Hau­ses. — stop

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verschwinden

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tan­go : 18.57 — Was hät­te ich zu unter­neh­men, wenn ich wüss­te, dass ein Mensch oder eine Grup­pe von Men­schen mit dem Gedan­ken spiel­te, mich so rasch wie mög­lich ums Leben zu brin­gen. Wie vie­le Spu­ren mei­nes Auf­ent­halts­or­tes sind in die­ser Text­li­nie zu fin­den, sodass man die Posi­tio­nen, die ich bewoh­ne, iden­ti­fi­zie­ren könn­te. Weiß man von mei­nen Freun­den? Wel­che Ver­zeich­nis­se im Inter­net müss­te ich von Hin­wei­sen befrei­en, wen instän­dig bit­ten, kein Wort über mich zu ver­lie­ren? Wie also unsicht­bar wer­den, nach und nach einer sein, der nie exis­tier­te? Ich könn­te mich bewe­gen, rei­sen, bis ich ein armer Hund gewor­den bin. Könn­te dann inne­hal­ten, könn­te vor­ge­ben, als habe ich geträumt, mei­ne per­fo­rier­te See­le, oder selbst noch zum Jäger wer­den. — stop

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flügel

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tan­go : 6.15 — Im Zug saß ein Mann, der sich mit einer Frau in der Hand­zei­chen­spra­che der gehör­lo­sen Men­schen unter­hielt. Obwohl ich die Hän­de der zwei Spre­chen­den ein­ge­hend betrach­te­te, lie­ßen sie sich nicht stö­ren, ver­mut­lich weil sie ahn­ten oder wuss­ten, dass ich ihre Spra­che nicht ver­ste­hen konn­te. Der Ein­druck, dass die bei­den wei­te­re Kör­per­zei­chen ver­wen­de­ten, um die Spra­che ihrer Hän­de zu ergän­zen. Als wären sie Flü­gel eines Vogels, der sich Was­ser aus dem Gefie­der schüt­telt, flat­ter­ten ihre Augen­li­der. Kaum den Zug ver­las­sen, ver­such­te ich ver­geb­lich die­se erstaun­li­che Bewe­gung ihrer Augen nach­zu­ah­men. Und auch heu­te Mor­gen, nach einer ruhi­gen Nacht, bin ich nicht in der Lage, mei­ne Lider in der beschrie­be­nen Wei­se erzit­tern zu las­sen. So uner­reich­bar sind sie wie mei­ne Ohren, die nie gehor­chen wol­len, wenn ich mir mit ihrer Hil­fe Luft zufä­cheln möch­te. Viel­leicht werd ich’s am Abend noch ein­mal pro­bie­ren. Neh­me an, sie haben Töne erzeugt, sin­gen­de Töne, mit ihren Augen im Zug. — stop

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virtuelle befragung

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tan­go : 6.35 — Vor einem Jahr zuletzt die Fra­ge: Wie mutig wäre ich im Wider­stand gegen den geheim­dienst­li­chen Zugriff einer Dik­ta­tur auf mei­ne Per­son? Wie genau wür­de ich mich ver­hal­ten, wenn man ver­such­te, mich für Spio­na­ge­ar­beit unter Freun­den zu gewin­nen? Bin in der Suche nach einer Ant­wort noch kei­nen Schritt vor­an­ge­kom­men. Statt­des­sen wei­te­re Fra­gen. Wel­cher Art könn­ten die Werk­zeu­ge sein, Druck auf mich aus­zu­üben? Wür­de mir Tor­tur ange­kün­digt oder nahe­ste­hen­de Men­schen mit dem Tod bedroht? Exis­tie­ren Orte mei­ner Per­sön­lich­keit, die sich als so schwach erwei­sen, dass man dort Zugang fin­den könn­te? Habe ich einen gehei­men Preis? Mei­ne Schreib­ma­schi­ne? Mei­nen Rei­se­pass? Ist es sinn­voll, die­se Fra­gen in einem vir­tu­el­len Raum zu stel­len? — stop

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take the “A” train — protokollfaden

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tan­go : 0.18 — Vor weni­gen Minu­ten ist etwas Erstaun­li­ches pas­siert. Ich habe das fei­ne Jazz­stück Take the “A” Train in der Inter­pre­ta­ti­on Dave Bru­becks und sei­nes Orches­ters gehört, und zwar in einem Zim­mer hier in Mit­tel­eu­ro­pa bei bes­ter Ton­qua­li­tät. Das sehr Beson­de­re an die­sem Ereig­nis ist gewe­sen, dass die Musik Dave Bru­becks zunächst in einem Städt­chen nahe der Stadt New York auf­ge­legt wor­den war, näm­lich in den Stu­di­os eines Jazz­sen­ders von mei­ner Zeit nur um Sekun­den­bruch­tei­le ent­fernt, sodass ich gern behaup­ten wür­de, dass zu der­sel­ben Zeit, da ich sie­ben­tau­send Kilo­me­ter weit ent­fernt west­wärts die ers­ten Geräu­sche des Orches­ters ver­neh­men konn­te, Dave Bru­beck im Stu­dio von einer digi­ta­len Ton­kon­ser­ve her zu spie­len begann. Unver­züg­lich saus­te das Stück in klei­ne Pake­te zer­legt und auf einen Pro­to­koll­fa­den gereiht im Daten­tun­nel unter dem Atlan­tik hin­durch zu mir hin, jedes ein­zel­ne Paket nur für mei­ne Com­pu­ter­ma­schi­ne und mich bestimmt, wo es rasend schnell zusam­men­ge­setzt und somit hör­bar wur­de. Das Wun­der der Musik. Das Wun­der ihrer Rei­se. Das Wun­der mei­ner Ohren, dass sie exis­tie­ren. — Kurz nach Mit­ter­nacht. Stür­mi­scher Wind pfeift ums Haus. — stop
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nicolas bouvier

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tan­go : 0.01 — War über einem Buch des Schwei­zer Schrift­stel­lers Nico­las Bou­vier ein­ge­schla­fen, hat­te in letz­ter Sekun­de noch einen Gedan­ken wahr­ge­nom­men. Ich sag­te zu mir mit lei­ser wer­den­der Stim­me im Kopf: Du musst ein­mal über­le­gen, ob es sinn­voll ist, nach einer Metho­de zu suchen, im Schlaf ein Buch lesen zu kön­nen. Ja, das wär eine inter­es­san­te Geschich­te. Man wür­de sich natür­lich an die erzäh­len­de Wirk­lich­keit des Buches selbst nicht erin­nern, das man gera­de noch las oder hör­te wäh­rend man schlief, weil man das Buch nicht bewusst wahr­neh­men konn­te, und doch wäre man mit Herrn Bou­vier nach Gal­way geflo­gen wegen eines Lochs im Sturm. Man wäre in einer Art und Wei­se nach Gal­way geflo­gen, dass man sich ein­mal spä­ter so gut an die­sen Flug erin­nern könn­te, als wäre man selbst dort in Kil­ro­nan gewe­sen, eine Ahnung, Geräu­sche, Luft und Leu­te. — stop



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